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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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essentengruppen -- hat die chinesische Presse
kritiklos aufgenommen und weiter verbreitet.
Es sei z. B. erwähnt, daß während des ersten
Balkankrieges die "China-Preß" am 10. De¬
zember 1912 in leidenschaftlichster Weise für
die französischen Geschütze eintrat und die
Kruppschen Geschütze schlecht machte. Auch
über den "Zabcrner" Fall hiesz es in der
chinesischen Presse, der Oberst Reutsr knalle
wie wild die Leute auf der Straße nieder usw.
Oft wurden diese und ähnliche Meldungen
gebracht, weil es schlechtweg nichts Neues
zu berichten gab, öfter aber noch, weil es
fast unmöglich war, zuberlässige Nachrichten
aus offiziellen Quellen überhaupt zu erhalten.
Seit dein Frühjahr 1913 hat sich nun das
englische Weltdepeschcnburecm von Reuter der
Pflege des chinesischen Nachrichtendienstes be¬
sonders gewidmet. Es hat vercintwortliche
Vertreter in ganz China, die ihm nach Peking
und Schanghai zutreffende, neueste und auch
stilistisch brauchbare Meldungen zuwenden, die,
geprüft, über das ganze Land verbreitet wer¬
den. Die Art dieser Berichterstattung erspart
der chinesischen Presse sehr viele Kosten und
steht hoch über dem, was die chinesische Presse
bisher aus sich selbst zuwege bringen konnte.
(Ein Versuch chinesischer Parlamentarier, ein
eigenes Depeschenbureau, für China zu er¬
richten, ist im Laufe des Sommers 1913 so¬
wohl in Paris wie in Berlin mehrfach ein¬
geleitet worden, hat aber scheinbar einst¬
weilen den gewünschten Erfolg noch nicht
gehabt.)

Um die bessere Versorgung der chinesischen
Presse mit deutschem Nachrichtenstosf hat sich
seit 1903 der Ostasiatische Lloyd -- der jetzt
etwa 30 000 Worte aus Berlin und etwa
6000 Worte aus London nach Ostnsien sendet
und, in der chinesischen Presse bereits sehr
bekannt und angesehen, von den 12 größten
chinesischen Blättern wie z. B. Schanghai
Times, Central China Post (Hnnkow), Chung
Ngvi San Po, Hongkong Peking und Tienlsien
Times, North China Daily News, sowie
acht englischen und eiuer französischen Zeitung
abonniere ist -- rend! erfolgreich bemüht, jedoch
mußte er mit seinen bescheidenen Mitteln
einstweilen ganz wesentlich hinter Reuters
Leistungen zurückbleiben. Wie Reuter in China
arbeitet, das hat im Frühjahr des Jahres

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1913 der Pekinger Korrespondent des Daily
Telegraph, Putnam Wecile, in seiner Zeitung
berichtet, indem er einige neue hoch¬
wichtige Mitteilungen über die Monopol¬
stellung der englischen Kabelgesellschaften und
der Neuterschen Telegraphenagentur in China
machte. "Durch die Bemühungen des eng¬
lischen NeichsPresseverbandeS," so schreibt er,
"ist es in England gelungen, daß seine Te-
Peschengebühren zwischen China und Europa
um S3 Prozent herabgesetzt sind, so daß ein
Wort jetzt nur noch 70 Pfennige kostet. In
China selbst kosten Preßtelegrcnmne in chine¬
sischer Sprache seit der Revolution nur
0 Pfennige das Wort und in englischer
12 Pfennige."

Wecile knüpft daran folgende interessante
Kritik: "Die Rentersche Telegraphenagentur
hat nach Verbilligung der Jnlanddepeschen
sofort einen speziellen Nachrichtendienst mit
vielen englischen Korrespondenten überall in
China eingerichtet. Besonders bemerkenswert
an diesem ausgezeichneten Dienste ist, daß
die Eingeborenen allmählich überall auf
ihn abonnieren und ihm großes Gewicht bei¬
messen. Die chinesische Presse zählt bereits
Hunderte von Tageszeitungen und wird
zweifellos bald das erste Tausend erreichen.
Eine gewaltige öffentliche Meinung wächst so
heran und die Engländer können sich dazu
gratulieren, daß die Gestaltung dieser öffent¬
lichen Meinung in so hohem Grade in ihrer
Hand ist."

