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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Wilhelm Driewer, der Rindcrfreund

Die Frau wand sich errötend und mit immer noch hoch klopfendem Herzen
aus seiner Umarmung, suchte Rika mit einem schnellen Blick all ihr auf¬
blühendes Eheglück mitzuteilen und brachte Wilhelm an den Tisch, um seine
liebe Gegenwart dem Gast nicht zu lange zu enthalten. Rika war aufgestanden,
mußte sich aber sogleich unter den Tisch bücken, weil ihr das Knäuel entfallen
war, und in dieser Stellung bot sie Wilhelm Driewer ihre Begrüßung.

"Gebt ihr euch nicht die Hand?" fragte Martha befremdet.

"Doch," sagten beide wie aus einem Munde und schüttelten sich die Hände,
in einer beiderseitigen Verwirrung heftiger, als es zur Versicherung ihrer Freund¬
schaft nötig war.

Frau Martha war danach vollkommen zufrieden und ließ sich von ihrem
Manne mit allerlei kleinen Sachen beschenken, die er am Mittag für sie oder
das Kind gekauft hatte. Seine plumpe, bäuerliche Hand war wunderbar geschickt
mit den feinen Spielzeugen, und Rika mußte mit einem langen, heißen Blick
Hinsehen und denken, wie gut doch Vaterhände sein konnten, und daß ihr liebes
Kind keinen Vater hatte.

Eine stumme Weile verstrich, in der Rika vom Nachhausegehen sprach, da
hielt Frau Martha nicht mehr an sich mit dem. was sie am liebsten gleich gesagt
hätte, weil es ihr über die Maßen gut gefiel: "Wir haben eben von dir gesprochen
und dich verhandelt, Wilhelm."

Ein warnender Blick Rikas kam zu spät, denn Frau Martha fuhr eben
schon in ihrer glücklichen, harmlosen Weise fort: "Rika soll zur Tierschau statt
meiner gehen und eine Auge auf dich halten, daß du keine Dummheiten machst."
Sie strich mit der Hand über sein rundes, gutmütiges Gesicht. "Rika sagt nur,
sie traue sich das nicht zu."

Hatte Wilhelm Driewer eben die Stirn ärgerlich kraus gemacht, so zog er
sie nun hoch, tat, als betrachte er eines der Spielzeuge mit gespannter Auf¬
merksamkeit und sagte gedehnt: "So, traut sie es sich nicht zu?" Dann die
Spielware härter auf den Tisch zurückstoßend, als ihre Feinheit es erlaubte und
als es seiner vorigen Art glich, stand er auf und sagte, indem er auf das Haus
zutrat: "Mach du keine Dummheiten, Frau."

Als er drinnen war, schüttelte Rika den heißen Kopf. "Du machst dir selbst
alles kaput. Sagt man dergleichen einem Manne, wo bleibt dann die List, mit
der man ihn fangen will?"

"Laß ihn nur gehen in dem Gedanken, daß er eine Aufsicht hat," ant¬
wortete Frau Martha. "Ich will nichts mit ihm tun, worum ich ihn nicht
vorher offen ansehen kann."

Als Wilhelm Driewer herauskam, hatte er sich, wie er eben sagte, "das
Leben leichter gemacht", wie er es zuweilen zu tun pflege. Ein Blick auf die
Frau sollte ihr näher bezeigen, was er damit sagen wollte. Sie lächelte denn
auch ein wenig traurig und dachte: wenn das Kind doch nur erst da wäre!


Wilhelm Driewer, der Rindcrfreund

Die Frau wand sich errötend und mit immer noch hoch klopfendem Herzen
aus seiner Umarmung, suchte Rika mit einem schnellen Blick all ihr auf¬
blühendes Eheglück mitzuteilen und brachte Wilhelm an den Tisch, um seine
liebe Gegenwart dem Gast nicht zu lange zu enthalten. Rika war aufgestanden,
mußte sich aber sogleich unter den Tisch bücken, weil ihr das Knäuel entfallen
war, und in dieser Stellung bot sie Wilhelm Driewer ihre Begrüßung.

„Gebt ihr euch nicht die Hand?" fragte Martha befremdet.

„Doch," sagten beide wie aus einem Munde und schüttelten sich die Hände,
in einer beiderseitigen Verwirrung heftiger, als es zur Versicherung ihrer Freund¬
schaft nötig war.

Frau Martha war danach vollkommen zufrieden und ließ sich von ihrem
Manne mit allerlei kleinen Sachen beschenken, die er am Mittag für sie oder
das Kind gekauft hatte. Seine plumpe, bäuerliche Hand war wunderbar geschickt
mit den feinen Spielzeugen, und Rika mußte mit einem langen, heißen Blick
Hinsehen und denken, wie gut doch Vaterhände sein konnten, und daß ihr liebes
Kind keinen Vater hatte.

Eine stumme Weile verstrich, in der Rika vom Nachhausegehen sprach, da
hielt Frau Martha nicht mehr an sich mit dem. was sie am liebsten gleich gesagt
hätte, weil es ihr über die Maßen gut gefiel: „Wir haben eben von dir gesprochen
und dich verhandelt, Wilhelm."

