Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

ständen wird die Beschäftigung mit den
klassischen Sprachen diese Schulung bieten,
sondern nur bei einem Betriebe, wie Kerschen¬
steiner ihn andeutet und -- das klingt als
Unterton aus seinen Ausführungen heraus --
wie er nicht immer von den Altphilologen
gehandhabt wird. Kann nun der natur¬
wissenschaftliche Unterricht eine gleiche Schulung
gewähren und unter welchen Bedingungen?
Mit der Beantwortung dieser Frage setzt der
Hauptteil des ganzen Buches ein. Der Ab¬
schnitt ist überaus lehrreich und bis in alle
Einzelheiten gründlich. Als Ergebnis findet
der Verfasser, daß der naturwissenschaftliche
Unterricht ein ebenso brauchbares Werkzeug
für die formale Bildung abgeben kann wie
die Beschäftigung mit den alten Sprachen,
allerdings bei dem zurzeit möglichen Betriebe
noch nicht bietet. Bis jetzt haben also die
Naturwissenschaften nichts vor den klassischen
Sprachen voraus. Nun haften aber den
einzelnen Unterrichtszweigen noch andere Er¬
ziehungswerke an als die Ausbildung des
logischen Denkverfahrens. Hier steht bei den
Naturwissenschaften ein Plus. Wenn auch
nicht zu verkennen ist, daß die Beschäftigung
mit den alten Sprachen, wie die Anhänger
stets betonen, zugleich moralische, ästhetische
und gewisse intellektuelle der Beschäftigung
mit der Geschichte der menschlichen Kultur
entspringende Güter übermittelt, so handelt
es sich dabei nicht um Erziehungswerke,
sondern eigentlich nur um Erkenntniswerte,
die jeder Wissenschaft anhaften. Natürlich
können es nicht immer dieselben sein. Hier,
glaube ich, werden die Altphilologen dem
Verfasser nicht folgen wollen.

Das Plus auf feiten der Naturwissen¬
schaften siehtKerschensteiner in ganz bestimmten
Erziehungswerten, welche dieser Unterrichts¬
zweig teils mit arideren gemein hat, die ihm
aber zum großen Teil allein zukommen. So
übertrifft er allen ftemdsprachlichen Unterricht
dadurch, daß er uns mit dem Geiste der
Gesetzmäßigkeit alles Naturgeschehens erfüllt
und uns dabei zwingt, die Bausteine, das
heißt die Begriffe, mit denen zur Erreichung
dieses hohen Zieles gearbeitet werden muß,
mit größter Präzision zu entwickeln. Wird
dann der Inhalt dieser Begriffe richtig aus¬
genutzt, so wird auch stets ein einwandfreies

[Spaltenumbruch]

Ergebnis bei dem Denkverfahren gezeitigt.
Dieses Bewußtsein des Gelingens weckt das
Gefühl der Verantwortlichkeit für die Er¬
gebnisse der eigenen Arbeit. In dem Maße,
wie es sich einstellt, erzieht der naturwissen¬
schaftliche Unterricht den Schüler zur Gründ¬
lichkeit und peinlichen Genauigkeit im Denken
und Arbeiten und entwickelt in ihm die für
das Leben so überaus wertvolle Beobachtungs¬
gabe. Die Ursache des Mißlingens wird der
Schüler stets in sich selbst suchen, und je
mehr Schwierigkeiten er infolge des in ihm
erwachtenVerantwortlichkeitsgefühls empfindet,
desto größer ist die Ehrfurcht vor der geistigen
Arbeit anderer.

Kerschensteiner deckt alle Erziehungswerke
auf, die der naturwissenschaftliche Unterricht
vermitteln kann, und untersucht von allen
Seiten her, unter welchen Bedingungen diese
Werte allein in Erscheinung treten. Diesem
Hauptteil sind recht viele Leser zu wünschen.
Wenn sie auch vielleicht nicht der Ansicht sein
werden, daß durch diese Schrift der Streit
"hie Philologie, hie Naturwissenschaft" zum
Austrag gebracht worden ist, so werden sie
doch wertvolle Winke für die Behandlung des
Unterrichts finden, die Philologen sowohl als
auch die Naturwissenschafter.

