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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Hundertundfiinfzig Jahre deutscher Runst

hebt, wie in dem so oft dargestellten Tanz Erwachsener und Kinder -- etwas
national Böhmisches zu besitzen scheinen.

Dem Tierstück, das in Darmstadt durch das besprochene Taubenpaar Tamms
am glänzendsten und eigenartigsten vertreten ist und in den prächtigen Kühen
auf der Weide l>. 305) von Wilhelm von Kobell (1766 bis 1855) den Höhe¬
punkt seiner Entwicklung erreicht, schließt sich das Reiter- und Schlachtbild an.
Dieses verlangt vom Künstler von vornherein ein Verständnis und eine Vorliebe
für Bewegung, also ein schnelles und sicheres Auge. Man kann daher erwarten,
daß in ihm sich Künstlerindividualitäten kundtun, die über die damalige Zeit
hinausweisen. Und das stimmt auch. Von G. PH. Rugendas dem Älteren
aus Augsburg (1666 bis 1742) finden sich in Darmstadt unter anderen ein
"Reitergefecht", das eine dramatische Gruppierung aufweist und trotz des für
ihn charakteristischen etwas trüben Tones dartut, daß Rugendas, der sein bestes
in Schwarz-weiß-Blättern gegeben, auch auf malerische Momente wohl zu achten
wußte, und außerdem auch eigene seiner sichergeschauten und flotthingesetzten
Handzeichnungen. Johann Matthias Weyer (gestorben 1690) ist mit einer
wuchtig konzipierten "Bekehrung Pauli" vertreten, deren Bewegung von einem
energisch betonten, auch koloristisch stark hervorgehobenen Mittelpunkt sich nach allen
Seiten ausbreitet, am stärksten nach dem Vordergrund hin, wo ein prachtvoller
Schimmel unter seinem Reiter zusammengebrochen ist. Das Bild mag Wouwer-
man ins Gedächtnis rufen, ist aber dort das Ergebnis eigenen Könnens und
zum Teil auch Sehens. Gutgelmigene Reiterbilder finden sich auch da und
dort in "Feldherrnporträts" als Teil des Hintergrundes und sind oft deren
bester, eigenster Teil, der dem Bilde Leben und Bewegung verleiht. Eine
solche Reiterschlacht ist zum Beispiel auf Martin Mertens (1695 bis 1770)
auch sonst manches sehr Gute bietenden großem Porträt des Kaisers Franz des
Ersten aus dem Besitz des Kaisers von Österreich zu sehen. Von einem
Schüler des vorher erwähnten Rugendas, dem Schwaben Johann Elias
Riedinger (1698 bis 1769) kannte man bisher meist nnr Schwarz-weiß-Blätter.
die ihn als einen sicheren Beobachter der Tierwelt erweisen. Hier nun sieht
man eine Lagerszene (aus den Städtischen Sammlungen Heidelbergs), die
malerisch sehr eigenartig im Ton ist. Die im Vordergrund scheinbar absichtslos
hingeworfenen Gegenstände -- ein Degen und ein zusammengewürfeltes Tuch --
kehren zwar aus so manchen Reiter- und Schlachtenbildern der Zeit wieder, be¬
weisen aber welches Interesse am rein Malerischen in diesen Künstlern doch
lebendig war, denn ihr einziger Zweck ist einen leuchtenden Farbenfleck an
einer wichtigen Stelle anzubringen und ein die ganze Bildbeleuchtung vorteilhaft
hebendes Licht aufzusetzen.

Eine solche Rolle spielt auch noch der Degen ganz vorn rechts auf dem
Bild /V 759. einem "Kampf zwischen Kroaten und bayrischen Soldaten" be¬
titelten Werke eines unbekannten Meisters, das mit zwei ähnlichen auch aus¬
gestellten Stücken erst kürzlich ganz zufällig in Meran entdeckt wurde. Diese


Hundertundfiinfzig Jahre deutscher Runst

hebt, wie in dem so oft dargestellten Tanz Erwachsener und Kinder — etwas
national Böhmisches zu besitzen scheinen.

