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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Lie Mexikofrage

der Vereinigten Staaten schwersten Schaden zur Folge haben kann. Der
Panamakanal muß, wenn er nicht genügend geschützt ist, zu einer schwachen
und damit gefährdeten Stelle für die Vereinigten Staaten, zum Angriffspunkt
für ihre Gegner werden. Er ist um so gefährdeter, je mehr er sich im
Machtbereiche der Gegner der Vereinigten Staaten befindet und sich ihrem
eigenen entzieht. Bei der ungeheuren Länge, besonders der pazifischen Küsten-
ausdchnung der Vereinigten Staaten und der dann noch bis zum Kanal
reichenden mexikanischen Küste, ist die wirksame Überwachung und Verteidigung
der westlichen Kanalmündung schon an und für sich ein schweres Problem.
Liegt aber zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kanal noch ein feind¬
selig gesinntes oder unsicheres Mexiko, so ergibt das eine Lebensgefahr für den
Kanal und damit auch für die Vereinigten Staaten selbst. Deshalb erregte
auch jede sichtbare Beziehung zwischen Mexiko und Japan gleich eine so große
Erregung in den Vereinigten Staaten. Von Diaz wurde erzählt, daß er nicht
nur Bündnisverhandlungen mit Japan betrieben, sondern auch ihnen die an
der Westküste Mexikos liegende Magdalenenbucht als Kohlenstation und Flotten¬
stützpunkt für die japanische Flotte angeboten habe. Sieht man sich die Karte
daraufhin an, so bedarf es keines Beweises, daß eine solche Flotte auf die
Magdalenenbucht gestützt, eine ähnliche Gefahr für den Kanal darstellen würde,
wie etwa -- nur in kleineren Entfernungsverhältnissen -- eine englische Flotte,
auf die Insel Helgoland gestützt, für den deutschen Nordostseekanal. Wie man
sich in den Vereinigten Staaten gerade zu dieser Frage stellte, zeigt der folgende
Vorgang jüngster Vergangenheit sehr drastisch. Um die Angelegenheit zu ver¬
stehen, müssen wir kurz auf die Vorgeschichte zurückgreifen"):

In den achtziger Jahren hatte die mexikanische Regierung einem Bürger
der Vereinigten Staaten eine Landkonzession gegeben, welche die Küste der
Magdalenenbucht einbegriff. Im Laufe der Jahrzehnte ging die Konzession,
nachdem die Eigentümer in Zahlungsschwierigkeiten gekommen waren, in die
Hände der Gläubiger über, man gründete eine Gesellschaft und versuchte das
Gebiet zu verkaufen. Unter den Kauflustigen befand sich eine japanische Ge¬
sellschaft. Der Vertreter der amerikanischen Gesellschaft wandte sich im Jahre
1911 an den Staatssekretär des Auswärtigen mit der Anfrage, ob gegen den
Verkauf an die japanische Gesellschaft etwas einzuwenden sei. Der Staats¬
sekretär, Mr. Knox, antwortete in etwas gewundener Weise, ließ aber keinen
Zweifel darüber, daß er den Verkauf an die japanische Gesellschaft nicht für
richtig halte und blieb auf diesem Standpunkte auch, nachdem ihm mitgeteilt
worden war, daß die amerikanischen und japanischen Unternehmer sich ans
Halbpart der Anteile einigen wollten, auch die Mehrheit in der Direktion,
außerdem der Leiter Vorsitzender der Gesellschaft Amerikaner sein sollten.
Nachdem das Auswärtige Amt also seine erste Ablehnung auch unter diesen



*) Wir folgen hier der Darstellung des Falles durch Dr. ez. Kraus in seinem aus¬
gezeichneten Buche "Die Mvnroedvktrin" (Verlag von I. Guttentag, Berlin).
Lie Mexikofrage

der Vereinigten Staaten schwersten Schaden zur Folge haben kann. Der
Panamakanal muß, wenn er nicht genügend geschützt ist, zu einer schwachen
und damit gefährdeten Stelle für die Vereinigten Staaten, zum Angriffspunkt
für ihre Gegner werden. Er ist um so gefährdeter, je mehr er sich im
Machtbereiche der Gegner der Vereinigten Staaten befindet und sich ihrem
eigenen entzieht. Bei der ungeheuren Länge, besonders der pazifischen Küsten-
ausdchnung der Vereinigten Staaten und der dann noch bis zum Kanal
reichenden mexikanischen Küste, ist die wirksame Überwachung und Verteidigung
der westlichen Kanalmündung schon an und für sich ein schweres Problem.
Liegt aber zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kanal noch ein feind¬
selig gesinntes oder unsicheres Mexiko, so ergibt das eine Lebensgefahr für den
Kanal und damit auch für die Vereinigten Staaten selbst. Deshalb erregte
auch jede sichtbare Beziehung zwischen Mexiko und Japan gleich eine so große
Erregung in den Vereinigten Staaten. Von Diaz wurde erzählt, daß er nicht
nur Bündnisverhandlungen mit Japan betrieben, sondern auch ihnen die an
der Westküste Mexikos liegende Magdalenenbucht als Kohlenstation und Flotten¬
stützpunkt für die japanische Flotte angeboten habe. Sieht man sich die Karte
daraufhin an, so bedarf es keines Beweises, daß eine solche Flotte auf die
Magdalenenbucht gestützt, eine ähnliche Gefahr für den Kanal darstellen würde,
wie etwa — nur in kleineren Entfernungsverhältnissen — eine englische Flotte,
auf die Insel Helgoland gestützt, für den deutschen Nordostseekanal. Wie man
sich in den Vereinigten Staaten gerade zu dieser Frage stellte, zeigt der folgende
Vorgang jüngster Vergangenheit sehr drastisch. Um die Angelegenheit zu ver¬
stehen, müssen wir kurz auf die Vorgeschichte zurückgreifen"):

