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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Ulilhelm Driewer, der Rinderfreund

Rika hätte sich heimlich nach Hause schleichen sollen, aber ihre Backen
röteten sich mehr, je tiefer die Nacht wurde, sie mochte den Blick nicht gern von
Wilhelm Driewer wegnehmen, obgleich er ihr Achthaben nicht mehr nötig hatte.
Es war gerade, weil er sich rar machte, viel Begehrenswertes an ihm, und so
blieb sie.

Wilhelm Driewer sand dann ein Mädchen, das mehr über ihn vermochte
als alle anderen. Er dachte ehrlich: "Du hast eine Frau und bist bald vor
aller Welt Vater von einem Kind, nimm dich zusammen, es kommt bei der¬
gleichen doch nichts Wahrhaftiges heraus." Er kehrte sich ab, war aber immer
wieder bei dem leichten Mädchen.

Rika sah seinem Schwanken zu. Sie war, sich ihrer Tänzer wehrend, ganz
in den Hintergrund getreten, aber sie sah schärfer durch das trübe Saallicht,
als eben, wo sie unter den Lampen stand. Alles, was je in ihr gelebt hatte
und was sie hatte einschläfern müssen, wachte nun in ihr auf. Sie dachte nicht
mehr an die Base Martha und an ihre Mission, sie dachte nur an Wilhelm
Driewer, dem heute nacht kein Mädchen gehören sollte außer ihr. Sie hatte noch
alles in und an sich, was ihm vor zwei Jahren gefallen hatte, sie forderte heute
so wenig ein Ehe- und Ehrversprechen von ihm wie damals. Sie würde heute
noch einmal wie damals ihre Ehre auf das Spiel setzen, um in ihrer Liebe
frei sein zu können. War sie nicht ein glückliches Mädchen, daß sie den Mut
hatte, um einer Stunde willen ihr Leben zu zerbrechen?

Wilhelm Driewer ging aus dem Zelt, weil eben jenes Mädchen hinaus¬
gegangen war, wohl um an der Wiese draußen auf ihn zu warten. Bis an
den Weg wollte er gehen, der zur Wiese abführte, nicht weiter! Nicht weiter,
obgleich seine Frau wohl schlief, sein Kind noch nicht geboren war, und obgleich
die Nacht lau und schön und dunkel war. Eine Liebesnacht unter weißen,
dunstverschleierten Sternen.

(Schluß folgt)




Ulilhelm Driewer, der Rinderfreund

Rika hätte sich heimlich nach Hause schleichen sollen, aber ihre Backen
röteten sich mehr, je tiefer die Nacht wurde, sie mochte den Blick nicht gern von
Wilhelm Driewer wegnehmen, obgleich er ihr Achthaben nicht mehr nötig hatte.
Es war gerade, weil er sich rar machte, viel Begehrenswertes an ihm, und so
blieb sie.

Wilhelm Driewer sand dann ein Mädchen, das mehr über ihn vermochte
als alle anderen. Er dachte ehrlich: „Du hast eine Frau und bist bald vor
aller Welt Vater von einem Kind, nimm dich zusammen, es kommt bei der¬
gleichen doch nichts Wahrhaftiges heraus." Er kehrte sich ab, war aber immer
wieder bei dem leichten Mädchen.

Rika sah seinem Schwanken zu. Sie war, sich ihrer Tänzer wehrend, ganz
in den Hintergrund getreten, aber sie sah schärfer durch das trübe Saallicht,
als eben, wo sie unter den Lampen stand. Alles, was je in ihr gelebt hatte
und was sie hatte einschläfern müssen, wachte nun in ihr auf. Sie dachte nicht
mehr an die Base Martha und an ihre Mission, sie dachte nur an Wilhelm
Driewer, dem heute nacht kein Mädchen gehören sollte außer ihr. Sie hatte noch
alles in und an sich, was ihm vor zwei Jahren gefallen hatte, sie forderte heute
so wenig ein Ehe- und Ehrversprechen von ihm wie damals. Sie würde heute
noch einmal wie damals ihre Ehre auf das Spiel setzen, um in ihrer Liebe
frei sein zu können. War sie nicht ein glückliches Mädchen, daß sie den Mut
hatte, um einer Stunde willen ihr Leben zu zerbrechen?

Wilhelm Driewer ging aus dem Zelt, weil eben jenes Mädchen hinaus¬
gegangen war, wohl um an der Wiese draußen auf ihn zu warten. Bis an
den Weg wollte er gehen, der zur Wiese abführte, nicht weiter! Nicht weiter,
obgleich seine Frau wohl schlief, sein Kind noch nicht geboren war, und obgleich
die Nacht lau und schön und dunkel war. Eine Liebesnacht unter weißen,
dunstverschleierten Sternen.

(Schluß folgt)




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[0478] Ulilhelm Driewer, der Rinderfreund Rika hätte sich heimlich nach Hause schleichen sollen, aber ihre Backen röteten sich mehr, je tiefer die Nacht wurde, sie mochte den Blick nicht gern von Wilhelm Driewer wegnehmen, obgleich er ihr Achthaben nicht mehr nötig hatte. Es war gerade, weil er sich rar machte, viel Begehrenswertes an ihm, und so blieb sie. Wilhelm Driewer sand dann ein Mädchen, das mehr über ihn vermochte als alle anderen. Er dachte ehrlich: „Du hast eine Frau und bist bald vor aller Welt Vater von einem Kind, nimm dich zusammen, es kommt bei der¬ gleichen doch nichts Wahrhaftiges heraus." Er kehrte sich ab, war aber immer wieder bei dem leichten Mädchen. Rika sah seinem Schwanken zu. Sie war, sich ihrer Tänzer wehrend, ganz in den Hintergrund getreten, aber sie sah schärfer durch das trübe Saallicht, als eben, wo sie unter den Lampen stand. Alles, was je in ihr gelebt hatte und was sie hatte einschläfern müssen, wachte nun in ihr auf. Sie dachte nicht mehr an die Base Martha und an ihre Mission, sie dachte nur an Wilhelm Driewer, dem heute nacht kein Mädchen gehören sollte außer ihr. Sie hatte noch alles in und an sich, was ihm vor zwei Jahren gefallen hatte, sie forderte heute so wenig ein Ehe- und Ehrversprechen von ihm wie damals. Sie würde heute noch einmal wie damals ihre Ehre auf das Spiel setzen, um in ihrer Liebe frei sein zu können. War sie nicht ein glückliches Mädchen, daß sie den Mut hatte, um einer Stunde willen ihr Leben zu zerbrechen? Wilhelm Driewer ging aus dem Zelt, weil eben jenes Mädchen hinaus¬ gegangen war, wohl um an der Wiese draußen auf ihn zu warten. Bis an den Weg wollte er gehen, der zur Wiese abführte, nicht weiter! Nicht weiter, obgleich seine Frau wohl schlief, sein Kind noch nicht geboren war, und obgleich die Nacht lau und schön und dunkel war. Eine Liebesnacht unter weißen, dunstverschleierten Sternen. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/478>, abgerufen am 24.07.2024.