Ein Führer der Jugend nennt sich
die naturwissenschaftliche Schülerbibliothek,
welche Bastion Schmid bei Teubner heraus¬
gibt. In dem zwanzigsten Bändchen bespricht
K. Schreber "Hervorragende Leistungen der
Technik" (1913. 216 Seiten. Preis geb. 3M.).
Bis jetzt liegt der erste Teil vor. Er gibt einen
Ausschnitt aus den Leistungen des menschlichen
Erfindergeistes und behandelt solche Teile der
Jngenieurwissenschaft, die mit der Mechanik
und der Wärmelehre in Zusammenhang stehen.
Der noch aufstehende zweite Teil soll der
Optik und der Elektrizität gewidmet sein.
Wir sehen dem Techniker beim Brückenbau zu,
lernen die Ausnutzung der Wind- und Wasser¬
kräfte kennen und werden mit den gewaltigen
Wärmekraftmaschinen der Gegenwart bekannt¬
gemacht. Immer ist der Verfasser bemüht,
beim Leser die zum Verständnis der gewaltigen
Leistungen der Technik nötigen physikalischen
Kenntnisse in Erinnerung zu bringen, ehe er
die Anwendung der Aufgaben auf die Praxis
bespricht. Reifen Schülern, die auch einfache

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

ständen wird die Beschäftigung mit den
klassischen Sprachen diese Schulung bieten,
sondern nur bei einem Betriebe, wie Kerschen¬
steiner ihn andeutet und — das klingt als
Unterton aus seinen Ausführungen heraus —
wie er nicht immer von den Altphilologen
gehandhabt wird. Kann nun der natur¬
wissenschaftliche Unterricht eine gleiche Schulung
gewähren und unter welchen Bedingungen?
Mit der Beantwortung dieser Frage setzt der
Hauptteil des ganzen Buches ein. Der Ab¬
schnitt ist überaus lehrreich und bis in alle
Einzelheiten gründlich. Als Ergebnis findet
der Verfasser, daß der naturwissenschaftliche
Unterricht ein ebenso brauchbares Werkzeug
für die formale Bildung abgeben kann wie
die Beschäftigung mit den alten Sprachen,
allerdings bei dem zurzeit möglichen Betriebe
noch nicht bietet. Bis jetzt haben also die
Naturwissenschaften nichts vor den klassischen
Sprachen voraus. Nun haften aber den
einzelnen Unterrichtszweigen noch andere Er¬
ziehungswerke an als die Ausbildung des
logischen Denkverfahrens. Hier steht bei den
Naturwissenschaften ein Plus. Wenn auch
nicht zu verkennen ist, daß die Beschäftigung
mit den alten Sprachen, wie die Anhänger
stets betonen, zugleich moralische, ästhetische
und gewisse intellektuelle der Beschäftigung
mit der Geschichte der menschlichen Kultur
entspringende Güter übermittelt, so handelt
es sich dabei nicht um Erziehungswerke,
sondern eigentlich nur um Erkenntniswerte,
die jeder Wissenschaft anhaften. Natürlich
können es nicht immer dieselben sein. Hier,
glaube ich, werden die Altphilologen dem
Verfasser nicht folgen wollen.

Das Plus auf feiten der Naturwissen¬
schaften siehtKerschensteiner in ganz bestimmten
Erziehungswerten, welche dieser Unterrichts¬
zweig teils mit arideren gemein hat, die ihm
aber zum großen Teil allein zukommen. So
übertrifft er allen ftemdsprachlichen Unterricht
dadurch, daß er uns mit dem Geiste der
Gesetzmäßigkeit alles Naturgeschehens erfüllt
und uns dabei zwingt, die Bausteine, das
heißt die Begriffe, mit denen zur Erreichung
dieses hohen Zieles gearbeitet werden muß,
mit größter Präzision zu entwickeln. Wird
dann der Inhalt dieser Begriffe richtig aus¬
genutzt, so wird auch stets ein einwandfreies

[Spaltenumbruch]

Ergebnis bei dem Denkverfahren gezeitigt.
Dieses Bewußtsein des Gelingens weckt das
Gefühl der Verantwortlichkeit für die Er¬
gebnisse der eigenen Arbeit. In dem Maße,
wie es sich einstellt, erzieht der naturwissen¬
schaftliche Unterricht den Schüler zur Gründ¬
lichkeit und peinlichen Genauigkeit im Denken
und Arbeiten und entwickelt in ihm die für
das Leben so überaus wertvolle Beobachtungs¬
gabe. Die Ursache des Mißlingens wird der
Schüler stets in sich selbst suchen, und je
mehr Schwierigkeiten er infolge des in ihm
erwachtenVerantwortlichkeitsgefühls empfindet,
desto größer ist die Ehrfurcht vor der geistigen
Arbeit anderer.

