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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Wilhelm Drieiver, der Uinderfrennd

gewiß. Eine ruhige Freude kam über sie, daß sie nun des Glaubens wert
war. den die ehrliche Base Martha auf sie baute, daß sie ihre Geschenke nehmen
und behalten durfte, ohne sich arm zu fühlen, weil sie in dieser Nacht reich
gewesen war, indem sie wiederschenken konnte. Sie stand auf, trocknete ihr Gesicht
ab, entkleidete sich und legte sich zu ihrem Kinde in das Bett. Sie schlang
ihren Arm um den kleinen Knaben, und glücklich, wie Martha Driewer wohl
ihrem Manne ein Kind versprach versprach sie ihrem Kinde einen Vater. --

Die junge Frau Martha Driewer erwartete mit der Morgendämmerung
ihren Mann. Auch sie hatte es in dieser Nacht nicht leicht gehabt, aber nun
war sie wie Rika siegesfroh, und als ihr Marin heim kam. zeigte sie ihm sein
Kind, das sie für ihn geboren hatte.

Wilhelm Driewer sank vor dem Bett der Frau nieder und brachte kein
Wort heraus, weil das Glück wie ein goldener Berg über ihn fiel. Sie legte
die Hand auf seinen Kopf und überließ ihn für eine Weile seiner Freude.
Dann fragte sie: "War es gut, daß Nita mit war?"

"Ja," antwortete er.

Das Wort zog ihr schwer durch die erschlafften Glieder, doch sie faßte sich
und fragte weiter: "Hat Rika es dir um die rechte Stunde gesagt, daß ich
heute nacht mit dem Kinde niederkam?"

"Nein," antwortete Wilhelm Driewer.

Frau Martha mußte die Augen schließen, um nachzudenken, mit welchem
Wort Rika ihren Mann im Zaum gehalten haben mochte, aber sie besann sich
in ihrer Schwäche nicht, lächelte und öffnete die Augen wieder, um ihn mit
dem glücklichsten Ausdruck anzusehen. Sie stäubte gedankenlos, und nur wie
gewöhnt, immer um ihren Mann tütig zu sein, ein paar graue Heufäden von
seinen, Anzug.

"Jetzt haben wir ein Kind. Wilhelm," sagte sie. "Nun wird unser ganzes
Leben schön und groß. Du hast doch die Kinder gern, freust du dich aber
nicht mehr an deinem eigenen als an allen fremden zusammen?"

"Ja." antwortete er. "Und ich will es wert sein, das Kind, das verspreche
ich dir heute nacht. Martha."

Frau Martha glaubte, sie habe ihren Mann heute nacht gewonnen, wie
in einer Bude, wo ein Glücksrad läuft, und wo man aufschlägt und gewinnt,
oder Rika habe für sie aufgeschlagen und sür sie gewonnen. Es war eine
glückliche Nacht, nun, wo alle Mühsal vorbei war, nach der man nicht mehr
fragt, wenn sie überstanden ist.

Wilhelm Driewer dachte, wie wunderbar und wie von selber sich doch sein
Leben zum Guten füge: auf ein Haar, und er wäre dieser Frau und seines
Kindes nicht wert gewesen. Er fühlte, daß sein Inneres heute nacht eine
Wendung erfahren hatte. Er erhob sich und stand stolz wie ein Held vor dem
Bett seiner Frau, in seinem glücklichen Sinn nicht bedenkend, daß er das. was
" war. nicht aus sich selber hatte, sondern daß es ihm verliehen worden war


Grenzboten II 1914
Wilhelm Drieiver, der Uinderfrennd

gewiß. Eine ruhige Freude kam über sie, daß sie nun des Glaubens wert
war. den die ehrliche Base Martha auf sie baute, daß sie ihre Geschenke nehmen
und behalten durfte, ohne sich arm zu fühlen, weil sie in dieser Nacht reich
gewesen war, indem sie wiederschenken konnte. Sie stand auf, trocknete ihr Gesicht
ab, entkleidete sich und legte sich zu ihrem Kinde in das Bett. Sie schlang
ihren Arm um den kleinen Knaben, und glücklich, wie Martha Driewer wohl
ihrem Manne ein Kind versprach versprach sie ihrem Kinde einen Vater. —

Die junge Frau Martha Driewer erwartete mit der Morgendämmerung
ihren Mann. Auch sie hatte es in dieser Nacht nicht leicht gehabt, aber nun
war sie wie Rika siegesfroh, und als ihr Marin heim kam. zeigte sie ihm sein
Kind, das sie für ihn geboren hatte.

Wilhelm Driewer sank vor dem Bett der Frau nieder und brachte kein
Wort heraus, weil das Glück wie ein goldener Berg über ihn fiel. Sie legte
die Hand auf seinen Kopf und überließ ihn für eine Weile seiner Freude.
Dann fragte sie: „War es gut, daß Nita mit war?"

„Ja," antwortete er.

Das Wort zog ihr schwer durch die erschlafften Glieder, doch sie faßte sich
und fragte weiter: „Hat Rika es dir um die rechte Stunde gesagt, daß ich
heute nacht mit dem Kinde niederkam?"

„Nein," antwortete Wilhelm Driewer.

