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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mnyen

Es war gut, daß der Winter kam mit vielem Schnee und eisiger Kälte.
Die Wölfe, die im Sommer sich ferngehalten hatten, waren plötzlich wieder
da, und es galt, diesen Feind von den offenen Dörfern, von den Viehställen
zu vertreiben. Er war ein Schrecken für die Bauern und eine Freude für
die adligen Junker, die den Isegrim mit Hallo und Hussa jagten, und sich
hüteten, alle zu erschießen, damit für den nächsten Winter einige Tiere übrig
blieben.

Hans Adolf von Plön sagte sich beim Sehestedt für eine Wolfsjagd an.
Da mußte Herr Josias eine ganze Reihe seiner Standesgenossen einladen, und
es gab eine fröhliche Jagd, bei der wohl zehn Wölfe das Leben lassen mußten,
ungerechnet die Wildsauen und Hirsche, die noch dazu kamen.

Ruhig waltete Frau Heilwig ihres Amtes als Schloßherrin, und wenn sie
sich auch von den nachfolgenden Trinkgelagen fern hielt, so sorgte sie doch um¬
sichtig für alles, und der Herzog war beim Abschied, der nach vier Tagen er¬
folgte, besonders gnädig gegen sie.

"Nach Weihnacht geht es in den Haag!" berichtete er. "Die hohen Herren
dort haben mich eingeladen und auch meine Frau Gemahlin. Was meint Ihr,
edle Frau, wenn der Herr Josias und Ihr uns begleitetet? So lange bin ich
nicht mit Eurem Gemahl in die Welt geritten, und es ist doch ein artiges
Vergnügen I"

"Mein Herr Gemahl wird tun, was ihm beliebt!" entgegnete Frau
Heilwig, die ein wenig rot wurde. Denn der Herzog sah sie so aufmerksam an.

"Ihr solltet ihn nicht allein fahren lassen!" scherzte er. "Ihre Gnaden,
Dorothea Sophie, läßt mich auch nicht allein in die Welt; wir Männer bedürfen
manchmal einer sanften Führung! Nicht wahr, Herr von Sehestedt?" wandte
er sich an Josias, der eben zu ihm trat.

Hans Adolf wiederholte seine Einladung, und Josias war sehr erfreut.
Zwar wußte er, daß diese Reise ein wenig kostspielig würde. Der Herzog nahm
gern einen Kavalier mit, und auch eine Dame für seine Gemahlin, aber er
konnte kein Geld dafür bezahlen. Er sagte es auch offen.

"Habe mich ein wenig mit meinem Geld brouilliert!" sagte er vertraulich.
"Meine kleine Stadt kostet mir viel, weil ich sie hübsch haben will, und eine
Lateinschule will ich auch haben. Für Eure Junker, lieber Sehestedt! Heutzutage
muß man wirklich ein wenig lernen, das ist für später besser. Im Haag
müssen sie mir unter die Arme greifen, sie tun es auch, wenn ich zu ihnen
komme und ihre Soldaten mustere und verbessere. So sorge ich also auch für
meine Untertanen, wenn ich anderen diene!"

Er verabschiedete sich mit erneuter Einladung, und Heilwig sah es ihrem
Manne an. wie er brannte, anzureihen. Er hatte das Geld; im allgemeinen
war das Gold nicht reichlich in den adligen Geschlechtern, die die vielen Kriege
verarmt hatten. Aber der Staatsrat von Sehestedt hatte ein gutes Vermögen
hinterlassen, und man hatte sparsam gewirtschaftet.


Die Hexe von Mnyen

Es war gut, daß der Winter kam mit vielem Schnee und eisiger Kälte.
Die Wölfe, die im Sommer sich ferngehalten hatten, waren plötzlich wieder
da, und es galt, diesen Feind von den offenen Dörfern, von den Viehställen
zu vertreiben. Er war ein Schrecken für die Bauern und eine Freude für
die adligen Junker, die den Isegrim mit Hallo und Hussa jagten, und sich
hüteten, alle zu erschießen, damit für den nächsten Winter einige Tiere übrig
blieben.

Hans Adolf von Plön sagte sich beim Sehestedt für eine Wolfsjagd an.
Da mußte Herr Josias eine ganze Reihe seiner Standesgenossen einladen, und
es gab eine fröhliche Jagd, bei der wohl zehn Wölfe das Leben lassen mußten,
ungerechnet die Wildsauen und Hirsche, die noch dazu kamen.

Ruhig waltete Frau Heilwig ihres Amtes als Schloßherrin, und wenn sie
sich auch von den nachfolgenden Trinkgelagen fern hielt, so sorgte sie doch um¬
sichtig für alles, und der Herzog war beim Abschied, der nach vier Tagen er¬
folgte, besonders gnädig gegen sie.

„Nach Weihnacht geht es in den Haag!" berichtete er. „Die hohen Herren
dort haben mich eingeladen und auch meine Frau Gemahlin. Was meint Ihr,
edle Frau, wenn der Herr Josias und Ihr uns begleitetet? So lange bin ich
nicht mit Eurem Gemahl in die Welt geritten, und es ist doch ein artiges
Vergnügen I"

„Mein Herr Gemahl wird tun, was ihm beliebt!" entgegnete Frau
Heilwig, die ein wenig rot wurde. Denn der Herzog sah sie so aufmerksam an.