Kerschensteiner deckt alle Erziehungswerke
auf, die der naturwissenschaftliche Unterricht
vermitteln kann, und untersucht von allen
Seiten her, unter welchen Bedingungen diese
Werte allein in Erscheinung treten. Diesem
Hauptteil sind recht viele Leser zu wünschen.
Wenn sie auch vielleicht nicht der Ansicht sein
werden, daß durch diese Schrift der Streit
„hie Philologie, hie Naturwissenschaft" zum
Austrag gebracht worden ist, so werden sie
doch wertvolle Winke für die Behandlung des
Unterrichts finden, die Philologen sowohl als
auch die Naturwissenschafter.

Ein Führer der Jugend nennt sich
die naturwissenschaftliche Schülerbibliothek,
welche Bastion Schmid bei Teubner heraus¬
gibt. In dem zwanzigsten Bändchen bespricht
K. Schreber „Hervorragende Leistungen der
Technik" (1913. 216 Seiten. Preis geb. 3M.).
Bis jetzt liegt der erste Teil vor. Er gibt einen
Ausschnitt aus den Leistungen des menschlichen
Erfindergeistes und behandelt solche Teile der
Jngenieurwissenschaft, die mit der Mechanik
und der Wärmelehre in Zusammenhang stehen.
Der noch aufstehende zweite Teil soll der
Optik und der Elektrizität gewidmet sein.
Wir sehen dem Techniker beim Brückenbau zu,
lernen die Ausnutzung der Wind- und Wasser¬
kräfte kennen und werden mit den gewaltigen
Wärmekraftmaschinen der Gegenwart bekannt¬
gemacht. Immer ist der Verfasser bemüht,
beim Leser die zum Verständnis der gewaltigen
Leistungen der Technik nötigen physikalischen
Kenntnisse in Erinnerung zu bringen, ehe er
die Anwendung der Aufgaben auf die Praxis
bespricht. Reifen Schülern, die auch einfache

