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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayer

Matzen seinen Düngerhaufen bis nahe an die Fahrstraße reichen ließ. Gerade,
wie unten in der Wachtstuve berichtet wurde, wie der Herzog eigenhändig
den französischen General gefangen genommen und immer in den ersten Reihen
gekämpft habe.

"Josias, Ihr könntet diese Dinge besorgen!" sagte Hans Adolf zu dem
Junker, der soeben in sein Gemach trat. Der Herzog hatte vor seinem Schreib¬
tisch gesessen, eine Anzahl von Schriftstücken durchgesehen und dazu ungnädig
vor sich hingebrummt. Die kleinen Dinge des Lebens paßten schlecht für den
hohen Herrn mit seiner großen Gestalt, den blitzenden Augen und der stolzen
Haltung.

"Heiliger Sebastian! Das kann ich nicht mehr!" rief er, sprang auf und
warf die Papiere auf den Estricht. "Wohin sie mit ihrem Mist, mit ihren
Schweinen wollen, was geht es mich an? Ihre Liebden, meine Gemahlin,
mag weiter regieren!"

Josias sammelte bedächtig die Papiere wieder zusammen. Er hatte eine
große, schlecht geheilte Narbe im Gesicht, und an der linken Hand fehlte ihm
ein Finger.

"Man kann nicht immer einen französischen Marschall fangen!" meinte er,
und Hans Adolf stellte sich ans Fenster und sah über den weiten See. Es
war Herbst geworden, die Wälder schimmerten rot und gelber milder Sonnen¬
schein lag über dem Wasser und über den roten Dächern der kleinen Stadt.

"Heiliger Sebastian! Das sagte er doch?" sagte der Herzog und der
Junker nickte.

"Das sagte er, Euer Gnaden, hielt dabei ein kleines Kreuz in der Hand
und schien sehr zufrieden."

Es war einen Augenblick still im Gemach, dann setzte sich der Herzog von
neuem.

"Ein tapferer kleiner Junker! Gottes Tod, ich hätte nicht gedacht, daß
er so um sich beißen könnte! So ein Zarter mit weißen Händen. Domherr
hatte er werden wollen und nun schlug er dem Franzen, der auf Euch anlegte,
die Muskete aus der Hand."

"Dafür kriegte er eine Kugel, wenn auch eine andere." Josias Gesicht
hatte sich gerötet, aber er sprach ruhig.

"Friede seiner Asche!" Der Herzog faltete die Hände. "Als er sich bei
mir meldete und kämpfen wollte, glaubte ich nicht an ihn. Aber ich nahm
ihn, wie wir alle rheinischen Junker nahmen. Sie mußten doch kämpfen für
ihr Land. Aber der kleine Junker hat sich brav gehalten, bis an sein selig
Ende. .Heiliger Sebastian!' hat er gesagt. Ist das nicht der mit den vielen
Schwertern im Leib? Soviel hat dieser Sebastian nicht gehabt, dem Herrn
sei Dank, er ist sehr bald gestorben."

"Ihr wäret zugegen, gnädiger Herr?"


Die Hexe von Mayer

Matzen seinen Düngerhaufen bis nahe an die Fahrstraße reichen ließ. Gerade,
wie unten in der Wachtstuve berichtet wurde, wie der Herzog eigenhändig
den französischen General gefangen genommen und immer in den ersten Reihen
gekämpft habe.

„Josias, Ihr könntet diese Dinge besorgen!" sagte Hans Adolf zu dem
Junker, der soeben in sein Gemach trat. Der Herzog hatte vor seinem Schreib¬
tisch gesessen, eine Anzahl von Schriftstücken durchgesehen und dazu ungnädig
vor sich hingebrummt. Die kleinen Dinge des Lebens paßten schlecht für den
hohen Herrn mit seiner großen Gestalt, den blitzenden Augen und der stolzen
Haltung.

„Heiliger Sebastian! Das kann ich nicht mehr!" rief er, sprang auf und
warf die Papiere auf den Estricht. „Wohin sie mit ihrem Mist, mit ihren
Schweinen wollen, was geht es mich an? Ihre Liebden, meine Gemahlin,
mag weiter regieren!"

Josias sammelte bedächtig die Papiere wieder zusammen. Er hatte eine
große, schlecht geheilte Narbe im Gesicht, und an der linken Hand fehlte ihm
ein Finger.

„Man kann nicht immer einen französischen Marschall fangen!" meinte er,
und Hans Adolf stellte sich ans Fenster und sah über den weiten See. Es
war Herbst geworden, die Wälder schimmerten rot und gelber milder Sonnen¬
schein lag über dem Wasser und über den roten Dächern der kleinen Stadt.