„Ihr solltet ihn nicht allein fahren lassen!" scherzte er. „Ihre Gnaden,
Dorothea Sophie, läßt mich auch nicht allein in die Welt; wir Männer bedürfen
manchmal einer sanften Führung! Nicht wahr, Herr von Sehestedt?" wandte
er sich an Josias, der eben zu ihm trat.

Hans Adolf wiederholte seine Einladung, und Josias war sehr erfreut.
Zwar wußte er, daß diese Reise ein wenig kostspielig würde. Der Herzog nahm
gern einen Kavalier mit, und auch eine Dame für seine Gemahlin, aber er
konnte kein Geld dafür bezahlen. Er sagte es auch offen.

„Habe mich ein wenig mit meinem Geld brouilliert!" sagte er vertraulich.
„Meine kleine Stadt kostet mir viel, weil ich sie hübsch haben will, und eine
Lateinschule will ich auch haben. Für Eure Junker, lieber Sehestedt! Heutzutage
muß man wirklich ein wenig lernen, das ist für später besser. Im Haag
müssen sie mir unter die Arme greifen, sie tun es auch, wenn ich zu ihnen
komme und ihre Soldaten mustere und verbessere. So sorge ich also auch für
meine Untertanen, wenn ich anderen diene!"

Er verabschiedete sich mit erneuter Einladung, und Heilwig sah es ihrem
Manne an. wie er brannte, anzureihen. Er hatte das Geld; im allgemeinen
war das Gold nicht reichlich in den adligen Geschlechtern, die die vielen Kriege
verarmt hatten. Aber der Staatsrat von Sehestedt hatte ein gutes Vermögen
hinterlassen, und man hatte sparsam gewirtschaftet.


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[0185] Die Hexe von Mnyen Es war gut, daß der Winter kam mit vielem Schnee und eisiger Kälte. Die Wölfe, die im Sommer sich ferngehalten hatten, waren plötzlich wieder da, und es galt, diesen Feind von den offenen Dörfern, von den Viehställen zu vertreiben. Er war ein Schrecken für die Bauern und eine Freude für die adligen Junker, die den Isegrim mit Hallo und Hussa jagten, und sich hüteten, alle zu erschießen, damit für den nächsten Winter einige Tiere übrig blieben. Hans Adolf von Plön sagte sich beim Sehestedt für eine Wolfsjagd an. Da mußte Herr Josias eine ganze Reihe seiner Standesgenossen einladen, und es gab eine fröhliche Jagd, bei der wohl zehn Wölfe das Leben lassen mußten, ungerechnet die Wildsauen und Hirsche, die noch dazu kamen. Ruhig waltete Frau Heilwig ihres Amtes als Schloßherrin, und wenn sie sich auch von den nachfolgenden Trinkgelagen fern hielt, so sorgte sie doch um¬ sichtig für alles, und der Herzog war beim Abschied, der nach vier Tagen er¬ folgte, besonders gnädig gegen sie. „Nach Weihnacht geht es in den Haag!" berichtete er. „Die hohen Herren dort haben mich eingeladen und auch meine Frau Gemahlin. Was meint Ihr, edle Frau, wenn der Herr Josias und Ihr uns begleitetet? So lange bin ich nicht mit Eurem Gemahl in die Welt geritten, und es ist doch ein artiges Vergnügen I" „Mein Herr Gemahl wird tun, was ihm beliebt!" entgegnete Frau Heilwig, die ein wenig rot wurde. Denn der Herzog sah sie so aufmerksam an. „Ihr solltet ihn nicht allein fahren lassen!" scherzte er. „Ihre Gnaden, Dorothea Sophie, läßt mich auch nicht allein in die Welt; wir Männer bedürfen manchmal einer sanften Führung! Nicht wahr, Herr von Sehestedt?" wandte er sich an Josias, der eben zu ihm trat. Hans Adolf wiederholte seine Einladung, und Josias war sehr erfreut. Zwar wußte er, daß diese Reise ein wenig kostspielig würde. Der Herzog nahm gern einen Kavalier mit, und auch eine Dame für seine Gemahlin, aber er konnte kein Geld dafür bezahlen. Er sagte es auch offen. „Habe mich ein wenig mit meinem Geld brouilliert!" sagte er vertraulich. „Meine kleine Stadt kostet mir viel, weil ich sie hübsch haben will, und eine Lateinschule will ich auch haben. Für Eure Junker, lieber Sehestedt! Heutzutage muß man wirklich ein wenig lernen, das ist für später besser. Im Haag müssen sie mir unter die Arme greifen, sie tun es auch, wenn ich zu ihnen komme und ihre Soldaten mustere und verbessere. So sorge ich also auch für meine Untertanen, wenn ich anderen diene!" Er verabschiedete sich mit erneuter Einladung, und Heilwig sah es ihrem Manne an. wie er brannte, anzureihen. Er hatte das Geld; im allgemeinen war das Gold nicht reichlich in den adligen Geschlechtern, die die vielen Kriege verarmt hatten. Aber der Staatsrat von Sehestedt hatte ein gutes Vermögen hinterlassen, und man hatte sparsam gewirtschaftet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/185>, abgerufen am 23.06.2024.