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328841"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_340" prev="#ID_339"> ständen wird die Beschäftigung mit den<lb/>
klassischen Sprachen diese Schulung bieten,<lb/>
sondern nur bei einem Betriebe, wie Kerschen¬<lb/>
steiner ihn andeutet und &#x2014; das klingt als<lb/>
Unterton aus seinen Ausführungen heraus &#x2014;<lb/>
wie er nicht immer von den Altphilologen<lb/>
gehandhabt wird. Kann nun der natur¬<lb/>
wissenschaftliche Unterricht eine gleiche Schulung<lb/>
gewähren und unter welchen Bedingungen?<lb/>
Mit der Beantwortung dieser Frage setzt der<lb/>
Hauptteil des ganzen Buches ein. Der Ab¬<lb/>
schnitt ist überaus lehrreich und bis in alle<lb/>
Einzelheiten gründlich. Als Ergebnis findet<lb/>
der Verfasser, daß der naturwissenschaftliche<lb/>
Unterricht ein ebenso brauchbares Werkzeug<lb/>
für die formale Bildung abgeben kann wie<lb/>
die Beschäftigung mit den alten Sprachen,<lb/>
allerdings bei dem zurzeit möglichen Betriebe<lb/>
noch nicht bietet. Bis jetzt haben also die<lb/>
Naturwissenschaften nichts vor den klassischen<lb/>
Sprachen voraus. Nun haften aber den<lb/>
einzelnen Unterrichtszweigen noch andere Er¬<lb/>
ziehungswerke an als die Ausbildung des<lb/>
logischen Denkverfahrens. Hier steht bei den<lb/>
Naturwissenschaften ein Plus. Wenn auch<lb/>
nicht zu verkennen ist, daß die Beschäftigung<lb/>
mit den alten Sprachen, wie die Anhänger<lb/>
stets betonen, zugleich moralische, ästhetische<lb/>
und gewisse intellektuelle der Beschäftigung<lb/>
mit der Geschichte der menschlichen Kultur<lb/>
entspringende Güter übermittelt, so handelt<lb/>
es sich dabei nicht um Erziehungswerke,<lb/>
sondern eigentlich nur um Erkenntniswerte,<lb/>
die jeder Wissenschaft anhaften. Natürlich<lb/>
können es nicht immer dieselben sein. Hier,<lb/>
glaube ich, werden die Altphilologen dem<lb/>
Verfasser nicht folgen wollen.</p>
            <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Das Plus auf feiten der Naturwissen¬<lb/>
schaften siehtKerschensteiner in ganz bestimmten<lb/>
Erziehungswerten, welche dieser Unterrichts¬<lb/>
zweig teils mit arideren gemein hat, die ihm<lb/>
aber zum großen Teil allein zukommen. So<lb/>
übertrifft er allen ftemdsprachlichen Unterricht<lb/>
dadurch, daß er uns mit dem Geiste der<lb/>
Gesetzmäßigkeit alles Naturgeschehens erfüllt<lb/>
und uns dabei zwingt, die Bausteine, das<lb/>
heißt die Begriffe, mit denen zur Erreichung<lb/>
dieses hohen Zieles gearbeitet werden muß,<lb/>
mit größter Präzision zu entwickeln. Wird<lb/>
dann der Inhalt dieser Begriffe richtig aus¬<lb/>
genutzt, so wird auch stets ein einwandfreies</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_342" prev="#ID_341"> Ergebnis bei dem Denkverfahren gezeitigt.<lb/>
Dieses Bewußtsein des Gelingens weckt das<lb/>
Gefühl der Verantwortlichkeit für die Er¬<lb/>
gebnisse der eigenen Arbeit. In dem Maße,<lb/>
wie es sich einstellt, erzieht der naturwissen¬<lb/>
schaftliche Unterricht den Schüler zur Gründ¬<lb/>
lichkeit und peinlichen Genauigkeit im Denken<lb/>
und Arbeiten und entwickelt in ihm die für<lb/>
das Leben so überaus wertvolle Beobachtungs¬<lb/>
gabe. Die Ursache des Mißlingens wird der<lb/>
Schüler stets in sich selbst suchen, und je<lb/>
mehr Schwierigkeiten er infolge des in ihm<lb/>
erwachtenVerantwortlichkeitsgefühls empfindet,<lb/>
desto größer ist die Ehrfurcht vor der geistigen<lb/>
Arbeit anderer.</p>
            <p xml:id="ID_343"> Kerschensteiner deckt alle Erziehungswerke<lb/>
auf, die der naturwissenschaftliche Unterricht<lb/>
vermitteln kann, und untersucht von allen<lb/>
Seiten her, unter welchen Bedingungen diese<lb/>
Werte allein in Erscheinung treten. Diesem<lb/>
Hauptteil sind recht viele Leser zu wünschen.<lb/>
Wenn sie auch vielleicht nicht der Ansicht sein<lb/>
werden, daß durch diese Schrift der Streit<lb/>
&#x201E;hie Philologie, hie Naturwissenschaft" zum<lb/>
Austrag gebracht worden ist, so werden sie<lb/>
doch wertvolle Winke für die Behandlung des<lb/>
Unterrichts finden, die Philologen sowohl als<lb/>
auch die Naturwissenschafter.</p>
            <p xml:id="ID_344" next="#ID_345"> Ein Führer der Jugend nennt sich<lb/>
die naturwissenschaftliche Schülerbibliothek,<lb/>
welche Bastion Schmid bei Teubner heraus¬<lb/>
gibt. In dem zwanzigsten Bändchen bespricht<lb/>
K. Schreber &#x201E;Hervorragende Leistungen der<lb/>
Technik" (1913. 216 Seiten. Preis geb. 3M.).<lb/>
Bis jetzt liegt der erste Teil vor. Er gibt einen<lb/>
Ausschnitt aus den Leistungen des menschlichen<lb/>
Erfindergeistes und behandelt solche Teile der<lb/>
Jngenieurwissenschaft, die mit der Mechanik<lb/>
und der Wärmelehre in Zusammenhang stehen.<lb/>
Der noch aufstehende zweite Teil soll der<lb/>
Optik und der Elektrizität gewidmet sein.<lb/>
Wir sehen dem Techniker beim Brückenbau zu,<lb/>
lernen die Ausnutzung der Wind- und Wasser¬<lb/>
kräfte kennen und werden mit den gewaltigen<lb/>
