Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Das polnische Problem und die preußische Gstmarrcnpolitik tatsächlich das Land, dessen sie bedarf, im freihändigen Verkauf nicht teuerer Sind wir wirklich soweit, dann gäbe es meines "Trachtens weniger gefähr¬ Damit komme ich zu konkreten Vorschlägen: an Stelle des Schlagwortes Das polnische Problem und die preußische Gstmarrcnpolitik tatsächlich das Land, dessen sie bedarf, im freihändigen Verkauf nicht teuerer Sind wir wirklich soweit, dann gäbe es meines «Trachtens weniger gefähr¬ Damit komme ich zu konkreten Vorschlägen: an Stelle des Schlagwortes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0595" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328695"/> <fw type="header" place="top"> Das polnische Problem und die preußische Gstmarrcnpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_2368" prev="#ID_2367"> tatsächlich das Land, dessen sie bedarf, im freihändigen Verkauf nicht teuerer<lb/> wie auf dem Wege der Enteignung. Als nationales Kampfmittel hätte das<lb/> Gesetz einen praktischen Nutzen nur dann bringen können, wenn damit die<lb/> systematische Vertreibung der Polen von ihrer Scholle verbunden worden wäre.<lb/> Daran aber denkt, wie schon hervorgehoben wurde, kein verständiger Mensch in<lb/> Preußen schon allein aus dem einen Grunde, weil wir die polnischen Arbeits¬<lb/> kräfte nötig haben. AIs soziales Kampfmittel gegen den Bodenwncher wäre das<lb/> Gesetz verständlich und vielleicht sogar praktisch gewesen, wenn es als Reichs¬<lb/> gesetz für das ganze Deutsche Reich Geltung bekommen Hütte. Aber auch als<lb/> soziales Kampfmittel halte ich es für eine zweischneidige Waffe, die die Grund¬<lb/> lagen des bürgerlichen Staates in Frage stellen würde, — es sei denn, daß<lb/> man darauf ausginge, das gesamte Landareal im Reich zu verstaatlichen, mit<lb/> dem Zweck, es überhaupt aus den Handel zu ziehen und durch großzügige<lb/> innere Kolonisation der Nation eine breite, im Heimatboden wurzelnde Bauern¬<lb/> schicht zu geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2369"> Sind wir wirklich soweit, dann gäbe es meines «Trachtens weniger gefähr¬<lb/> liche Maßnahmen, wie die Enteignung. Monopolisierung des Handels mit<lb/> Grund und Boden durch den Staat, die Einführung von Preistabellen für den<lb/> Boden in Stadt und Land, -Vorkaufsrecht zu bestimmtem Preise wären auch<lb/> Mittel, um die ländlichen Schichten zu verstärken, wirksam, ohne doch so tief<lb/> in die Willensfreiheit der besitzenden Schichten einzugreifen, wie das Ent¬<lb/> eignungsgesetz es tut.</p><lb/> <p xml:id="ID_2370"> Damit komme ich zu konkreten Vorschlägen: an Stelle des Schlagwortes<lb/> Ostmarkenpolitik sollte die Parole fortab ausschließlich heißen: innere Kolo¬<lb/> nisation, ums wieder zur praktischen Folge haben müßte: Aufhebung des Ent¬<lb/> eignungsgesetzes, als eines unnötigen, die Politik erschwerenden Ballastes; Ver¬<lb/> einigung aller heute schon der inneren Kolonisation dienenden Organisationen mit<lb/> Einschluß der Ansiedlungskommission, unter ein technisches Ministerium für<lb/> innere Kolonisation, zunächst in Preußen. Gestützt auf die breite soziale<lb/> Basis und geschützt durch unantastbare Rechtsgrundsätze würden wir ganz andere<lb/> moralische und materielle Hilfsmittel zur Festigung des deutschen Walles an<lb/> unserer Ostgrenze gewinnen, wie heute, wo wir den Wallungen eines nationalen<lb/> Chauvinismus preisgegeben sind, der sich morgen ebenso gegen jeden deutschen<lb/> Bürger wenden kann, wie er sich heute gegen die Polen richtet. Keine staatliche<lb/> Macht ist unsicherer begründet, als die. deren Regierung sich den wechselnden<lb/> Gefühlsmomenten der Masse hingibt, gleichgültig' ob die Motive dabei edel<lb/> oder unedel, patriotisch oder unpatriotisch sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0595]
Das polnische Problem und die preußische Gstmarrcnpolitik
tatsächlich das Land, dessen sie bedarf, im freihändigen Verkauf nicht teuerer
wie auf dem Wege der Enteignung. Als nationales Kampfmittel hätte das
Gesetz einen praktischen Nutzen nur dann bringen können, wenn damit die
systematische Vertreibung der Polen von ihrer Scholle verbunden worden wäre.
Daran aber denkt, wie schon hervorgehoben wurde, kein verständiger Mensch in
Preußen schon allein aus dem einen Grunde, weil wir die polnischen Arbeits¬
kräfte nötig haben. AIs soziales Kampfmittel gegen den Bodenwncher wäre das
Gesetz verständlich und vielleicht sogar praktisch gewesen, wenn es als Reichs¬
gesetz für das ganze Deutsche Reich Geltung bekommen Hütte. Aber auch als
soziales Kampfmittel halte ich es für eine zweischneidige Waffe, die die Grund¬
lagen des bürgerlichen Staates in Frage stellen würde, — es sei denn, daß
man darauf ausginge, das gesamte Landareal im Reich zu verstaatlichen, mit
dem Zweck, es überhaupt aus den Handel zu ziehen und durch großzügige
innere Kolonisation der Nation eine breite, im Heimatboden wurzelnde Bauern¬
schicht zu geben.
Sind wir wirklich soweit, dann gäbe es meines «Trachtens weniger gefähr¬
liche Maßnahmen, wie die Enteignung. Monopolisierung des Handels mit
Grund und Boden durch den Staat, die Einführung von Preistabellen für den
Boden in Stadt und Land, -Vorkaufsrecht zu bestimmtem Preise wären auch
Mittel, um die ländlichen Schichten zu verstärken, wirksam, ohne doch so tief
in die Willensfreiheit der besitzenden Schichten einzugreifen, wie das Ent¬
eignungsgesetz es tut.
Damit komme ich zu konkreten Vorschlägen: an Stelle des Schlagwortes
Ostmarkenpolitik sollte die Parole fortab ausschließlich heißen: innere Kolo¬
nisation, ums wieder zur praktischen Folge haben müßte: Aufhebung des Ent¬
eignungsgesetzes, als eines unnötigen, die Politik erschwerenden Ballastes; Ver¬
einigung aller heute schon der inneren Kolonisation dienenden Organisationen mit
Einschluß der Ansiedlungskommission, unter ein technisches Ministerium für
innere Kolonisation, zunächst in Preußen. Gestützt auf die breite soziale
Basis und geschützt durch unantastbare Rechtsgrundsätze würden wir ganz andere
moralische und materielle Hilfsmittel zur Festigung des deutschen Walles an
unserer Ostgrenze gewinnen, wie heute, wo wir den Wallungen eines nationalen
Chauvinismus preisgegeben sind, der sich morgen ebenso gegen jeden deutschen
Bürger wenden kann, wie er sich heute gegen die Polen richtet. Keine staatliche
Macht ist unsicherer begründet, als die. deren Regierung sich den wechselnden
Gefühlsmomenten der Masse hingibt, gleichgültig' ob die Motive dabei edel
oder unedel, patriotisch oder unpatriotisch sind.
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