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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Selbstzucht der Polen, ein breiter Mittelstand
herausgebildet, welcher von den beiden erst¬
genannten Ständen den Haß gegen Preußen-
Deutschland geerbt, ihn der ganzen polnischen
Bevölkerung von Putzig bis Krotoschin und
in Oberschlesien eingeflößt und somit die
Kampfstellung der Polen auf breitester, demo¬
kratischer Grundlage sichergestellt hat.

Um so unabweislicher erscheint die Pflicht
der preußischen Staatsregierung, diesem Polen¬
heer deutsche Bataillone in der Form deutscher
Bauern- und Arbeiteransiedlungen entgegen¬
zuwerfen und das dazu nötige Land, wenn
es nicht freihändig erworben werden kann,
zu enteignen. "Kurz und gut den (Polnischen)
Adel zu expropriieren. Das klingt ungeheuer¬
lich, aber wenn wir für eine Eisenbahn
expropriieren und die Häuslichkeit stören,
Häuser und Kirchhöfe durchbrechen, warum
soll dann nicht unter Umständen ein Staat,
um seine Sicherheit für die Zukunft zu er¬
kaufen, zu diesem Mittel schreiten?" (Bismarck
im Preußischen Abgeordnetenhaus 1886.) Diese
Beschränkung der Verteidigung auf den
Polnischen Adel gilt heute nicht mehr als ge¬
nügend. Die Verteidigung muß vielmehr,
der breiten Angrisfsfront entsprechend, dem
ganzen Polentum, soweit es als Nationalfeind
organisiert ist, entgegentreten.

Die andere Verschiebung liegt auf inter¬
nationalem Gebiet, und zwar darin, daß
Frankreich sein altüberliefertes Eintreten für
einen Polcnstaat verlassen hat, um dem
neuen Bundesbrüder Rußland zu gefallen.
"Unserer auswärtigen Politik konnte nichts
Verhängnisvolleres angetan werden (durch
Caprivi), als ein Einlenken in eine preußische
Polenpolitik, welche Ähnlichkeit mit der öster¬
reichischen hat und den Russen für den
Kriegsfall eine Polnische Legion, für den
Fall einer russischen Niederlage das König¬
reich Polen am Horizonte zeigt. Das
mußte ein Kronstäbe herbeiführen" (d. h. das
russisch-französische Verbrüderungsfest 1891).
"Es bröckelt uns langsam alles wieder ab,
was wir mühsam im Osten unserer Grenzen,
in Polen, germanisch aufgebaut haben"
(Bismarck 1892).

Das Buch, welches übrigens nicht den
Anspruch auf Vollständigkeit macht, belehrt
nicht nur über Bismarcks ein halbes Jahr¬

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hundert hindurch festgehaltene Stellung zur
Polenfrage, sondern enthält auch die ernste
Mahnung, in dieser so überaus wichtigen
nationalen und Kulturfrage, vielleicht der
wichtigsten Aufgabe, die Preußen zu lösen
hat, endlich mit Kraft und Ausdauer zu
L. Frhr, von Thura handeln.

Schöne Literatur

August Graf von Platen. In Heft 12
des Jahrgangs 1911 der Grenzboten ist der
Versuch gemacht, in kurzen Zügen ein Bild
des jungen Platen zu entwerfen. Jetzt sind
wir in der Lage, die Zeichnung zu vervoll¬
ständigen, nachdem nun die Biographie mit
dem zweiten Bande des äußerlich und inner¬
lich monumentalen Werkes "August Graf
von Platen" von Rudolf Schloesser (München,
R. Piper u. Co. Verlag) zum Abschluß ge¬
langt und kürzlich der zweite Band des von
Paul Börnstein musterhaft herausgegebenen
und ausführlich kommentierten "Briefwechsels
des Grafen August von Platen" (München,
Georg Müller) erschienen ist.

Der zweite Teil dieses Briefwechsels be¬
ginnt mit dem Jahre 1813, als Platen die
Universität Würzburg bezog, und endet mit
seinem Aufenthalt in Erlangen 1822. Auch
hier nehmen die Briefe an die Eltern und
die in München zurückgelassenen Freunde
einen breiten Raum ein. An die Eltern
schreibt Platen ziemlich konventionell, nieist
in französischer oder englischer Sprache.
Aber auch neue Menschen treten jetzt auf,
so vor allen Johann Jakob Wagner
und Schelling in Erlangen, die großen
Einfluß auf ihn gewannen. Die ersten An¬
fänge in Würzburg waren für den, der als
Offizier bereits gewohnt war, eine gewisse
Rolle zu spielen, nicht leicht. Man nahm
ihn keineswegs mit offenen Armen auf, son¬
dern verlangte vor der Immatrikulation die
Ablegung eines Gymnasialexamens, das ihm,
da er im Kadettenkorps erzogen war, fehlte.
Bei seiner großen Begabung überwand er
aber dies Hindernis ziemlich leicht, jedenfalls
leichter als die fortwährenden Geldnöte. Die
vom König von Bayern bewilligten 600Gulden
genügten trotz aller Sparsamkeit nicht zum
Leben, und die ersten Briefe aus Würzburg

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Selbstzucht der Polen, ein breiter Mittelstand
herausgebildet, welcher von den beiden erst¬
genannten Ständen den Haß gegen Preußen-
Deutschland geerbt, ihn der ganzen polnischen
Bevölkerung von Putzig bis Krotoschin und
in Oberschlesien eingeflößt und somit die
Kampfstellung der Polen auf breitester, demo¬
kratischer Grundlage sichergestellt hat.

