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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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weinend zu ihr kam und sich beklagte, daß die Hofjungen gesagt hätten, seine
Frau Mutter wäre eine Zauberin und der Brandstifter wäre ihr Hexenmeister
gewesen, ersuhr sie von dem Geraume. Ihre Antwort war, daß sie dem Junker
Josias, trotz seiner dreizehn Jahre, eine Ohrfeige gab, die dieser dann in größter
Eile weiter verabfolgte. Die Hofjungen hatten einen bösen Tag und die Weiber
verkrochen sich. Deswegen aber schwirrte das Gerücht doch weiter und Heilwig
merkte plötzlich, das; auch ihre Mägde finstere Mienen aufsetzten.

Es war gut, daß Herr Josias bald auf den Hof sprengte, sich vom Vogt
Bericht erstatten ließ, seine Befehle gab und dann seine Gemahlin begrüßen
wollte. Seine beiden Junker hingen sich aber an ihn und erzählten alles.
Vom Feuer, vom Hexenmeister, von dem abscheulichen Gerücht, das auf dem
Hofe umlief.

Der edle Herr war ohnehin übler Laune. Aus fröhlicher Jagdgesellschaft
durch eine Hiobsbotschaft aufgeschreckt zu werden, ist niemals angenehm, wenn
aber dann noch sonderbare Geschichten dazukommen, ist der Zorn nicht mehr weit.

Finster stand der Schloßherr vor Frau Heilwig.

"Sie sagen, Ihr hättet dem Filou seine Freiheit geben wollen, obgleich
er Euch anfiel!"

"Es war der Stadtschreiber von ManenI" entgegnete sie. Auch ihre Augen
waren finster geworden.

"Der Stadtschreiber von Manen -- was soll mir der?"

"Er hielt mich einst in Gefangenschaft, aber durch des Allmächtigen Gnade
konnte er mir nichts anhaben."

"Und den Spitzbuben wolltet Ihr in Freiheit setzen? Seht, was er uns
anrichtete. Wir haben argen Schaden und der Verbrecher läuft frei umher
und kann noch mehr anstiften I"

"Ich handelte vielleicht nicht richtig, aber ich dachte alter Zeiten, und wie
er mir damals doch nicht schadete, sondern nützte, indem er --" Herr Josias
stampfte mit dem Fuße auf. "Was scheren mich die alten Zeiten? Ein Unfug
ist es, dummen Träumen nachzuhängen. Die Leibeigenen sagen, Ihr seid eine
Hexe und steht mit dem Elenden, der hier ansteckte, im Bunde!"

"Glaubt Ihr das?" Frau Heilwig richtete sich hoch auf und ihre Augen
flammten. Herr Josias ärgerte sich selbst über seine Worte, aber, da er sie
gesagt hatte, wollte er sie nicht zurücknehmen. Im Gegenteil, er wurde noch
heftiger und wiederholte seine Worte.

"Was kümmert mich die alte Zeit, was der elende Stadtschreiber, nichts
will ich mehr davon hören! Habt Ihr mich verstanden?"

"Ohne die alte Zeit wäret Ihr schwerlich mein Gemahl geworden, Herr
Josias, und ich meine, die Erbtochter von Sehestedt hätte auch jemanden anders
wählen können! Einen, der sie nicht soviel allein läßt, auf die Jagd reitet
und sich kaum mehr um sie bekümmert. Einen, der nicht gleich voll dummen


weinend zu ihr kam und sich beklagte, daß die Hofjungen gesagt hätten, seine
Frau Mutter wäre eine Zauberin und der Brandstifter wäre ihr Hexenmeister
gewesen, ersuhr sie von dem Geraume. Ihre Antwort war, daß sie dem Junker
Josias, trotz seiner dreizehn Jahre, eine Ohrfeige gab, die dieser dann in größter
Eile weiter verabfolgte. Die Hofjungen hatten einen bösen Tag und die Weiber
verkrochen sich. Deswegen aber schwirrte das Gerücht doch weiter und Heilwig
merkte plötzlich, das; auch ihre Mägde finstere Mienen aufsetzten.

Es war gut, daß Herr Josias bald auf den Hof sprengte, sich vom Vogt
Bericht erstatten ließ, seine Befehle gab und dann seine Gemahlin begrüßen
wollte. Seine beiden Junker hingen sich aber an ihn und erzählten alles.
Vom Feuer, vom Hexenmeister, von dem abscheulichen Gerücht, das auf dem
Hofe umlief.

Der edle Herr war ohnehin übler Laune. Aus fröhlicher Jagdgesellschaft
durch eine Hiobsbotschaft aufgeschreckt zu werden, ist niemals angenehm, wenn
aber dann noch sonderbare Geschichten dazukommen, ist der Zorn nicht mehr weit.

Finster stand der Schloßherr vor Frau Heilwig.

„Sie sagen, Ihr hättet dem Filou seine Freiheit geben wollen, obgleich
er Euch anfiel!"

„Es war der Stadtschreiber von ManenI" entgegnete sie. Auch ihre Augen
waren finster geworden.

„Der Stadtschreiber von Manen — was soll mir der?"

„Er hielt mich einst in Gefangenschaft, aber durch des Allmächtigen Gnade
konnte er mir nichts anhaben."

„Und den Spitzbuben wolltet Ihr in Freiheit setzen? Seht, was er uns
anrichtete. Wir haben argen Schaden und der Verbrecher läuft frei umher
und kann noch mehr anstiften I"

„Ich handelte vielleicht nicht richtig, aber ich dachte alter Zeiten, und wie
er mir damals doch nicht schadete, sondern nützte, indem er —" Herr Josias
stampfte mit dem Fuße auf. „Was scheren mich die alten Zeiten? Ein Unfug
ist es, dummen Träumen nachzuhängen. Die Leibeigenen sagen, Ihr seid eine
Hexe und steht mit dem Elenden, der hier ansteckte, im Bunde!"

„Glaubt Ihr das?" Frau Heilwig richtete sich hoch auf und ihre Augen
flammten. Herr Josias ärgerte sich selbst über seine Worte, aber, da er sie
gesagt hatte, wollte er sie nicht zurücknehmen. Im Gegenteil, er wurde noch
heftiger und wiederholte seine Worte.

„Was kümmert mich die alte Zeit, was der elende Stadtschreiber, nichts
will ich mehr davon hören! Habt Ihr mich verstanden?"

„Ohne die alte Zeit wäret Ihr schwerlich mein Gemahl geworden, Herr
Josias, und ich meine, die Erbtochter von Sehestedt hätte auch jemanden anders
wählen können! Einen, der sie nicht soviel allein läßt, auf die Jagd reitet
und sich kaum mehr um sie bekümmert. Einen, der nicht gleich voll dummen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/142>, abgerufen am 22.06.2024.