Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Reichsspiegcl ist. Kein Entgegenkommen wird ihre Begehrlichkeit sättigen und keine Regierung Wir wollen an unserer Spitze nicht Männer der harten Faust, aber wir Reichsspiegcl ist. Kein Entgegenkommen wird ihre Begehrlichkeit sättigen und keine Regierung Wir wollen an unserer Spitze nicht Männer der harten Faust, aber wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0583" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328049"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegcl</fw><lb/> <p xml:id="ID_2706" prev="#ID_2705"> ist. Kein Entgegenkommen wird ihre Begehrlichkeit sättigen und keine Regierung<lb/> wird hier in Frieden mit ihr leben können, bis sie nicht selbst das Heft in festen<lb/> Händen hält. Was also wird man unter solchen Umständen von der ver¬<lb/> heißenen Selbsthilfe des elsaß - lothringischen Volkes zu erwarten haben? Es<lb/> gilt die Probe, wenn erst mal die neue Landesregierung ihre Plätze voll besetzt<lb/> haben wird. Vor der Hand beobachten die Hetzer im Lande eine vorsichtig<lb/> abwartende Haltung; gegen altdeutsche Störenfriede aber hat sich jüngst auf<lb/> eine aus der Mitte der Zeutrumsfraktion unseres Landtages hervorgegangene<lb/> Anregung eine Liga zur Verteidigung Elsaß-Lothringens gebildet, der auch Ein¬<lb/> gewanderte von hohem Ansehen beigetreten sind. Es wird sich noch erst zeigen<lb/> müssen, welcher Geist hier vorherrscht; der rechte Geist des Friedens wird es<lb/> nur dann sein, wenn er mit gleichem Nachdruck auch den Feind im eigenen<lb/> Lande zu bekämpfen sich anschickt; denn dieser ist doch noch der schlimmere<lb/> und hat den anderen erst auf den Kampfplatz gerufen. Soll es<lb/> nicht rückwärts gehen mit der inneren Ruhe und Wohlfahrt des Landes,<lb/> so muß entschlossen gehandelt werden, und es gilt, die Augen offen<lb/> zu halten. Nicht allein lärmende Vorgänge mahnen zur Abhilfe. Wer<lb/> stilles Werden aufmerksam beobachtet, dem gibt noch manches zur Be¬<lb/> sorgnis Anlaß. Auf der Jugend beruht die Zukunft des Landes; das weiß<lb/> niemand besser zu würdigen und folgerichtiger zu verwerten, als der Klerika¬<lb/> lismus. Daher vor allem sein erbitterter Kampf gegen den elsaß-lothringischen<lb/> Lehrerverein. Was ist getan worden, um unsere tapferen Volksschullehrer in<lb/> diesem Kampfe, in des Reiches wichtigster Angelegenheit zu schützen und zu<lb/> fördern? Und sieht man nicht oder will man nicht sehen, wie langsam, aber<lb/> sicher klerikaler Geist mit seinem unvermeidlich nationalistischen Einschlag in<lb/> unser höheres Schulwesen sich einschiebt? Man vergleiche nur einmal aufmerksam<lb/> die letztjährigen Listen der akademisch gebildeten Lehrer des Reichslandes mit<lb/> solchen alter Jahrgänge, und man wird die Gefahr einer sicher fortschreitenden<lb/> Klerikalisterung unserer Oberlehrerschaft nicht verkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2707" next="#ID_2708"> Wir wollen an unserer Spitze nicht Männer der harten Faust, aber wir<lb/> brauchen einsichtsvolle, starke, unerschrockene Männer, und wir brauchen deutsche<lb/> Männer, deutsch in Gesinnung und in Sprache. Volk und Volksvertretung<lb/> aber sollen zeigen, daß sie solche Männer zu schätzen wissen. Das erfordert<lb/> freilich auch auf dieser Seite Selbstbesinnung und Selbstzucht. Man kann doch<lb/> nicht verkennen, daß das im Eingang geschilderte „demokratische" Gefühl engerer<lb/> Zusammengehörigkeit innerhalb unserer altelsässtschen Bevölkerung sich auch in<lb/> Wirkungen äußert, die das so dringend notwendige Einvernehmen zwischen Volk<lb/> und Regierung erschweren. Es ist ein ungemein empfindsamer, reizbarer<lb/> Organismus, der, wo auch immer mal ein Druck, ein Schlag, ein Stich ihn<lb/> trifft, sogleich an allen Gliedern schmerzlich zusammenzuckt. Das hat im<lb/> Zaberner Fall seine Berechtigung gehabt und der ganze deutsche Reichskörper<lb/> hat angemalt; aber solche Zuckungen haben sich auch da bemerkbar gemacht,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0583]