In den achtziger Jahren hatte die mexikanische Regierung einem Bürger
der Vereinigten Staaten eine Landkonzession gegeben, welche die Küste der
Magdalenenbucht einbegriff. Im Laufe der Jahrzehnte ging die Konzession,
nachdem die Eigentümer in Zahlungsschwierigkeiten gekommen waren, in die
Hände der Gläubiger über, man gründete eine Gesellschaft und versuchte das
Gebiet zu verkaufen. Unter den Kauflustigen befand sich eine japanische Ge¬
sellschaft. Der Vertreter der amerikanischen Gesellschaft wandte sich im Jahre
1911 an den Staatssekretär des Auswärtigen mit der Anfrage, ob gegen den
Verkauf an die japanische Gesellschaft etwas einzuwenden sei. Der Staats¬
sekretär, Mr. Knox, antwortete in etwas gewundener Weise, ließ aber keinen
Zweifel darüber, daß er den Verkauf an die japanische Gesellschaft nicht für
richtig halte und blieb auf diesem Standpunkte auch, nachdem ihm mitgeteilt
worden war, daß die amerikanischen und japanischen Unternehmer sich ans
Halbpart der Anteile einigen wollten, auch die Mehrheit in der Direktion,
außerdem der Leiter Vorsitzender der Gesellschaft Amerikaner sein sollten.
Nachdem das Auswärtige Amt also seine erste Ablehnung auch unter diesen



*) Wir folgen hier der Darstellung des Falles durch Dr. ez. Kraus in seinem aus¬
gezeichneten Buche „Die Mvnroedvktrin" (Verlag von I. Guttentag, Berlin).
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[0229] Lie Mexikofrage der Vereinigten Staaten schwersten Schaden zur Folge haben kann. Der Panamakanal muß, wenn er nicht genügend geschützt ist, zu einer schwachen und damit gefährdeten Stelle für die Vereinigten Staaten, zum Angriffspunkt für ihre Gegner werden. Er ist um so gefährdeter, je mehr er sich im Machtbereiche der Gegner der Vereinigten Staaten befindet und sich ihrem eigenen entzieht. Bei der ungeheuren Länge, besonders der pazifischen Küsten- ausdchnung der Vereinigten Staaten und der dann noch bis zum Kanal reichenden mexikanischen Küste, ist die wirksame Überwachung und Verteidigung der westlichen Kanalmündung schon an und für sich ein schweres Problem. Liegt aber zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kanal noch ein feind¬ selig gesinntes oder unsicheres Mexiko, so ergibt das eine Lebensgefahr für den Kanal und damit auch für die Vereinigten Staaten selbst. Deshalb erregte auch jede sichtbare Beziehung zwischen Mexiko und Japan gleich eine so große Erregung in den Vereinigten Staaten. Von Diaz wurde erzählt, daß er nicht nur Bündnisverhandlungen mit Japan betrieben, sondern auch ihnen die an der Westküste Mexikos liegende Magdalenenbucht als Kohlenstation und Flotten¬ stützpunkt für die japanische Flotte angeboten habe. Sieht man sich die Karte daraufhin an, so bedarf es keines Beweises, daß eine solche Flotte auf die Magdalenenbucht gestützt, eine ähnliche Gefahr für den Kanal darstellen würde, wie etwa — nur in kleineren Entfernungsverhältnissen — eine englische Flotte, auf die Insel Helgoland gestützt, für den deutschen Nordostseekanal. Wie man sich in den Vereinigten Staaten gerade zu dieser Frage stellte, zeigt der folgende Vorgang jüngster Vergangenheit sehr drastisch. Um die Angelegenheit zu ver¬ stehen, müssen wir kurz auf die Vorgeschichte zurückgreifen"): In den achtziger Jahren hatte die mexikanische Regierung einem Bürger der Vereinigten Staaten eine Landkonzession gegeben, welche die Küste der Magdalenenbucht einbegriff. Im Laufe der Jahrzehnte ging die Konzession, nachdem die Eigentümer in Zahlungsschwierigkeiten gekommen waren, in die Hände der Gläubiger über, man gründete eine Gesellschaft und versuchte das Gebiet zu verkaufen. Unter den Kauflustigen befand sich eine japanische Ge¬ sellschaft. Der Vertreter der amerikanischen Gesellschaft wandte sich im Jahre 1911 an den Staatssekretär des Auswärtigen mit der Anfrage, ob gegen den Verkauf an die japanische Gesellschaft etwas einzuwenden sei. Der Staats¬ sekretär, Mr. Knox, antwortete in etwas gewundener Weise, ließ aber keinen Zweifel darüber, daß er den Verkauf an die japanische Gesellschaft nicht für richtig halte und blieb auf diesem Standpunkte auch, nachdem ihm mitgeteilt worden war, daß die amerikanischen und japanischen Unternehmer sich ans Halbpart der Anteile einigen wollten, auch die Mehrheit in der Direktion, außerdem der Leiter Vorsitzender der Gesellschaft Amerikaner sein sollten. Nachdem das Auswärtige Amt also seine erste Ablehnung auch unter diesen *) Wir folgen hier der Darstellung des Falles durch Dr. ez. Kraus in seinem aus¬ gezeichneten Buche „Die Mvnroedvktrin" (Verlag von I. Guttentag, Berlin).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/229>, abgerufen am 25.07.2024.