Um so unabweislicher erscheint die Pflicht
der preußischen Staatsregierung, diesem Polen¬
heer deutsche Bataillone in der Form deutscher
Bauern- und Arbeiteransiedlungen entgegen¬
zuwerfen und das dazu nötige Land, wenn
es nicht freihändig erworben werden kann,
zu enteignen. „Kurz und gut den (Polnischen)
Adel zu expropriieren. Das klingt ungeheuer¬
lich, aber wenn wir für eine Eisenbahn
expropriieren und die Häuslichkeit stören,
Häuser und Kirchhöfe durchbrechen, warum
soll dann nicht unter Umständen ein Staat,
um seine Sicherheit für die Zukunft zu er¬
kaufen, zu diesem Mittel schreiten?" (Bismarck
im Preußischen Abgeordnetenhaus 1886.) Diese
Beschränkung der Verteidigung auf den
Polnischen Adel gilt heute nicht mehr als ge¬
nügend. Die Verteidigung muß vielmehr,
der breiten Angrisfsfront entsprechend, dem
ganzen Polentum, soweit es als Nationalfeind
organisiert ist, entgegentreten.

Die andere Verschiebung liegt auf inter¬
nationalem Gebiet, und zwar darin, daß
Frankreich sein altüberliefertes Eintreten für
einen Polcnstaat verlassen hat, um dem
neuen Bundesbrüder Rußland zu gefallen.
„Unserer auswärtigen Politik konnte nichts
Verhängnisvolleres angetan werden (durch
Caprivi), als ein Einlenken in eine preußische
Polenpolitik, welche Ähnlichkeit mit der öster¬
reichischen hat und den Russen für den
Kriegsfall eine Polnische Legion, für den
Fall einer russischen Niederlage das König¬
reich Polen am Horizonte zeigt. Das
mußte ein Kronstäbe herbeiführen" (d. h. das
russisch-französische Verbrüderungsfest 1891).
„Es bröckelt uns langsam alles wieder ab,
was wir mühsam im Osten unserer Grenzen,
in Polen, germanisch aufgebaut haben"
(Bismarck 1892).

Das Buch, welches übrigens nicht den
Anspruch auf Vollständigkeit macht, belehrt
nicht nur über Bismarcks ein halbes Jahr¬

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hundert hindurch festgehaltene Stellung zur
Polenfrage, sondern enthält auch die ernste
Mahnung, in dieser so überaus wichtigen
nationalen und Kulturfrage, vielleicht der
wichtigsten Aufgabe, die Preußen zu lösen
hat, endlich mit Kraft und Ausdauer zu
L. Frhr, von Thura handeln.

Schöne Literatur

August Graf von Platen. In Heft 12
des Jahrgangs 1911 der Grenzboten ist der
Versuch gemacht, in kurzen Zügen ein Bild
des jungen Platen zu entwerfen. Jetzt sind
wir in der Lage, die Zeichnung zu vervoll¬
ständigen, nachdem nun die Biographie mit
dem zweiten Bande des äußerlich und inner¬
lich monumentalen Werkes „August Graf
von Platen" von Rudolf Schloesser (München,
R. Piper u. Co. Verlag) zum Abschluß ge¬
langt und kürzlich der zweite Band des von
Paul Börnstein musterhaft herausgegebenen
und ausführlich kommentierten „Briefwechsels
des Grafen August von Platen" (München,
Georg Müller) erschienen ist.

Der zweite Teil dieses Briefwechsels be¬
ginnt mit dem Jahre 1813, als Platen die
Universität Würzburg bezog, und endet mit
seinem Aufenthalt in Erlangen 1822. Auch
hier nehmen die Briefe an die Eltern und
die in München zurückgelassenen Freunde
einen breiten Raum ein. An die Eltern
schreibt Platen ziemlich konventionell, nieist
in französischer oder englischer Sprache.
Aber auch neue Menschen treten jetzt auf,
so vor allen Johann Jakob Wagner
und Schelling in Erlangen, die großen
Einfluß auf ihn gewannen. Die ersten An¬
fänge in Würzburg waren für den, der als
Offizier bereits gewohnt war, eine gewisse
Rolle zu spielen, nicht leicht. Man nahm
ihn keineswegs mit offenen Armen auf, son¬
dern verlangte vor der Immatrikulation die
Ablegung eines Gymnasialexamens, das ihm,
da er im Kadettenkorps erzogen war, fehlte.
Bei seiner großen Begabung überwand er
aber dies Hindernis ziemlich leicht, jedenfalls
leichter als die fortwährenden Geldnöte. Die
vom König von Bayern bewilligten 600Gulden
genügten trotz aller Sparsamkeit nicht zum
Leben, und die ersten Briefe aus Würzburg