„Heiliger Sebastian! Das sagte er doch?" sagte der Herzog und der
Junker nickte.

„Das sagte er, Euer Gnaden, hielt dabei ein kleines Kreuz in der Hand
und schien sehr zufrieden."

Es war einen Augenblick still im Gemach, dann setzte sich der Herzog von
neuem.

„Ein tapferer kleiner Junker! Gottes Tod, ich hätte nicht gedacht, daß
er so um sich beißen könnte! So ein Zarter mit weißen Händen. Domherr
hatte er werden wollen und nun schlug er dem Franzen, der auf Euch anlegte,
die Muskete aus der Hand."

„Dafür kriegte er eine Kugel, wenn auch eine andere." Josias Gesicht
hatte sich gerötet, aber er sprach ruhig.

„Friede seiner Asche!" Der Herzog faltete die Hände. „Als er sich bei
mir meldete und kämpfen wollte, glaubte ich nicht an ihn. Aber ich nahm
ihn, wie wir alle rheinischen Junker nahmen. Sie mußten doch kämpfen für
ihr Land. Aber der kleine Junker hat sich brav gehalten, bis an sein selig
Ende. .Heiliger Sebastian!' hat er gesagt. Ist das nicht der mit den vielen
Schwertern im Leib? Soviel hat dieser Sebastian nicht gehabt, dem Herrn
sei Dank, er ist sehr bald gestorben."

„Ihr wäret zugegen, gnädiger Herr?"


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[0042] Die Hexe von Mayer Matzen seinen Düngerhaufen bis nahe an die Fahrstraße reichen ließ. Gerade, wie unten in der Wachtstuve berichtet wurde, wie der Herzog eigenhändig den französischen General gefangen genommen und immer in den ersten Reihen gekämpft habe. „Josias, Ihr könntet diese Dinge besorgen!" sagte Hans Adolf zu dem Junker, der soeben in sein Gemach trat. Der Herzog hatte vor seinem Schreib¬ tisch gesessen, eine Anzahl von Schriftstücken durchgesehen und dazu ungnädig vor sich hingebrummt. Die kleinen Dinge des Lebens paßten schlecht für den hohen Herrn mit seiner großen Gestalt, den blitzenden Augen und der stolzen Haltung. „Heiliger Sebastian! Das kann ich nicht mehr!" rief er, sprang auf und warf die Papiere auf den Estricht. „Wohin sie mit ihrem Mist, mit ihren Schweinen wollen, was geht es mich an? Ihre Liebden, meine Gemahlin, mag weiter regieren!" Josias sammelte bedächtig die Papiere wieder zusammen. Er hatte eine große, schlecht geheilte Narbe im Gesicht, und an der linken Hand fehlte ihm ein Finger. „Man kann nicht immer einen französischen Marschall fangen!" meinte er, und Hans Adolf stellte sich ans Fenster und sah über den weiten See. Es war Herbst geworden, die Wälder schimmerten rot und gelber milder Sonnen¬ schein lag über dem Wasser und über den roten Dächern der kleinen Stadt. „Heiliger Sebastian! Das sagte er doch?" sagte der Herzog und der Junker nickte. „Das sagte er, Euer Gnaden, hielt dabei ein kleines Kreuz in der Hand und schien sehr zufrieden." Es war einen Augenblick still im Gemach, dann setzte sich der Herzog von neuem. „Ein tapferer kleiner Junker! Gottes Tod, ich hätte nicht gedacht, daß er so um sich beißen könnte! So ein Zarter mit weißen Händen. Domherr hatte er werden wollen und nun schlug er dem Franzen, der auf Euch anlegte, die Muskete aus der Hand." „Dafür kriegte er eine Kugel, wenn auch eine andere." Josias Gesicht hatte sich gerötet, aber er sprach ruhig. „Friede seiner Asche!" Der Herzog faltete die Hände. „Als er sich bei mir meldete und kämpfen wollte, glaubte ich nicht an ihn. Aber ich nahm ihn, wie wir alle rheinischen Junker nahmen. Sie mußten doch kämpfen für ihr Land. Aber der kleine Junker hat sich brav gehalten, bis an sein selig Ende. .Heiliger Sebastian!' hat er gesagt. Ist das nicht der mit den vielen Schwertern im Leib? Soviel hat dieser Sebastian nicht gehabt, dem Herrn sei Dank, er ist sehr bald gestorben." „Ihr wäret zugegen, gnädiger Herr?"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/42>, abgerufen am 24.07.2024.