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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Kardinal Aopps Bedeutung

bis an die Grenze einer Spaltung innerhalb der Zentrumspartei hinaufgetrieben
hatte. Etwas davon zitterte auch in den Äußerungen bei seinem Tode nach,
so sehr man sich auch innerhalb der Partei befleißigte, die Gegensätze nach außen
hin zu dämpfen. Die Kölnische Volkszeitung, das führende Blatt der von dem
Fürstbischof so hart mitgenommenen Kölner, rühmte natürlich ohne Ein¬
schränkung seine kirchlichen und kirchenpolitischen Leistungen; aber sie wollte am
Schlüsse doch nicht ganz jene peinlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre
übergehen, welche dadurch hervorgerufen worden waren, daß Fürstbischof Kopp
"in einzelnen, unser öffentliches Leben bewegenden Fragen eine andere Stellung
eingenommen hat. als die in der Zentrumspartei organisierten Katholiken"*).
Sie meinte damit in erster Linie seine Stellung und sein Vorgehen in der
Gewerlschaftsfrage; aber es wird dabei nicht unnütz sein, zugleich daran zu
erinnern, daß derselbe Bischof, den am Ende seiner Tage der Streit im Zentrums¬
lager umtobte, einst schon im Gegensatz zum Zentrum die politische Bühne be¬
treten hatte. Ein gut Stück seines politischen Lebensweges fällt mit der
Zentrumsgeschichte zusammen, wenn er auch niemals völlig mit den Ausschlag
gebenden Zentrumsführern harmoniert hat. Die erfolgreichste Periode des
Zentrums steht in hohem Grade im Zeichen seiner Politik, wenngleich
niemals von bedingungslosen Zusammengehen die Rebe ist; er hat den
deutschen Ultramontanen seine Anschauung dessen, was ihm in der augenblick¬
lichen politischen und kirchlichen Lage als notwendig erschien, eingeimpft, hat
als echter Diplomat und Opportnnitätspolitiker öfters sich gewendet, während
allerdings die massivere, weniger anpassungsfähige Parteiorganisation nicht
immer so rasch folgen konnte. Ziel und Zweck waren freilich stets die alt¬
ererbter des Klerikalismus; es ist da völlig unmöglich, individuelle Unterschiede
machen zu wollen oder nach feineren Differenzen oder wechselseitigen Beein¬
flussungen zu suchen. Das bedarf auch weiter keiner Ausführung und Er¬
läuterung. Wollten wir Kopps Grundanschauungen entwickeln, so brauchten
wir einfach nur das oft dargestellte System ultramontaner Weltanschauung
nochmals zu erläutern**); eine besondere persönliche Bedeutung könnte dabei
dem Fürstbischof niemals zugesprochen werden. Alles, was sich von einer be¬
sonderen, ungewöhnlichen Art des Verhältnisses zwischen dem Fürstbischof Kopp
und dem politischen Katholizismus in Deutschland sagen läßt, bezieht sich immer
nur auf Fragen der praktischen Politik. In diesen Dingen haben die Zeiten
des Gegensatzes und die Zeiten der erfolgreichen Werbetätigkeit im Leben des
bischöflichen Politikers sich gegenseitig mehrfach abgelöst; aber es fragt sich doch,
ob darum die vielen Stimmen recht haben, welche ihm diese Schwankungen als
die große Inkonsequenz seines Lebens gebucht haben, oder ob nicht auch da
vieles als notwendiger Ausfluß der Persönlichkeit, der politischen Grund¬
anschauungen und der politischen Wandlungen zu deuten ist.




*) Kölnische Volkszeitung Ur. 193 vom 4. März 1914.
**> Vgl. L, Götz, Der Ultramontanismus als Weltanschauung. Bonn 1905.
Kardinal Aopps Bedeutung

bis an die Grenze einer Spaltung innerhalb der Zentrumspartei hinaufgetrieben
hatte. Etwas davon zitterte auch in den Äußerungen bei seinem Tode nach,
so sehr man sich auch innerhalb der Partei befleißigte, die Gegensätze nach außen
hin zu dämpfen. Die Kölnische Volkszeitung, das führende Blatt der von dem
Fürstbischof so hart mitgenommenen Kölner, rühmte natürlich ohne Ein¬
schränkung seine kirchlichen und kirchenpolitischen Leistungen; aber sie wollte am
Schlüsse doch nicht ganz jene peinlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre
übergehen, welche dadurch hervorgerufen worden waren, daß Fürstbischof Kopp
„in einzelnen, unser öffentliches Leben bewegenden Fragen eine andere Stellung
eingenommen hat. als die in der Zentrumspartei organisierten Katholiken"*).
Sie meinte damit in erster Linie seine Stellung und sein Vorgehen in der
Gewerlschaftsfrage; aber es wird dabei nicht unnütz sein, zugleich daran zu
erinnern, daß derselbe Bischof, den am Ende seiner Tage der Streit im Zentrums¬
lager umtobte, einst schon im Gegensatz zum Zentrum die politische Bühne be¬
treten hatte. Ein gut Stück seines politischen Lebensweges fällt mit der
Zentrumsgeschichte zusammen, wenn er auch niemals völlig mit den Ausschlag
gebenden Zentrumsführern harmoniert hat. Die erfolgreichste Periode des
Zentrums steht in hohem Grade im Zeichen seiner Politik, wenngleich
niemals von bedingungslosen Zusammengehen die Rebe ist; er hat den
deutschen Ultramontanen seine Anschauung dessen, was ihm in der augenblick¬
lichen politischen und kirchlichen Lage als notwendig erschien, eingeimpft, hat
als echter Diplomat und Opportnnitätspolitiker öfters sich gewendet, während
allerdings die massivere, weniger anpassungsfähige Parteiorganisation nicht
immer so rasch folgen konnte. Ziel und Zweck waren freilich stets die alt¬
ererbter des Klerikalismus; es ist da völlig unmöglich, individuelle Unterschiede
machen zu wollen oder nach feineren Differenzen oder wechselseitigen Beein¬
flussungen zu suchen. Das bedarf auch weiter keiner Ausführung und Er¬
läuterung. Wollten wir Kopps Grundanschauungen entwickeln, so brauchten
wir einfach nur das oft dargestellte System ultramontaner Weltanschauung
nochmals zu erläutern**); eine besondere persönliche Bedeutung könnte dabei
dem Fürstbischof niemals zugesprochen werden. Alles, was sich von einer be¬
sonderen, ungewöhnlichen Art des Verhältnisses zwischen dem Fürstbischof Kopp
und dem politischen Katholizismus in Deutschland sagen läßt, bezieht sich immer
nur auf Fragen der praktischen Politik. In diesen Dingen haben die Zeiten
des Gegensatzes und die Zeiten der erfolgreichen Werbetätigkeit im Leben des
bischöflichen Politikers sich gegenseitig mehrfach abgelöst; aber es fragt sich doch,
ob darum die vielen Stimmen recht haben, welche ihm diese Schwankungen als
die große Inkonsequenz seines Lebens gebucht haben, oder ob nicht auch da
vieles als notwendiger Ausfluß der Persönlichkeit, der politischen Grund¬
anschauungen und der politischen Wandlungen zu deuten ist.




*) Kölnische Volkszeitung Ur. 193 vom 4. März 1914.
**> Vgl. L, Götz, Der Ultramontanismus als Weltanschauung. Bonn 1905.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/273>, abgerufen am 04.07.2024.