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[0155] Maßgebliches und Unmaßgebliches Selbstzucht der Polen, ein breiter Mittelstand herausgebildet, welcher von den beiden erst¬ genannten Ständen den Haß gegen Preußen- Deutschland geerbt, ihn der ganzen polnischen Bevölkerung von Putzig bis Krotoschin und in Oberschlesien eingeflößt und somit die Kampfstellung der Polen auf breitester, demo¬ kratischer Grundlage sichergestellt hat. Um so unabweislicher erscheint die Pflicht der preußischen Staatsregierung, diesem Polen¬ heer deutsche Bataillone in der Form deutscher Bauern- und Arbeiteransiedlungen entgegen¬ zuwerfen und das dazu nötige Land, wenn es nicht freihändig erworben werden kann, zu enteignen. „Kurz und gut den (Polnischen) Adel zu expropriieren. Das klingt ungeheuer¬ lich, aber wenn wir für eine Eisenbahn expropriieren und die Häuslichkeit stören, Häuser und Kirchhöfe durchbrechen, warum soll dann nicht unter Umständen ein Staat, um seine Sicherheit für die Zukunft zu er¬ kaufen, zu diesem Mittel schreiten?" (Bismarck im Preußischen Abgeordnetenhaus 1886.) Diese Beschränkung der Verteidigung auf den Polnischen Adel gilt heute nicht mehr als ge¬ nügend. Die Verteidigung muß vielmehr, der breiten Angrisfsfront entsprechend, dem ganzen Polentum, soweit es als Nationalfeind organisiert ist, entgegentreten. Die andere Verschiebung liegt auf inter¬ nationalem Gebiet, und zwar darin, daß Frankreich sein altüberliefertes Eintreten für einen Polcnstaat verlassen hat, um dem neuen Bundesbrüder Rußland zu gefallen. „Unserer auswärtigen Politik konnte nichts Verhängnisvolleres angetan werden (durch Caprivi), als ein Einlenken in eine preußische Polenpolitik, welche Ähnlichkeit mit der öster¬ reichischen hat und den Russen für den Kriegsfall eine Polnische Legion, für den Fall einer russischen Niederlage das König¬ reich Polen am Horizonte zeigt. Das mußte ein Kronstäbe herbeiführen" (d. h. das russisch-französische Verbrüderungsfest 1891). „Es bröckelt uns langsam alles wieder ab, was wir mühsam im Osten unserer Grenzen, in Polen, germanisch aufgebaut haben" (Bismarck 1892). Das Buch, welches übrigens nicht den Anspruch auf Vollständigkeit macht, belehrt nicht nur über Bismarcks ein halbes Jahr¬ hundert hindurch festgehaltene Stellung zur Polenfrage, sondern enthält auch die ernste Mahnung, in dieser so überaus wichtigen nationalen und Kulturfrage, vielleicht der wichtigsten Aufgabe, die Preußen zu lösen hat, endlich mit Kraft und Ausdauer zu L. Frhr, von Thura handeln. Schöne Literatur August Graf von Platen. In Heft 12 des Jahrgangs 1911 der Grenzboten ist der Versuch gemacht, in kurzen Zügen ein Bild des jungen Platen zu entwerfen. Jetzt sind wir in der Lage, die Zeichnung zu vervoll¬ ständigen, nachdem nun die Biographie mit dem zweiten Bande des äußerlich und inner¬ lich monumentalen Werkes „August Graf von Platen" von Rudolf Schloesser (München, R. Piper u. Co. Verlag) zum Abschluß ge¬ langt und kürzlich der zweite Band des von Paul Börnstein musterhaft herausgegebenen und ausführlich kommentierten „Briefwechsels des Grafen August von Platen" (München, Georg Müller) erschienen ist. Der zweite Teil dieses Briefwechsels be¬ ginnt mit dem Jahre 1813, als Platen die Universität Würzburg bezog, und endet mit seinem Aufenthalt in Erlangen 1822. Auch hier nehmen die Briefe an die Eltern und die in München zurückgelassenen Freunde einen breiten Raum ein. An die Eltern schreibt Platen ziemlich konventionell, nieist in französischer oder englischer Sprache. Aber auch neue Menschen treten jetzt auf, so vor allen Johann Jakob Wagner und Schelling in Erlangen, die großen Einfluß auf ihn gewannen. Die ersten An¬ fänge in Würzburg waren für den, der als Offizier bereits gewohnt war, eine gewisse Rolle zu spielen, nicht leicht. Man nahm ihn keineswegs mit offenen Armen auf, son¬ dern verlangte vor der Immatrikulation die Ablegung eines Gymnasialexamens, das ihm, da er im Kadettenkorps erzogen war, fehlte. Bei seiner großen Begabung überwand er aber dies Hindernis ziemlich leicht, jedenfalls leichter als die fortwährenden Geldnöte. Die vom König von Bayern bewilligten 600Gulden genügten trotz aller Sparsamkeit nicht zum Leben, und die ersten Briefe aus Würzburg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/155>, abgerufen am 21.06.2024.