Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bismarck und Prokesch-Gstcn

und Händelsucht das Stärkste sind, was Prokesch die Erregung entlockt hat.
Im übrigen hat er auch in der größten Hitze des Kampfes ersichtlich immer
um Selbftbändigung gerungen, als deren Frucht dann jene außerordentliche
Vornehmheit erscheint, die seine Briefe und Berichte ebenso charakterisiert, wie
sie in den Bismarckschen gar nicht auch nur angestrebt ist.

Und als er vollends den Staub Frankfurts von den Füßen geschüttelt
hatte, da ist ihm Gerechtigkeit und Bewunderung sür den großen Widersacher,
wie in alten Tagen, wiedergekehrt, wenn auch das Wohlwollen und die Sym¬
pathie von einstens nach allem Erlebten unwiederbringlich dahin waren.

Schon zur Zeit des Fürstentages weissagte Prokesch den Krieg ("Krieg
haben wir in jedem Falle, wie ich Bismarck kenne")").

Doch mußte dem äußeren erst der innere, die Niedcrringung der liberalen
Opposition, vorangehen. In diesem stand Prokesch ersichtlich innerlich auf
Bismarcks Seite; als er einmal in der Schweiz mit einigen seiner Hauptgegner
zusammengetroffen war, äußerte er gegen einen Freund: "Haben Sie den ganzen
Abend einen gesunden, brauchbaren politischen Gedanken von diesen sonst so
gescheidten und unterrichteten Menschen gehört? Ich sage Ihnen, Bismarck haut
diese noch nieder, daß sie sich nicht mehr rühren. Sie werden noch ihren Fetisch
aus ihm machen. Ich kenne ihn, er ist stärker als sie alle zusammen/'

Nach dem unglücklichen Kriege von 1866 erkannte Prokesch richtig: "daß
wir aus dem Bunde sind, ist die einzige Lichtseite in unserem Unglück (er hatte
sich in Frankfurt sattsam davon überzeugen können, was es mit diesem Bunde
auf sich hatte). Außerhalb können wir in Deutschland gelten, innerhalb des¬
selben, Preußen oder Majoritäten und enge Gesichtspunkte gegen uns, nichts."

Die Ereignisse von 1870 fanden in ihm ganz nur den deutschen Mann,
dem es, sehr im Gegensatze zu den Politikern von der Art Beusts, vom ersten
Augenblicke an fest stand, daß Österreich fortan nicht nur das Interesse, sondern
auch die Pflicht einer engen Anlehnung an das neue Deutsche Reich habe --
eine Überzeugung, der er dann noch wiederholt den unzweideutigsten Ausdruck
verliehen hat.

In aller Ruhe des Alters hat dann der Sicbenundstebzigjährige 1872
noch eine letzte Abrechnung auch mit dem allen Gegner gehalten, die als eines
der hervorragendsten Dokumente jener denkwürdigen Kampfesepoche hier ganz
mitgeteilt sein möge. Sie zeigt, daß Prokesch es über sich vermochte, den ge¬
dämpften, fast überwundenen Groll vergangener Tage voll großartiger Re¬
signation und mit der Wahrheitsliebe, die er, trotz Bismarck, immer besessen,
in eine Huldigung für den Gewaltigen ausklingen zu lassen:

"Herr von Bismarck vertrat das Bestreben, den Bund zugrunde zu richten,
um Raum für Preußens Herrschaft zu schaffen, ich das Bestreben, den Bund zu



*) Die folgenden Mitteilungen nach von Warsbergs Nekrolog in der "Allgemeinen
Zeitung".
Bismarck und Prokesch-Gstcn

und Händelsucht das Stärkste sind, was Prokesch die Erregung entlockt hat.
Im übrigen hat er auch in der größten Hitze des Kampfes ersichtlich immer
um Selbftbändigung gerungen, als deren Frucht dann jene außerordentliche
Vornehmheit erscheint, die seine Briefe und Berichte ebenso charakterisiert, wie
sie in den Bismarckschen gar nicht auch nur angestrebt ist.

Und als er vollends den Staub Frankfurts von den Füßen geschüttelt
hatte, da ist ihm Gerechtigkeit und Bewunderung sür den großen Widersacher,
wie in alten Tagen, wiedergekehrt, wenn auch das Wohlwollen und die Sym¬
pathie von einstens nach allem Erlebten unwiederbringlich dahin waren.

Schon zur Zeit des Fürstentages weissagte Prokesch den Krieg („Krieg
haben wir in jedem Falle, wie ich Bismarck kenne")").

