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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von U'aper

sie hat keine Lust. Ich kann nicht über sie klagen, in Kopenhagen ist sie ruhig
zu Hof gegangen und hat gelacht mit der Jugend, wie es sich gehört, ich habe
auch geglaubt, alle Torheit wäre vergessen, aber einmal bin ich unversehens in
ihre Kammer gekommen, da sie sich allein und unbemerkt glaubte. Und da
hat sie bitterlich geweint und die Hände so arg gerungen, daß es mich er¬
barmte. Ich hätte ihr ja den Mann gegeben, wenn sie ihn durchaus haben
wollte, denn sie ist mein einziges Kind und was sein muß, daß muß sein.
Aber er wollte ja nicht, wie ich wollte, und mein Kind wäre elend geworden
unter den Papisten. Wäre vielleicht selbst eine geworden, und das konnte ich
nicht gestatten. Was Hilfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne,
und nähme doch Schaden an seiner Seele? Ich soll dem Allmächtigen
Rechenschaft geben über mein Kind -- sie darf keinem Papisten in die Hände
fallen."

"Der Junker WiKberg ist tot!"

Josias sagte es halblaut, ober der Staatsrat verstand ihn und stieß einen
Seufzer der Erleichterung aus.

"Er ist tot? Möge der Allmächtige seiner armen verblendeten Seele
gnädig sein!"

"Aber ich sah ihn nicht tot!"

"Was heißt das?" Die Stimme des Staatsrath klang scharf.

"Das heißt, daß er vielleicht doch noch lebt. Die grauen Brüder aus
Trier haben die Toten weggetragen, und manchmal lebt der, der zuerst ge¬
storben schien."

Er hielt inne, aber der andere lächelte.

"Ihr seid ein Gespensterseher geworden, Vetter! Aber --" wieder wurde
seine Stimme kühl. "Ich will Euch meine Tochter nicht aufdrängen. Doch
als Edelmann mußte ich Euch Bescheid geben!"

Josias stand auf.

"Herr, ich nehme sie mit Freuden, und auch --" hier suchte er nach
Worten und wurde rot. "Und auch mit Liebe!"

Da reichte ihm der Staatsrat die Hand, und dann sprachen die Männer
von anderen Dingen.

, (Fortsetzung folgt)




Grenzboten II 1!)143
Die Hexe von U'aper

sie hat keine Lust. Ich kann nicht über sie klagen, in Kopenhagen ist sie ruhig
zu Hof gegangen und hat gelacht mit der Jugend, wie es sich gehört, ich habe
auch geglaubt, alle Torheit wäre vergessen, aber einmal bin ich unversehens in
ihre Kammer gekommen, da sie sich allein und unbemerkt glaubte. Und da
hat sie bitterlich geweint und die Hände so arg gerungen, daß es mich er¬
barmte. Ich hätte ihr ja den Mann gegeben, wenn sie ihn durchaus haben
wollte, denn sie ist mein einziges Kind und was sein muß, daß muß sein.
Aber er wollte ja nicht, wie ich wollte, und mein Kind wäre elend geworden
unter den Papisten. Wäre vielleicht selbst eine geworden, und das konnte ich
nicht gestatten. Was Hilfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne,
und nähme doch Schaden an seiner Seele? Ich soll dem Allmächtigen
Rechenschaft geben über mein Kind — sie darf keinem Papisten in die Hände
fallen."

„Der Junker WiKberg ist tot!"

Josias sagte es halblaut, ober der Staatsrat verstand ihn und stieß einen
Seufzer der Erleichterung aus.

„Er ist tot? Möge der Allmächtige seiner armen verblendeten Seele
gnädig sein!"

„Aber ich sah ihn nicht tot!"

„Was heißt das?" Die Stimme des Staatsrath klang scharf.

„Das heißt, daß er vielleicht doch noch lebt. Die grauen Brüder aus
Trier haben die Toten weggetragen, und manchmal lebt der, der zuerst ge¬
storben schien."

Er hielt inne, aber der andere lächelte.

„Ihr seid ein Gespensterseher geworden, Vetter! Aber —" wieder wurde
seine Stimme kühl. „Ich will Euch meine Tochter nicht aufdrängen. Doch
als Edelmann mußte ich Euch Bescheid geben!"

Josias stand auf.

„Herr, ich nehme sie mit Freuden, und auch —" hier suchte er nach
Worten und wurde rot. „Und auch mit Liebe!"

Da reichte ihm der Staatsrat die Hand, und dann sprachen die Männer
von anderen Dingen.

, (Fortsetzung folgt)




Grenzboten II 1!)143
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[0045] Die Hexe von U'aper sie hat keine Lust. Ich kann nicht über sie klagen, in Kopenhagen ist sie ruhig zu Hof gegangen und hat gelacht mit der Jugend, wie es sich gehört, ich habe auch geglaubt, alle Torheit wäre vergessen, aber einmal bin ich unversehens in ihre Kammer gekommen, da sie sich allein und unbemerkt glaubte. Und da hat sie bitterlich geweint und die Hände so arg gerungen, daß es mich er¬ barmte. Ich hätte ihr ja den Mann gegeben, wenn sie ihn durchaus haben wollte, denn sie ist mein einziges Kind und was sein muß, daß muß sein. Aber er wollte ja nicht, wie ich wollte, und mein Kind wäre elend geworden unter den Papisten. Wäre vielleicht selbst eine geworden, und das konnte ich nicht gestatten. Was Hilfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? Ich soll dem Allmächtigen Rechenschaft geben über mein Kind — sie darf keinem Papisten in die Hände fallen." „Der Junker WiKberg ist tot!" Josias sagte es halblaut, ober der Staatsrat verstand ihn und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. „Er ist tot? Möge der Allmächtige seiner armen verblendeten Seele gnädig sein!" „Aber ich sah ihn nicht tot!" „Was heißt das?" Die Stimme des Staatsrath klang scharf. „Das heißt, daß er vielleicht doch noch lebt. Die grauen Brüder aus Trier haben die Toten weggetragen, und manchmal lebt der, der zuerst ge¬ storben schien." Er hielt inne, aber der andere lächelte. „Ihr seid ein Gespensterseher geworden, Vetter! Aber —" wieder wurde seine Stimme kühl. „Ich will Euch meine Tochter nicht aufdrängen. Doch als Edelmann mußte ich Euch Bescheid geben!" Josias stand auf. „Herr, ich nehme sie mit Freuden, und auch —" hier suchte er nach Worten und wurde rot. „Und auch mit Liebe!" Da reichte ihm der Staatsrat die Hand, und dann sprachen die Männer von anderen Dingen. , (Fortsetzung folgt) Grenzboten II 1!)143

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/45>, abgerufen am 24.07.2024.