Ein warnender Blick Rikas kam zu spät, denn Frau Martha fuhr eben
schon in ihrer glücklichen, harmlosen Weise fort: „Rika soll zur Tierschau statt
meiner gehen und eine Auge auf dich halten, daß du keine Dummheiten machst."
Sie strich mit der Hand über sein rundes, gutmütiges Gesicht. „Rika sagt nur,
sie traue sich das nicht zu."

Hatte Wilhelm Driewer eben die Stirn ärgerlich kraus gemacht, so zog er
sie nun hoch, tat, als betrachte er eines der Spielzeuge mit gespannter Auf¬
merksamkeit und sagte gedehnt: „So, traut sie es sich nicht zu?" Dann die
Spielware härter auf den Tisch zurückstoßend, als ihre Feinheit es erlaubte und
als es seiner vorigen Art glich, stand er auf und sagte, indem er auf das Haus
zutrat: „Mach du keine Dummheiten, Frau."

Als er drinnen war, schüttelte Rika den heißen Kopf. „Du machst dir selbst
alles kaput. Sagt man dergleichen einem Manne, wo bleibt dann die List, mit
der man ihn fangen will?"

„Laß ihn nur gehen in dem Gedanken, daß er eine Aufsicht hat," ant¬
wortete Frau Martha. „Ich will nichts mit ihm tun, worum ich ihn nicht
vorher offen ansehen kann."

Als Wilhelm Driewer herauskam, hatte er sich, wie er eben sagte, „das
Leben leichter gemacht", wie er es zuweilen zu tun pflege. Ein Blick auf die
Frau sollte ihr näher bezeigen, was er damit sagen wollte. Sie lächelte denn
auch ein wenig traurig und dachte: wenn das Kind doch nur erst da wäre!


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[0473] Wilhelm Driewer, der Rindcrfreund Die Frau wand sich errötend und mit immer noch hoch klopfendem Herzen aus seiner Umarmung, suchte Rika mit einem schnellen Blick all ihr auf¬ blühendes Eheglück mitzuteilen und brachte Wilhelm an den Tisch, um seine liebe Gegenwart dem Gast nicht zu lange zu enthalten. Rika war aufgestanden, mußte sich aber sogleich unter den Tisch bücken, weil ihr das Knäuel entfallen war, und in dieser Stellung bot sie Wilhelm Driewer ihre Begrüßung. „Gebt ihr euch nicht die Hand?" fragte Martha befremdet. „Doch," sagten beide wie aus einem Munde und schüttelten sich die Hände, in einer beiderseitigen Verwirrung heftiger, als es zur Versicherung ihrer Freund¬ schaft nötig war. Frau Martha war danach vollkommen zufrieden und ließ sich von ihrem Manne mit allerlei kleinen Sachen beschenken, die er am Mittag für sie oder das Kind gekauft hatte. Seine plumpe, bäuerliche Hand war wunderbar geschickt mit den feinen Spielzeugen, und Rika mußte mit einem langen, heißen Blick Hinsehen und denken, wie gut doch Vaterhände sein konnten, und daß ihr liebes Kind keinen Vater hatte. Eine stumme Weile verstrich, in der Rika vom Nachhausegehen sprach, da hielt Frau Martha nicht mehr an sich mit dem. was sie am liebsten gleich gesagt hätte, weil es ihr über die Maßen gut gefiel: „Wir haben eben von dir gesprochen und dich verhandelt, Wilhelm." Ein warnender Blick Rikas kam zu spät, denn Frau Martha fuhr eben schon in ihrer glücklichen, harmlosen Weise fort: „Rika soll zur Tierschau statt meiner gehen und eine Auge auf dich halten, daß du keine Dummheiten machst." Sie strich mit der Hand über sein rundes, gutmütiges Gesicht. „Rika sagt nur, sie traue sich das nicht zu." Hatte Wilhelm Driewer eben die Stirn ärgerlich kraus gemacht, so zog er sie nun hoch, tat, als betrachte er eines der Spielzeuge mit gespannter Auf¬ merksamkeit und sagte gedehnt: „So, traut sie es sich nicht zu?" Dann die Spielware härter auf den Tisch zurückstoßend, als ihre Feinheit es erlaubte und als es seiner vorigen Art glich, stand er auf und sagte, indem er auf das Haus zutrat: „Mach du keine Dummheiten, Frau." Als er drinnen war, schüttelte Rika den heißen Kopf. „Du machst dir selbst alles kaput. Sagt man dergleichen einem Manne, wo bleibt dann die List, mit der man ihn fangen will?" „Laß ihn nur gehen in dem Gedanken, daß er eine Aufsicht hat," ant¬ wortete Frau Martha. „Ich will nichts mit ihm tun, worum ich ihn nicht vorher offen ansehen kann." Als Wilhelm Driewer herauskam, hatte er sich, wie er eben sagte, „das Leben leichter gemacht", wie er es zuweilen zu tun pflege. Ein Blick auf die Frau sollte ihr näher bezeigen, was er damit sagen wollte. Sie lächelte denn auch ein wenig traurig und dachte: wenn das Kind doch nur erst da wäre!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/473>, abgerufen am 04.07.2024.