Doch mußte dem äußeren erst der innere, die Niedcrringung der liberalen
Opposition, vorangehen. In diesem stand Prokesch ersichtlich innerlich auf
Bismarcks Seite; als er einmal in der Schweiz mit einigen seiner Hauptgegner
zusammengetroffen war, äußerte er gegen einen Freund: „Haben Sie den ganzen
Abend einen gesunden, brauchbaren politischen Gedanken von diesen sonst so
gescheidten und unterrichteten Menschen gehört? Ich sage Ihnen, Bismarck haut
diese noch nieder, daß sie sich nicht mehr rühren. Sie werden noch ihren Fetisch
aus ihm machen. Ich kenne ihn, er ist stärker als sie alle zusammen/'

Nach dem unglücklichen Kriege von 1866 erkannte Prokesch richtig: „daß
wir aus dem Bunde sind, ist die einzige Lichtseite in unserem Unglück (er hatte
sich in Frankfurt sattsam davon überzeugen können, was es mit diesem Bunde
auf sich hatte). Außerhalb können wir in Deutschland gelten, innerhalb des¬
selben, Preußen oder Majoritäten und enge Gesichtspunkte gegen uns, nichts."

Die Ereignisse von 1870 fanden in ihm ganz nur den deutschen Mann,
dem es, sehr im Gegensatze zu den Politikern von der Art Beusts, vom ersten
Augenblicke an fest stand, daß Österreich fortan nicht nur das Interesse, sondern
auch die Pflicht einer engen Anlehnung an das neue Deutsche Reich habe —
eine Überzeugung, der er dann noch wiederholt den unzweideutigsten Ausdruck
verliehen hat.

In aller Ruhe des Alters hat dann der Sicbenundstebzigjährige 1872
noch eine letzte Abrechnung auch mit dem allen Gegner gehalten, die als eines
der hervorragendsten Dokumente jener denkwürdigen Kampfesepoche hier ganz
mitgeteilt sein möge. Sie zeigt, daß Prokesch es über sich vermochte, den ge¬
dämpften, fast überwundenen Groll vergangener Tage voll großartiger Re¬
signation und mit der Wahrheitsliebe, die er, trotz Bismarck, immer besessen,
in eine Huldigung für den Gewaltigen ausklingen zu lassen:

„Herr von Bismarck vertrat das Bestreben, den Bund zugrunde zu richten,
um Raum für Preußens Herrschaft zu schaffen, ich das Bestreben, den Bund zu



