Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Ausnahme der oben zitierten Bestimmung: So ist eS Wohl gekommen, daß mangels Prozesse ausgeführt: "Es würde mit gesunden Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Ausnahme der oben zitierten Bestimmung: So ist eS Wohl gekommen, daß mangels Prozesse ausgeführt: „Es würde mit gesunden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327524"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_147" prev="#ID_146"> Ausnahme der oben zitierten Bestimmung:<lb/> „Wer bei sonst ungestörtem Gebrauch seines<lb/> Verstandes gewisse Religionshandlungen..<lb/> Natürlich fühlten die Wöllner und Bischofs¬<lb/> werder die gegen sie gerichtete Spitze heraus,<lb/> und so strich der Fustiznrinister Goldbeck, auch<lb/> ein Rosenkreuzer, bei der Einführung des<lb/> Allgemeinen Landrechts die oben angegebenen<lb/> Paragraphen.</p> <p xml:id="ID_148" next="#ID_149"> So ist eS Wohl gekommen, daß mangels<lb/> eines Vorbildes eine solche Bestimmung auch<lb/> in dem Preußischen Strafgesetzbuche bon 1851<lb/> keinen Platz fand, und da sie dort fehlte, ist<lb/> auch keine in das geltende ReichSstrafgesetz-<lb/> buch übernommen worden. Aber ich meine,<lb/> daß wir jetzt bei Schaffung eines neuen<lb/> Strafgesetzbuches das Versäumte nachholen<lb/> müssen; denn die von England und Amerika<lb/> herübergekommene Christian Science und die<lb/> Wahrsagerei, die in den höchsten wie in den<lb/> niedrigsten Ständen grassiert, sie mahnen uns,<lb/> unser Volk vor der gefährlichen geistigen In¬<lb/> fektion des Aberglaubens zu bewahren. Zu¬<lb/> treffend hat das Landgericht III in einem um<lb/> dos Honorar von Gesundbetern geführten</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_149" prev="#ID_148" next="#ID_150"> Prozesse ausgeführt: „Es würde mit gesunden<lb/> sozialen Zuständen völlig unvereinbar sein,<lb/> wenn der gewerbsmäßige Abschluß von Ver¬<lb/> trägen rechtliche Anerkennung fände, bei denen<lb/> der Vertragswille der Parteien darauf ge¬<lb/> richtet ist, daß die eine Partei gegen feste<lb/> Bezahlung ihr angeblich besonders enges Ver¬<lb/> hältnis zu Gott benutzen soll, um einen an¬<lb/> geblichen Eingriff übersinnlicher Kräfte in das<lb/> Leben der anderen Partei herbeizuführen.<lb/> Der Glaube, daß jemand kraft besonderer<lb/> göttlicher Gnade in der Lage sei, die Kranken<lb/> zu heilen, mag in mehr oder minder breiten<lb/> Kreisen bestehen, die Anmaßung einer solchen<lb/> Heilkraft aber in Verbindung mit der Aus¬<lb/> übung eines auf diese Heilkraft sich grün¬<lb/> denden, den Gelderwerb bezweckenden Ge¬<lb/> werbebetriebes widerstreitet dem allgemeinen<lb/> Sittlichkeitsempfinoen, zum mindesten der ge¬<lb/> bildeten Kreise als der Kulturträger, und<lb/> kann daher rechtlichen Schutz nicht genießen.<lb/> Außerdem erscheint das öffentliche Interesse<lb/> an einer geregelten Gesundheitspflege im<lb/> Volke dadurch gefährdet, daß durch den Einfluß<lb/> der „Christian Science" Kranke der such-</p> <cb type="end"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ausnahme der oben zitierten Bestimmung:
„Wer bei sonst ungestörtem Gebrauch seines
Verstandes gewisse Religionshandlungen..
Natürlich fühlten die Wöllner und Bischofs¬
werder die gegen sie gerichtete Spitze heraus,
und so strich der Fustiznrinister Goldbeck, auch
ein Rosenkreuzer, bei der Einführung des
Allgemeinen Landrechts die oben angegebenen
Paragraphen.
So ist eS Wohl gekommen, daß mangels
eines Vorbildes eine solche Bestimmung auch
in dem Preußischen Strafgesetzbuche bon 1851
keinen Platz fand, und da sie dort fehlte, ist
auch keine in das geltende ReichSstrafgesetz-
buch übernommen worden. Aber ich meine,
daß wir jetzt bei Schaffung eines neuen
Strafgesetzbuches das Versäumte nachholen
müssen; denn die von England und Amerika
herübergekommene Christian Science und die
Wahrsagerei, die in den höchsten wie in den
niedrigsten Ständen grassiert, sie mahnen uns,
unser Volk vor der gefährlichen geistigen In¬
fektion des Aberglaubens zu bewahren. Zu¬
treffend hat das Landgericht III in einem um
dos Honorar von Gesundbetern geführten
Prozesse ausgeführt: „Es würde mit gesunden
sozialen Zuständen völlig unvereinbar sein,
wenn der gewerbsmäßige Abschluß von Ver¬
trägen rechtliche Anerkennung fände, bei denen
der Vertragswille der Parteien darauf ge¬
richtet ist, daß die eine Partei gegen feste
Bezahlung ihr angeblich besonders enges Ver¬
hältnis zu Gott benutzen soll, um einen an¬
geblichen Eingriff übersinnlicher Kräfte in das
Leben der anderen Partei herbeizuführen.
Der Glaube, daß jemand kraft besonderer
göttlicher Gnade in der Lage sei, die Kranken
zu heilen, mag in mehr oder minder breiten
Kreisen bestehen, die Anmaßung einer solchen
Heilkraft aber in Verbindung mit der Aus¬
übung eines auf diese Heilkraft sich grün¬
denden, den Gelderwerb bezweckenden Ge¬
werbebetriebes widerstreitet dem allgemeinen
Sittlichkeitsempfinoen, zum mindesten der ge¬
bildeten Kreise als der Kulturträger, und
kann daher rechtlichen Schutz nicht genießen.
Außerdem erscheint das öffentliche Interesse
an einer geregelten Gesundheitspflege im
Volke dadurch gefährdet, daß durch den Einfluß
der „Christian Science" Kranke der such-
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