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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Beurkundung der Anerkennung seines Lebens und Strebens, und die letzte
europäische Reise, die 1836 der Fünfundsicbzigjährige als Tondichter in die
Städte unternahm, wo er seinen Virtuoseuruhm geerntet hatte, war sozusagen
die Probe darauf. Empfangen überall wie ein König, umbraust von dem
Jubel von Tausenden, die andächtig und begeistert den Klängen seiner Dichtung
lauschten, mußte er erkennen, daß sein Leben doch mehr gewesen war als eine
Künstlerepisode, daß in der wenn auch späten Anerkennung seiner Werke eine
Bürgschaft für ihre Zukunft lag. Und wenn er des großen Kreises seiner Jünger
gedachte, die seine Lehren allenthalben verbreiteten, mit welcher Befriedigung
mochte ihn die Erkenntnis erfüllen, daß er weit, weit in die Welt hiuausgesäet
hatte. Getrost durfte der Greis sich zu seiner letzten Reise rüsten, denn selbst¬
loser und treuer war selten eine ideale Mission erfüllt worden, noch sterbend
hat er ihr gedient; als nach Wagners Tode das Bavreuther Unternehmen in
Gefahr geriet, eilte er, kaum von seiner Konzertreise zurückgekehrt, selbst schon
totkrank und halberblindet nach Baureuth, um seine letzten Kräfte in den Dienst
einer idealen Sache zu stellen. In der Nacht des 31. Juli 1886 endete dies
so überschwünglich reich begnadete Künstlerleben. Auf dem städtischen Friedhof
zu Banreuth ruht Franz Liszt von seiner langen Pilgerfahrt.

Licht, Liebe, Leben! Die schönen, inhaltsschweren Worte auf dem Herder-
Denkmal zu Weimar könnten mit Recht auch Liszts Grabstein zieren. Er hat
das Licht geliebt und Licht gespendet, wohin er gekommen, ist; er hat Liebe
gesät und Liebe erfahren wie wenige und des Lebens Überfluß an Glanz und
Ruhm, aber auch an bitterem Leid und schweren Enttäuschungen genossen wie
kaum ein anderer. Und er ist des von Goethe gepriesenen höchsten Glückes
der Erdenkinder teilhaftig geworden. "Bleibe dir selbst getreu. Bleibe getreu
dem, was du in deinen: Herzen für das beste, edelste, richtigste und reinste
hältst. Kümmere dich nicht darum, Moas' zu sein oder zu werden, aber
arbeite mit Beharrlichkeit darauf hin, eine Persönlichkeit zu sein und es mehr
und mehr zu werden." -- Dieser seiner eigenen Mahnung entsprach sein ganzes
Leben nicht minder wie seinem stolzen Wahlspruch

Oönie odliZe!




5>a»5 Liszt

Beurkundung der Anerkennung seines Lebens und Strebens, und die letzte
europäische Reise, die 1836 der Fünfundsicbzigjährige als Tondichter in die
Städte unternahm, wo er seinen Virtuoseuruhm geerntet hatte, war sozusagen
die Probe darauf. Empfangen überall wie ein König, umbraust von dem
Jubel von Tausenden, die andächtig und begeistert den Klängen seiner Dichtung
lauschten, mußte er erkennen, daß sein Leben doch mehr gewesen war als eine
Künstlerepisode, daß in der wenn auch späten Anerkennung seiner Werke eine
Bürgschaft für ihre Zukunft lag. Und wenn er des großen Kreises seiner Jünger
gedachte, die seine Lehren allenthalben verbreiteten, mit welcher Befriedigung
mochte ihn die Erkenntnis erfüllen, daß er weit, weit in die Welt hiuausgesäet
hatte. Getrost durfte der Greis sich zu seiner letzten Reise rüsten, denn selbst¬
loser und treuer war selten eine ideale Mission erfüllt worden, noch sterbend
hat er ihr gedient; als nach Wagners Tode das Bavreuther Unternehmen in
Gefahr geriet, eilte er, kaum von seiner Konzertreise zurückgekehrt, selbst schon
totkrank und halberblindet nach Baureuth, um seine letzten Kräfte in den Dienst
einer idealen Sache zu stellen. In der Nacht des 31. Juli 1886 endete dies
so überschwünglich reich begnadete Künstlerleben. Auf dem städtischen Friedhof
zu Banreuth ruht Franz Liszt von seiner langen Pilgerfahrt.

Licht, Liebe, Leben! Die schönen, inhaltsschweren Worte auf dem Herder-
Denkmal zu Weimar könnten mit Recht auch Liszts Grabstein zieren. Er hat
das Licht geliebt und Licht gespendet, wohin er gekommen, ist; er hat Liebe
gesät und Liebe erfahren wie wenige und des Lebens Überfluß an Glanz und
Ruhm, aber auch an bitterem Leid und schweren Enttäuschungen genossen wie
kaum ein anderer. Und er ist des von Goethe gepriesenen höchsten Glückes
der Erdenkinder teilhaftig geworden. „Bleibe dir selbst getreu. Bleibe getreu
dem, was du in deinen: Herzen für das beste, edelste, richtigste und reinste
hältst. Kümmere dich nicht darum, Moas' zu sein oder zu werden, aber
arbeite mit Beharrlichkeit darauf hin, eine Persönlichkeit zu sein und es mehr
und mehr zu werden." — Dieser seiner eigenen Mahnung entsprach sein ganzes
Leben nicht minder wie seinem stolzen Wahlspruch

Oönie odliZe!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/611>, abgerufen am 24.07.2024.