Frau Martha mußte die Augen schließen, um nachzudenken, mit welchem
Wort Rika ihren Mann im Zaum gehalten haben mochte, aber sie besann sich
in ihrer Schwäche nicht, lächelte und öffnete die Augen wieder, um ihn mit
dem glücklichsten Ausdruck anzusehen. Sie stäubte gedankenlos, und nur wie
gewöhnt, immer um ihren Mann tütig zu sein, ein paar graue Heufäden von
seinen, Anzug.

„Jetzt haben wir ein Kind. Wilhelm," sagte sie. „Nun wird unser ganzes
Leben schön und groß. Du hast doch die Kinder gern, freust du dich aber
nicht mehr an deinem eigenen als an allen fremden zusammen?"

„Ja." antwortete er. „Und ich will es wert sein, das Kind, das verspreche
ich dir heute nacht. Martha."

Frau Martha glaubte, sie habe ihren Mann heute nacht gewonnen, wie
in einer Bude, wo ein Glücksrad läuft, und wo man aufschlägt und gewinnt,
oder Rika habe für sie aufgeschlagen und sür sie gewonnen. Es war eine
glückliche Nacht, nun, wo alle Mühsal vorbei war, nach der man nicht mehr
fragt, wenn sie überstanden ist.

Wilhelm Driewer dachte, wie wunderbar und wie von selber sich doch sein
Leben zum Guten füge: auf ein Haar, und er wäre dieser Frau und seines
Kindes nicht wert gewesen. Er fühlte, daß sein Inneres heute nacht eine
Wendung erfahren hatte. Er erhob sich und stand stolz wie ein Held vor dem
Bett seiner Frau, in seinem glücklichen Sinn nicht bedenkend, daß er das. was
« war. nicht aus sich selber hatte, sondern daß es ihm verliehen worden war


Grenzboten II 1914
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[0525] Wilhelm Drieiver, der Uinderfrennd gewiß. Eine ruhige Freude kam über sie, daß sie nun des Glaubens wert war. den die ehrliche Base Martha auf sie baute, daß sie ihre Geschenke nehmen und behalten durfte, ohne sich arm zu fühlen, weil sie in dieser Nacht reich gewesen war, indem sie wiederschenken konnte. Sie stand auf, trocknete ihr Gesicht ab, entkleidete sich und legte sich zu ihrem Kinde in das Bett. Sie schlang ihren Arm um den kleinen Knaben, und glücklich, wie Martha Driewer wohl ihrem Manne ein Kind versprach versprach sie ihrem Kinde einen Vater. — Die junge Frau Martha Driewer erwartete mit der Morgendämmerung ihren Mann. Auch sie hatte es in dieser Nacht nicht leicht gehabt, aber nun war sie wie Rika siegesfroh, und als ihr Marin heim kam. zeigte sie ihm sein Kind, das sie für ihn geboren hatte. Wilhelm Driewer sank vor dem Bett der Frau nieder und brachte kein Wort heraus, weil das Glück wie ein goldener Berg über ihn fiel. Sie legte die Hand auf seinen Kopf und überließ ihn für eine Weile seiner Freude. Dann fragte sie: „War es gut, daß Nita mit war?" „Ja," antwortete er. Das Wort zog ihr schwer durch die erschlafften Glieder, doch sie faßte sich und fragte weiter: „Hat Rika es dir um die rechte Stunde gesagt, daß ich heute nacht mit dem Kinde niederkam?" „Nein," antwortete Wilhelm Driewer. Frau Martha mußte die Augen schließen, um nachzudenken, mit welchem Wort Rika ihren Mann im Zaum gehalten haben mochte, aber sie besann sich in ihrer Schwäche nicht, lächelte und öffnete die Augen wieder, um ihn mit dem glücklichsten Ausdruck anzusehen. Sie stäubte gedankenlos, und nur wie gewöhnt, immer um ihren Mann tütig zu sein, ein paar graue Heufäden von seinen, Anzug. „Jetzt haben wir ein Kind. Wilhelm," sagte sie. „Nun wird unser ganzes Leben schön und groß. Du hast doch die Kinder gern, freust du dich aber nicht mehr an deinem eigenen als an allen fremden zusammen?" „Ja." antwortete er. „Und ich will es wert sein, das Kind, das verspreche ich dir heute nacht. Martha." Frau Martha glaubte, sie habe ihren Mann heute nacht gewonnen, wie in einer Bude, wo ein Glücksrad läuft, und wo man aufschlägt und gewinnt, oder Rika habe für sie aufgeschlagen und sür sie gewonnen. Es war eine glückliche Nacht, nun, wo alle Mühsal vorbei war, nach der man nicht mehr fragt, wenn sie überstanden ist. Wilhelm Driewer dachte, wie wunderbar und wie von selber sich doch sein Leben zum Guten füge: auf ein Haar, und er wäre dieser Frau und seines Kindes nicht wert gewesen. Er fühlte, daß sein Inneres heute nacht eine Wendung erfahren hatte. Er erhob sich und stand stolz wie ein Held vor dem Bett seiner Frau, in seinem glücklichen Sinn nicht bedenkend, daß er das. was « war. nicht aus sich selber hatte, sondern daß es ihm verliehen worden war Grenzboten II 1914

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/525>, abgerufen am 24.07.2024.