Aber auch das Verständnis der chinesischen
Regierungsbehörden für die Presse ist in den
letzten Jahren wesentlich gewachsen. Allmäh¬
lich fängt auch der chinesische Beamte an zu
begreifen, daß eS besser ist, den Journalisten
mit genauen Informationen zu versorgen, als
eine Zeitung nach der anderen zu schließen
und fortgesetzt deren Verleger bzw. Re¬
dakteure einen Kopf kleiner zu machen. Dieser
Wechsel macht sich bereits in Peking selbst be¬
merkbar, wo angesehene chinesische Zeitungs¬
männer ebenso wie ihre ausländischen Ver¬
treter mehr und mehr die Möglichkeit haben,
offizielle Informationen zu erlangen.

Zum Schlüsse dieser Ausführungen seien
noch einige kurze Bemerkungen über die poli¬
tischen Wochen- und Monatsorgcmc in China
gemacht. Es ist klar, daß in einem Lande

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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essentengruppen — hat die chinesische Presse
kritiklos aufgenommen und weiter verbreitet.
Es sei z. B. erwähnt, daß während des ersten
Balkankrieges die „China-Preß" am 10. De¬
zember 1912 in leidenschaftlichster Weise für
die französischen Geschütze eintrat und die
Kruppschen Geschütze schlecht machte. Auch
über den „Zabcrner" Fall hiesz es in der
chinesischen Presse, der Oberst Reutsr knalle
wie wild die Leute auf der Straße nieder usw.
Oft wurden diese und ähnliche Meldungen
gebracht, weil es schlechtweg nichts Neues
zu berichten gab, öfter aber noch, weil es
fast unmöglich war, zuberlässige Nachrichten
aus offiziellen Quellen überhaupt zu erhalten.
Seit dein Frühjahr 1913 hat sich nun das
englische Weltdepeschcnburecm von Reuter der
Pflege des chinesischen Nachrichtendienstes be¬
sonders gewidmet. Es hat vercintwortliche
Vertreter in ganz China, die ihm nach Peking
und Schanghai zutreffende, neueste und auch
stilistisch brauchbare Meldungen zuwenden, die,
geprüft, über das ganze Land verbreitet wer¬
den. Die Art dieser Berichterstattung erspart
der chinesischen Presse sehr viele Kosten und
steht hoch über dem, was die chinesische Presse
bisher aus sich selbst zuwege bringen konnte.
(Ein Versuch chinesischer Parlamentarier, ein
eigenes Depeschenbureau, für China zu er¬
richten, ist im Laufe des Sommers 1913 so¬
wohl in Paris wie in Berlin mehrfach ein¬
geleitet worden, hat aber scheinbar einst¬
weilen den gewünschten Erfolg noch nicht
gehabt.)

Um die bessere Versorgung der chinesischen
Presse mit deutschem Nachrichtenstosf hat sich
seit 1903 der Ostasiatische Lloyd — der jetzt
etwa 30 000 Worte aus Berlin und etwa
6000 Worte aus London nach Ostnsien sendet
und, in der chinesischen Presse bereits sehr
bekannt und angesehen, von den 12 größten
chinesischen Blättern wie z. B. Schanghai
Times, Central China Post (Hnnkow), Chung
Ngvi San Po, Hongkong Peking und Tienlsien
Times, North China Daily News, sowie
acht englischen und eiuer französischen Zeitung
abonniere ist — rend! erfolgreich bemüht, jedoch
mußte er mit seinen bescheidenen Mitteln
einstweilen ganz wesentlich hinter Reuters
Leistungen zurückbleiben. Wie Reuter in China
arbeitet, das hat im Frühjahr des Jahres