*) Die folgenden Mitteilungen nach von Warsbergs Nekrolog in der „Allgemeinen
Zeitung".
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328180"/>
            <fw type="header" place="top"> Bismarck und Prokesch-Gstcn</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_294" prev="#ID_293"> und Händelsucht das Stärkste sind, was Prokesch die Erregung entlockt hat.<lb/>
Im übrigen hat er auch in der größten Hitze des Kampfes ersichtlich immer<lb/>
um Selbftbändigung gerungen, als deren Frucht dann jene außerordentliche<lb/>
Vornehmheit erscheint, die seine Briefe und Berichte ebenso charakterisiert, wie<lb/>
sie in den Bismarckschen gar nicht auch nur angestrebt ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_295"> Und als er vollends den Staub Frankfurts von den Füßen geschüttelt<lb/>
hatte, da ist ihm Gerechtigkeit und Bewunderung sür den großen Widersacher,<lb/>
wie in alten Tagen, wiedergekehrt, wenn auch das Wohlwollen und die Sym¬<lb/>
pathie von einstens nach allem Erlebten unwiederbringlich dahin waren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_296"> Schon zur Zeit des Fürstentages weissagte Prokesch den Krieg (&#x201E;Krieg<lb/>
haben wir in jedem Falle, wie ich Bismarck kenne")").</p><lb/>
            <p xml:id="ID_297"> Doch mußte dem äußeren erst der innere, die Niedcrringung der liberalen<lb/>
Opposition, vorangehen. In diesem stand Prokesch ersichtlich innerlich auf<lb/>
Bismarcks Seite; als er einmal in der Schweiz mit einigen seiner Hauptgegner<lb/>
zusammengetroffen war, äußerte er gegen einen Freund: &#x201E;Haben Sie den ganzen<lb/>
Abend einen gesunden, brauchbaren politischen Gedanken von diesen sonst so<lb/>
gescheidten und unterrichteten Menschen gehört? Ich sage Ihnen, Bismarck haut<lb/>
diese noch nieder, daß sie sich nicht mehr rühren. Sie werden noch ihren Fetisch<lb/>
aus ihm machen. Ich kenne ihn, er ist stärker als sie alle zusammen/'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_298"> Nach dem unglücklichen Kriege von 1866 erkannte Prokesch richtig: &#x201E;daß<lb/>
wir aus dem Bunde sind, ist die einzige Lichtseite in unserem Unglück (er hatte<lb/>
sich in Frankfurt sattsam davon überzeugen können, was es mit diesem Bunde<lb/>
auf sich hatte). Außerhalb können wir in Deutschland gelten, innerhalb des¬<lb/>
selben, Preußen oder Majoritäten und enge Gesichtspunkte gegen uns, nichts."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_299"> Die Ereignisse von 1870 fanden in ihm ganz nur den deutschen Mann,<lb/>
dem es, sehr im Gegensatze zu den Politikern von der Art Beusts, vom ersten<lb/>
Augenblicke an fest stand, daß Österreich fortan nicht nur das Interesse, sondern<lb/>
auch die Pflicht einer engen Anlehnung an das neue Deutsche Reich habe &#x2014;<lb/>
eine Überzeugung, der er dann noch wiederholt den unzweideutigsten Ausdruck<lb/>
verliehen hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_300"> In aller Ruhe des Alters hat dann der Sicbenundstebzigjährige 1872<lb/>
noch eine letzte Abrechnung auch mit dem allen Gegner gehalten, die als eines<lb/>
der hervorragendsten Dokumente jener denkwürdigen Kampfesepoche hier ganz<lb/>
mitgeteilt sein möge. Sie zeigt, daß Prokesch es über sich vermochte, den ge¬<lb/>
dämpften, fast überwundenen Groll vergangener Tage voll großartiger Re¬<lb/>
signation und mit der Wahrheitsliebe, die er, trotz Bismarck, immer besessen,<lb/>
in eine Huldigung für den Gewaltigen ausklingen zu lassen:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_301" next="#ID_302"> &#x201E;Herr von Bismarck vertrat das Bestreben, den Bund zugrunde zu richten,<lb/>
um Raum für Preußens Herrschaft zu schaffen, ich das Bestreben, den Bund zu</p><lb/>
            <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) Die folgenden Mitteilungen nach von Warsbergs Nekrolog in der &#x201E;Allgemeinen<lb/>
Zeitung".</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] Bismarck und Prokesch-Gstcn und Händelsucht das Stärkste sind, was Prokesch die Erregung entlockt hat. Im übrigen hat er auch in der größten Hitze des Kampfes ersichtlich immer um Selbftbändigung gerungen, als deren Frucht dann jene außerordentliche Vornehmheit erscheint, die seine Briefe und Berichte ebenso charakterisiert, wie sie in den Bismarckschen gar nicht auch nur angestrebt ist. Und als er vollends den Staub Frankfurts von den Füßen geschüttelt hatte, da ist ihm Gerechtigkeit und Bewunderung sür den großen Widersacher, wie in alten Tagen, wiedergekehrt, wenn auch das Wohlwollen und die Sym¬ pathie von einstens nach allem Erlebten unwiederbringlich dahin waren. Schon zur Zeit des Fürstentages weissagte Prokesch den Krieg („Krieg haben wir in jedem Falle, wie ich Bismarck kenne")"). Doch mußte dem äußeren erst der innere, die Niedcrringung der liberalen Opposition, vorangehen. In diesem stand Prokesch ersichtlich innerlich auf Bismarcks Seite; als er einmal in der Schweiz mit einigen seiner Hauptgegner zusammengetroffen war, äußerte er gegen einen Freund: „Haben Sie den ganzen Abend einen gesunden, brauchbaren politischen Gedanken von diesen sonst so gescheidten und unterrichteten Menschen gehört? Ich sage Ihnen, Bismarck haut diese noch nieder, daß sie sich nicht mehr rühren. Sie werden noch ihren Fetisch aus ihm machen. Ich kenne ihn, er ist stärker als sie alle zusammen/' Nach dem unglücklichen Kriege von 1866 erkannte Prokesch richtig: „daß wir aus dem Bunde sind, ist die einzige Lichtseite in unserem Unglück (er hatte sich in Frankfurt sattsam davon überzeugen können, was es mit diesem Bunde auf sich hatte). Außerhalb können wir in Deutschland gelten, innerhalb des¬ selben, Preußen oder Majoritäten und enge Gesichtspunkte gegen uns, nichts." Die Ereignisse von 1870 fanden in ihm ganz nur den deutschen Mann, dem es, sehr im Gegensatze zu den Politikern von der Art Beusts, vom ersten Augenblicke an fest stand, daß Österreich fortan nicht nur das Interesse, sondern auch die Pflicht einer engen Anlehnung an das neue Deutsche Reich habe — eine Überzeugung, der er dann noch wiederholt den unzweideutigsten Ausdruck verliehen hat. In aller Ruhe des Alters hat dann der Sicbenundstebzigjährige 1872 noch eine letzte Abrechnung auch mit dem allen Gegner gehalten, die als eines der hervorragendsten Dokumente jener denkwürdigen Kampfesepoche hier ganz mitgeteilt sein möge. Sie zeigt, daß Prokesch es über sich vermochte, den ge¬ dämpften, fast überwundenen Groll vergangener Tage voll großartiger Re¬ signation und mit der Wahrheitsliebe, die er, trotz Bismarck, immer besessen, in eine Huldigung für den Gewaltigen ausklingen zu lassen: „Herr von Bismarck vertrat das Bestreben, den Bund zugrunde zu richten, um Raum für Preußens Herrschaft zu schaffen, ich das Bestreben, den Bund zu *) Die folgenden Mitteilungen nach von Warsbergs Nekrolog in der „Allgemeinen Zeitung".

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/80
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/80>, abgerufen am 25.07.2024.