Dem Tierstück, das in Darmstadt durch das besprochene Taubenpaar Tamms
am glänzendsten und eigenartigsten vertreten ist und in den prächtigen Kühen
auf der Weide l>. 305) von Wilhelm von Kobell (1766 bis 1855) den Höhe¬
punkt seiner Entwicklung erreicht, schließt sich das Reiter- und Schlachtbild an.
Dieses verlangt vom Künstler von vornherein ein Verständnis und eine Vorliebe
für Bewegung, also ein schnelles und sicheres Auge. Man kann daher erwarten,
daß in ihm sich Künstlerindividualitäten kundtun, die über die damalige Zeit
hinausweisen. Und das stimmt auch. Von G. PH. Rugendas dem Älteren
aus Augsburg (1666 bis 1742) finden sich in Darmstadt unter anderen ein
„Reitergefecht", das eine dramatische Gruppierung aufweist und trotz des für
ihn charakteristischen etwas trüben Tones dartut, daß Rugendas, der sein bestes
in Schwarz-weiß-Blättern gegeben, auch auf malerische Momente wohl zu achten
wußte, und außerdem auch eigene seiner sichergeschauten und flotthingesetzten
Handzeichnungen. Johann Matthias Weyer (gestorben 1690) ist mit einer
wuchtig konzipierten „Bekehrung Pauli" vertreten, deren Bewegung von einem
energisch betonten, auch koloristisch stark hervorgehobenen Mittelpunkt sich nach allen
Seiten ausbreitet, am stärksten nach dem Vordergrund hin, wo ein prachtvoller
Schimmel unter seinem Reiter zusammengebrochen ist. Das Bild mag Wouwer-
man ins Gedächtnis rufen, ist aber dort das Ergebnis eigenen Könnens und
zum Teil auch Sehens. Gutgelmigene Reiterbilder finden sich auch da und
dort in „Feldherrnporträts" als Teil des Hintergrundes und sind oft deren
bester, eigenster Teil, der dem Bilde Leben und Bewegung verleiht. Eine
solche Reiterschlacht ist zum Beispiel auf Martin Mertens (1695 bis 1770)
auch sonst manches sehr Gute bietenden großem Porträt des Kaisers Franz des
Ersten aus dem Besitz des Kaisers von Österreich zu sehen. Von einem
Schüler des vorher erwähnten Rugendas, dem Schwaben Johann Elias
Riedinger (1698 bis 1769) kannte man bisher meist nnr Schwarz-weiß-Blätter.
die ihn als einen sicheren Beobachter der Tierwelt erweisen. Hier nun sieht
man eine Lagerszene (aus den Städtischen Sammlungen Heidelbergs), die
malerisch sehr eigenartig im Ton ist. Die im Vordergrund scheinbar absichtslos
hingeworfenen Gegenstände — ein Degen und ein zusammengewürfeltes Tuch —
kehren zwar aus so manchen Reiter- und Schlachtenbildern der Zeit wieder, be¬
weisen aber welches Interesse am rein Malerischen in diesen Künstlern doch
lebendig war, denn ihr einziger Zweck ist einen leuchtenden Farbenfleck an
einer wichtigen Stelle anzubringen und ein die ganze Bildbeleuchtung vorteilhaft
hebendes Licht aufzusetzen.

Eine solche Rolle spielt auch noch der Degen ganz vorn rechts auf dem
Bild /V 759. einem „Kampf zwischen Kroaten und bayrischen Soldaten" be¬
titelten Werke eines unbekannten Meisters, das mit zwei ähnlichen auch aus¬
gestellten Stücken erst kürzlich ganz zufällig in Meran entdeckt wurde. Diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/100>, abgerufen am 22.12.2024.