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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Gnmdzi'icze einer Literalurbeurteilung

Solch eine Willkür und Einseitigkeit kann auch nur der Partei schädlich sein,
der Bartels angehört, ist gewiß aber allen nationalen Anschauungen schädlich.
Für jeden ehrlichen nationalen Geist muß es darum heißen: Los von Bartels!
Da sonst noch die nationale Gesinnung mit den subjektiven Tendenzen, der sub"
jektiven Willkür des Weimarer Literaturprofessors verwechselt wirbt Und wir
wollen uns durch den Einfluß eines einseitigen Geistes nicht unserer nationalen
Gesinnung einst schämen müssen, sondern sie pflegen in aller Ehrlichkeit, Un¬
befangenheit und Vorurteilslosigkeit allen Erscheinungen unserer Zeit gegenüber,
in wahrer Goethescher Nachfolge!

So allein dienen wir dem Leben und dem Volke am besten. Wir wollen
die großen Ideale der Klassikerzeit nicht eintauschen gegen die kleinen "Ideale"
eines einseitigen Subjektivismus, einer engherzigen Parteipolitik, die schließlich
nur, um ihr Ziel zu erreichen, alles unter die Bestrahlung durch Tendenzen
setzt, auch unseren geistigen Besitz, wie Adolf Bartels es tut. Er vertritt klein¬
lichen Chauvinismus; er vertritt schmächtige Parteipolitik, wir wollen weite,
zukunftheischende Weltpolitik; er vertritt bäuerlich-konservative Anschauungen,
wir wollen weder diese noch die liberalen, radikalen, sondern allein die, die
aus unserem geistigen Volks- und Wcltbesitz hervorgehen, das sind die univer¬
salen deutschen Wesens und deutscher Herkunft. Unsere Ideale gehen ins Große
und Weite, ins Allseitige und Allumfassende, sie sind nicht wesenlos, sondern so
voller Kraft und Lebensenergie, voller Wirklichkeitstreue und Wahrheitsliebe,
wie die Ideale der Klassiker nur je gewesen sind.

Warum folgt Bartels nicht der universalen Gesinnung, den Idealen, die
er um die Gestalt Goethes mit den am Eingang unserer Arbeit angeführten
Worten aus seiner "Geschichte der deutschen Literatur" gruppiert? Wie
kommt er dazu, die eine Gruppe des Volkes, die sich in Handel und In¬
dustrie um die Größe und das Ansehen des Vaterlandes, des deutschen
Namens mühten, sür eine "niedrige Menschenklasse" gegenüber den Bauern
und Landleuten anzusprechen? Warum glaubt er, durch Vertretung einzelner
Volksgruppen dem ganzenVolte zu dienen? Warum lehrt er uns nicht das Schöne er¬
kennen und empfinden? Warum zeigt er uns nicht das ganze deutsche Leben
und Erleben durch das Mittel der heimischen und fremden Literaturen?
Warum ist er Hasser, wo er nicht einmal Kämpfer zu sein braucht? Warum
bindet er eine Maske vor. wo eine absolute Wahrheit herrscht, wo göttliche
Milde zum Verstehen führt? Warum ist er Parteimensch, wo er selbst "nur"
Mensch zu sein nötig hat? Warum unterwirft er sich mit all seinen Kräften und
seinemKönnen den subjektiven, parteiischen Tendenzen, wo keine Tendenzen herrschen
dürfen? Warum strebt er nicht nach jener Universalität und inneren Freiheit,
die allein für den nachgoethischen Deutschen die höchsten Ziele der Persönlichkeits¬
bildung sind? Warum dient er nicht dem ganzen Volke und damit der ganzen Welt?

Alle, die eine universale Literaturwissenschaft deutschen Wesens ersehnen,
alle, die im GoethWen Sinne weltdeutsch und national zu sein streben, müssen


Die Gnmdzi'icze einer Literalurbeurteilung

Solch eine Willkür und Einseitigkeit kann auch nur der Partei schädlich sein,
der Bartels angehört, ist gewiß aber allen nationalen Anschauungen schädlich.
Für jeden ehrlichen nationalen Geist muß es darum heißen: Los von Bartels!
Da sonst noch die nationale Gesinnung mit den subjektiven Tendenzen, der sub»
jektiven Willkür des Weimarer Literaturprofessors verwechselt wirbt Und wir
wollen uns durch den Einfluß eines einseitigen Geistes nicht unserer nationalen
Gesinnung einst schämen müssen, sondern sie pflegen in aller Ehrlichkeit, Un¬
befangenheit und Vorurteilslosigkeit allen Erscheinungen unserer Zeit gegenüber,
in wahrer Goethescher Nachfolge!

So allein dienen wir dem Leben und dem Volke am besten. Wir wollen
die großen Ideale der Klassikerzeit nicht eintauschen gegen die kleinen „Ideale"
eines einseitigen Subjektivismus, einer engherzigen Parteipolitik, die schließlich
nur, um ihr Ziel zu erreichen, alles unter die Bestrahlung durch Tendenzen
setzt, auch unseren geistigen Besitz, wie Adolf Bartels es tut. Er vertritt klein¬
lichen Chauvinismus; er vertritt schmächtige Parteipolitik, wir wollen weite,
zukunftheischende Weltpolitik; er vertritt bäuerlich-konservative Anschauungen,
wir wollen weder diese noch die liberalen, radikalen, sondern allein die, die
aus unserem geistigen Volks- und Wcltbesitz hervorgehen, das sind die univer¬
salen deutschen Wesens und deutscher Herkunft. Unsere Ideale gehen ins Große
und Weite, ins Allseitige und Allumfassende, sie sind nicht wesenlos, sondern so
voller Kraft und Lebensenergie, voller Wirklichkeitstreue und Wahrheitsliebe,
wie die Ideale der Klassiker nur je gewesen sind.

Warum folgt Bartels nicht der universalen Gesinnung, den Idealen, die
er um die Gestalt Goethes mit den am Eingang unserer Arbeit angeführten
Worten aus seiner „Geschichte der deutschen Literatur" gruppiert? Wie
kommt er dazu, die eine Gruppe des Volkes, die sich in Handel und In¬
dustrie um die Größe und das Ansehen des Vaterlandes, des deutschen
Namens mühten, sür eine „niedrige Menschenklasse" gegenüber den Bauern
und Landleuten anzusprechen? Warum glaubt er, durch Vertretung einzelner
Volksgruppen dem ganzenVolte zu dienen? Warum lehrt er uns nicht das Schöne er¬
kennen und empfinden? Warum zeigt er uns nicht das ganze deutsche Leben
und Erleben durch das Mittel der heimischen und fremden Literaturen?
Warum ist er Hasser, wo er nicht einmal Kämpfer zu sein braucht? Warum
bindet er eine Maske vor. wo eine absolute Wahrheit herrscht, wo göttliche
Milde zum Verstehen führt? Warum ist er Parteimensch, wo er selbst „nur"
Mensch zu sein nötig hat? Warum unterwirft er sich mit all seinen Kräften und
seinemKönnen den subjektiven, parteiischen Tendenzen, wo keine Tendenzen herrschen
dürfen? Warum strebt er nicht nach jener Universalität und inneren Freiheit,
die allein für den nachgoethischen Deutschen die höchsten Ziele der Persönlichkeits¬
bildung sind? Warum dient er nicht dem ganzen Volke und damit der ganzen Welt?

Alle, die eine universale Literaturwissenschaft deutschen Wesens ersehnen,
alle, die im GoethWen Sinne weltdeutsch und national zu sein streben, müssen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/564>, abgerufen am 27.06.2024.