Wärmekraftmaschinen der Gegenwart bekannt¬<lb/>
gemacht. Immer ist der Verfasser bemüht,<lb/>
beim Leser die zum Verständnis der gewaltigen<lb/>
Leistungen der Technik nötigen physikalischen<lb/>
Kenntnisse in Erinnerung zu bringen, ehe er<lb/>
die Anwendung der Aufgaben auf die Praxis<lb/>
bespricht. Reifen Schülern, die auch einfache</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107] Maßgebliches und Unmaßgebliches ständen wird die Beschäftigung mit den klassischen Sprachen diese Schulung bieten, sondern nur bei einem Betriebe, wie Kerschen¬ steiner ihn andeutet und — das klingt als Unterton aus seinen Ausführungen heraus — wie er nicht immer von den Altphilologen gehandhabt wird. Kann nun der natur¬ wissenschaftliche Unterricht eine gleiche Schulung gewähren und unter welchen Bedingungen? Mit der Beantwortung dieser Frage setzt der Hauptteil des ganzen Buches ein. Der Ab¬ schnitt ist überaus lehrreich und bis in alle Einzelheiten gründlich. Als Ergebnis findet der Verfasser, daß der naturwissenschaftliche Unterricht ein ebenso brauchbares Werkzeug für die formale Bildung abgeben kann wie die Beschäftigung mit den alten Sprachen, allerdings bei dem zurzeit möglichen Betriebe noch nicht bietet. Bis jetzt haben also die Naturwissenschaften nichts vor den klassischen Sprachen voraus. Nun haften aber den einzelnen Unterrichtszweigen noch andere Er¬ ziehungswerke an als die Ausbildung des logischen Denkverfahrens. Hier steht bei den Naturwissenschaften ein Plus. Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß die Beschäftigung mit den alten Sprachen, wie die Anhänger stets betonen, zugleich moralische, ästhetische und gewisse intellektuelle der Beschäftigung mit der Geschichte der menschlichen Kultur entspringende Güter übermittelt, so handelt es sich dabei nicht um Erziehungswerke, sondern eigentlich nur um Erkenntniswerte, die jeder Wissenschaft anhaften. Natürlich können es nicht immer dieselben sein. Hier, glaube ich, werden die Altphilologen dem Verfasser nicht folgen wollen. Das Plus auf feiten der Naturwissen¬ schaften siehtKerschensteiner in ganz bestimmten Erziehungswerten, welche dieser Unterrichts¬ zweig teils mit arideren gemein hat, die ihm aber zum großen Teil allein zukommen. So übertrifft er allen ftemdsprachlichen Unterricht dadurch, daß er uns mit dem Geiste der Gesetzmäßigkeit alles Naturgeschehens erfüllt und uns dabei zwingt, die Bausteine, das heißt die Begriffe, mit denen zur Erreichung dieses hohen Zieles gearbeitet werden muß, mit größter Präzision zu entwickeln. Wird dann der Inhalt dieser Begriffe richtig aus¬ genutzt, so wird auch stets ein einwandfreies Ergebnis bei dem Denkverfahren gezeitigt. Dieses Bewußtsein des Gelingens weckt das Gefühl der Verantwortlichkeit für die Er¬ gebnisse der eigenen Arbeit. In dem Maße, wie es sich einstellt, erzieht der naturwissen¬ schaftliche Unterricht den Schüler zur Gründ¬ lichkeit und peinlichen Genauigkeit im Denken und Arbeiten und entwickelt in ihm die für das Leben so überaus wertvolle Beobachtungs¬ gabe. Die Ursache des Mißlingens wird der Schüler stets in sich selbst suchen, und je mehr Schwierigkeiten er infolge des in ihm erwachtenVerantwortlichkeitsgefühls empfindet, desto größer ist die Ehrfurcht vor der geistigen Arbeit anderer. Kerschensteiner deckt alle Erziehungswerke auf, die der naturwissenschaftliche Unterricht vermitteln kann, und untersucht von allen Seiten her, unter welchen Bedingungen diese Werte allein in Erscheinung treten. Diesem Hauptteil sind recht viele Leser zu wünschen. Wenn sie auch vielleicht nicht der Ansicht sein werden, daß durch diese Schrift der Streit „hie Philologie, hie Naturwissenschaft" zum Austrag gebracht worden ist, so werden sie doch wertvolle Winke für die Behandlung des Unterrichts finden, die Philologen sowohl als auch die Naturwissenschafter. Ein Führer der Jugend nennt sich die naturwissenschaftliche Schülerbibliothek, welche Bastion Schmid bei Teubner heraus¬ gibt. In dem zwanzigsten Bändchen bespricht K. Schreber „Hervorragende Leistungen der Technik" (1913. 216 Seiten. Preis geb. 3M.). Bis jetzt liegt der erste Teil vor. Er gibt einen Ausschnitt aus den Leistungen des menschlichen Erfindergeistes und behandelt solche Teile der Jngenieurwissenschaft, die mit der Mechanik und der Wärmelehre in Zusammenhang stehen. Der noch aufstehende zweite Teil soll der Optik und der Elektrizität gewidmet sein. Wir sehen dem Techniker beim Brückenbau zu, lernen die Ausnutzung der Wind- und Wasser¬ kräfte kennen und werden mit den gewaltigen Wärmekraftmaschinen der Gegenwart bekannt¬ gemacht. Immer ist der Verfasser bemüht, beim Leser die zum Verständnis der gewaltigen Leistungen der Technik nötigen physikalischen Kenntnisse in Erinnerung zu bringen, ehe er die Anwendung der Aufgaben auf die Praxis bespricht. Reifen Schülern, die auch einfache

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/107
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/107>, abgerufen am 27.07.2024.