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1913 der Pekinger Korrespondent des Daily
Telegraph, Putnam Wecile, in seiner Zeitung
berichtet, indem er einige neue hoch¬
wichtige Mitteilungen über die Monopol¬
stellung der englischen Kabelgesellschaften und
der Neuterschen Telegraphenagentur in China
machte. „Durch die Bemühungen des eng¬
lischen NeichsPresseverbandeS," so schreibt er,
„ist es in England gelungen, daß seine Te-
Peschengebühren zwischen China und Europa
um S3 Prozent herabgesetzt sind, so daß ein
Wort jetzt nur noch 70 Pfennige kostet. In
China selbst kosten Preßtelegrcnmne in chine¬
sischer Sprache seit der Revolution nur
0 Pfennige das Wort und in englischer
12 Pfennige."

Wecile knüpft daran folgende interessante
Kritik: „Die Rentersche Telegraphenagentur
hat nach Verbilligung der Jnlanddepeschen
sofort einen speziellen Nachrichtendienst mit
vielen englischen Korrespondenten überall in
China eingerichtet. Besonders bemerkenswert
an diesem ausgezeichneten Dienste ist, daß
die Eingeborenen allmählich überall auf
ihn abonnieren und ihm großes Gewicht bei¬
messen. Die chinesische Presse zählt bereits
Hunderte von Tageszeitungen und wird
zweifellos bald das erste Tausend erreichen.
Eine gewaltige öffentliche Meinung wächst so
heran und die Engländer können sich dazu
gratulieren, daß die Gestaltung dieser öffent¬
lichen Meinung in so hohem Grade in ihrer
Hand ist."

Aber auch das Verständnis der chinesischen
Regierungsbehörden für die Presse ist in den
letzten Jahren wesentlich gewachsen. Allmäh¬
lich fängt auch der chinesische Beamte an zu
begreifen, daß eS besser ist, den Journalisten
mit genauen Informationen zu versorgen, als
eine Zeitung nach der anderen zu schließen
und fortgesetzt deren Verleger bzw. Re¬
dakteure einen Kopf kleiner zu machen. Dieser
Wechsel macht sich bereits in Peking selbst be¬
merkbar, wo angesehene chinesische Zeitungs¬
männer ebenso wie ihre ausländischen Ver¬
treter mehr und mehr die Möglichkeit haben,
offizielle Informationen zu erlangen.

Zum Schlüsse dieser Ausführungen seien
noch einige kurze Bemerkungen über die poli¬
tischen Wochen- und Monatsorgcmc in China
gemacht. Es ist klar, daß in einem Lande