Reichsspiegcl
ist. Kein Entgegenkommen wird ihre Begehrlichkeit sättigen und keine Regierung
wird hier in Frieden mit ihr leben können, bis sie nicht selbst das Heft in festen
Händen hält. Was also wird man unter solchen Umständen von der ver¬
heißenen Selbsthilfe des elsaß - lothringischen Volkes zu erwarten haben? Es
gilt die Probe, wenn erst mal die neue Landesregierung ihre Plätze voll besetzt
haben wird. Vor der Hand beobachten die Hetzer im Lande eine vorsichtig
abwartende Haltung; gegen altdeutsche Störenfriede aber hat sich jüngst auf
eine aus der Mitte der Zeutrumsfraktion unseres Landtages hervorgegangene
Anregung eine Liga zur Verteidigung Elsaß-Lothringens gebildet, der auch Ein¬
gewanderte von hohem Ansehen beigetreten sind. Es wird sich noch erst zeigen
müssen, welcher Geist hier vorherrscht; der rechte Geist des Friedens wird es
nur dann sein, wenn er mit gleichem Nachdruck auch den Feind im eigenen
Lande zu bekämpfen sich anschickt; denn dieser ist doch noch der schlimmere
und hat den anderen erst auf den Kampfplatz gerufen. Soll es
nicht rückwärts gehen mit der inneren Ruhe und Wohlfahrt des Landes,
so muß entschlossen gehandelt werden, und es gilt, die Augen offen
zu halten. Nicht allein lärmende Vorgänge mahnen zur Abhilfe. Wer
stilles Werden aufmerksam beobachtet, dem gibt noch manches zur Be¬
sorgnis Anlaß. Auf der Jugend beruht die Zukunft des Landes; das weiß
niemand besser zu würdigen und folgerichtiger zu verwerten, als der Klerika¬
lismus. Daher vor allem sein erbitterter Kampf gegen den elsaß-lothringischen
Lehrerverein. Was ist getan worden, um unsere tapferen Volksschullehrer in
diesem Kampfe, in des Reiches wichtigster Angelegenheit zu schützen und zu
fördern? Und sieht man nicht oder will man nicht sehen, wie langsam, aber
sicher klerikaler Geist mit seinem unvermeidlich nationalistischen Einschlag in
unser höheres Schulwesen sich einschiebt? Man vergleiche nur einmal aufmerksam
die letztjährigen Listen der akademisch gebildeten Lehrer des Reichslandes mit
solchen alter Jahrgänge, und man wird die Gefahr einer sicher fortschreitenden
Klerikalisterung unserer Oberlehrerschaft nicht verkennen.
Wir wollen an unserer Spitze nicht Männer der harten Faust, aber wir
brauchen einsichtsvolle, starke, unerschrockene Männer, und wir brauchen deutsche
Männer, deutsch in Gesinnung und in Sprache. Volk und Volksvertretung
aber sollen zeigen, daß sie solche Männer zu schätzen wissen. Das erfordert
freilich auch auf dieser Seite Selbstbesinnung und Selbstzucht. Man kann doch
nicht verkennen, daß das im Eingang geschilderte „demokratische" Gefühl engerer
Zusammengehörigkeit innerhalb unserer altelsässtschen Bevölkerung sich auch in
Wirkungen äußert, die das so dringend notwendige Einvernehmen zwischen Volk
und Regierung erschweren. Es ist ein ungemein empfindsamer, reizbarer
Organismus, der, wo auch immer mal ein Druck, ein Schlag, ein Stich ihn
trifft, sogleich an allen Gliedern schmerzlich zusammenzuckt. Das hat im
Zaberner Fall seine Berechtigung gehabt und der ganze deutsche Reichskörper
hat angemalt; aber solche Zuckungen haben sich auch da bemerkbar gemacht,
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