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[0340] Maßgebliches und Unmaßgebliches essentengruppen — hat die chinesische Presse kritiklos aufgenommen und weiter verbreitet. Es sei z. B. erwähnt, daß während des ersten Balkankrieges die „China-Preß" am 10. De¬ zember 1912 in leidenschaftlichster Weise für die französischen Geschütze eintrat und die Kruppschen Geschütze schlecht machte. Auch über den „Zabcrner" Fall hiesz es in der chinesischen Presse, der Oberst Reutsr knalle wie wild die Leute auf der Straße nieder usw. Oft wurden diese und ähnliche Meldungen gebracht, weil es schlechtweg nichts Neues zu berichten gab, öfter aber noch, weil es fast unmöglich war, zuberlässige Nachrichten aus offiziellen Quellen überhaupt zu erhalten. Seit dein Frühjahr 1913 hat sich nun das englische Weltdepeschcnburecm von Reuter der Pflege des chinesischen Nachrichtendienstes be¬ sonders gewidmet. Es hat vercintwortliche Vertreter in ganz China, die ihm nach Peking und Schanghai zutreffende, neueste und auch stilistisch brauchbare Meldungen zuwenden, die, geprüft, über das ganze Land verbreitet wer¬ den. Die Art dieser Berichterstattung erspart der chinesischen Presse sehr viele Kosten und steht hoch über dem, was die chinesische Presse bisher aus sich selbst zuwege bringen konnte. (Ein Versuch chinesischer Parlamentarier, ein eigenes Depeschenbureau, für China zu er¬ richten, ist im Laufe des Sommers 1913 so¬ wohl in Paris wie in Berlin mehrfach ein¬ geleitet worden, hat aber scheinbar einst¬ weilen den gewünschten Erfolg noch nicht gehabt.) Um die bessere Versorgung der chinesischen Presse mit deutschem Nachrichtenstosf hat sich seit 1903 der Ostasiatische Lloyd — der jetzt etwa 30 000 Worte aus Berlin und etwa 6000 Worte aus London nach Ostnsien sendet und, in der chinesischen Presse bereits sehr bekannt und angesehen, von den 12 größten chinesischen Blättern wie z. B. Schanghai Times, Central China Post (Hnnkow), Chung Ngvi San Po, Hongkong Peking und Tienlsien Times, North China Daily News, sowie acht englischen und eiuer französischen Zeitung abonniere ist — rend! erfolgreich bemüht, jedoch mußte er mit seinen bescheidenen Mitteln einstweilen ganz wesentlich hinter Reuters Leistungen zurückbleiben. Wie Reuter in China arbeitet, das hat im Frühjahr des Jahres 1913 der Pekinger Korrespondent des Daily Telegraph, Putnam Wecile, in seiner Zeitung berichtet, indem er einige neue hoch¬ wichtige Mitteilungen über die Monopol¬ stellung der englischen Kabelgesellschaften und der Neuterschen Telegraphenagentur in China machte. „Durch die Bemühungen des eng¬ lischen NeichsPresseverbandeS," so schreibt er, „ist es in England gelungen, daß seine Te- Peschengebühren zwischen China und Europa um S3 Prozent herabgesetzt sind, so daß ein Wort jetzt nur noch 70 Pfennige kostet. In China selbst kosten Preßtelegrcnmne in chine¬ sischer Sprache seit der Revolution nur 0 Pfennige das Wort und in englischer 12 Pfennige." Wecile knüpft daran folgende interessante Kritik: „Die Rentersche Telegraphenagentur hat nach Verbilligung der Jnlanddepeschen sofort einen speziellen Nachrichtendienst mit vielen englischen Korrespondenten überall in China eingerichtet. Besonders bemerkenswert an diesem ausgezeichneten Dienste ist, daß die Eingeborenen allmählich überall auf ihn abonnieren und ihm großes Gewicht bei¬ messen. Die chinesische Presse zählt bereits Hunderte von Tageszeitungen und wird zweifellos bald das erste Tausend erreichen. Eine gewaltige öffentliche Meinung wächst so heran und die Engländer können sich dazu gratulieren, daß die Gestaltung dieser öffent¬ lichen Meinung in so hohem Grade in ihrer Hand ist." Aber auch das Verständnis der chinesischen Regierungsbehörden für die Presse ist in den letzten Jahren wesentlich gewachsen. Allmäh¬ lich fängt auch der chinesische Beamte an zu begreifen, daß eS besser ist, den Journalisten mit genauen Informationen zu versorgen, als eine Zeitung nach der anderen zu schließen und fortgesetzt deren Verleger bzw. Re¬ dakteure einen Kopf kleiner zu machen. Dieser Wechsel macht sich bereits in Peking selbst be¬ merkbar, wo angesehene chinesische Zeitungs¬ männer ebenso wie ihre ausländischen Ver¬ treter mehr und mehr die Möglichkeit haben, offizielle Informationen zu erlangen. Zum Schlüsse dieser Ausführungen seien noch einige kurze Bemerkungen über die poli¬ tischen Wochen- und Monatsorgcmc in China gemacht. Es ist klar, daß in einem Lande

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/340>, abgerufen am 27.06.2024.