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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen

gewesen, die ihr Auge offen hielt über unsere Stadt, daß sie vom Franzosen
erlöst wurde, der, Gott wolle es geben, nit wiederkommen mag!"

Hier lächelte der gefangene Franzose und auch Hans Adolf hob die Schultern.
Ehe er antworten konnte, trat der Staatsrat vor und verbeugte sich tief.

"Fürstliche Gnade, was dieser Pfaff sagt, hat keine Bedeutung. Mag der
Junker eine Historie schreiben, von wem er will -- wird er aber mein Eidam,
dann muß er lutherisch werden und mit uns kommen!"

So kam Rede und Widerrede im Rathaus zu Manen, und es war ein
Glück, daß einer der Welfenherzöge auf den Marktplatz geritten kam und sein
Fußvolk sowie die Reiterei zu sehen wünschte. Da war es mit der Unter¬
haltung vorbei und Hans Adolf war es sehr recht. Mit einem Staatsrat des
Königs von Dänemark, seines Oberherrn, wollte er sich ungern erzürnen und
in Wahrheit wußte er auch nicht, was er zu dieser heiklen Geschichte sagen sollte.

Der aber, über den gesprochen wurde, lag auf seinem Lager in seinem
eigenen kleinen Häuschen. Bursch wachte vor der Tür und nagte an einem auf
der Straße gefundenen Knochen, während Kätha dem Junker einen stärkenden
Trank an die Lippen setzte und dazu immer sprach. Denn sie war noch sehr
aufgeregt von allen Erlebnissen und hatte außerdem so viel von anderen erfahren,
die auch etwas erlebt hatten, daß sie nicht mehr genau wußte, ob sie von sich
selbst berichtete, oder von den anderen.

"Bei allen Heiligen, Junker, ich Habs nit geglaubt, noch am Leben zu
bleiben! Unser Schwein nahmen die Franzen und dann wollten sie Wein
haben, und als der Vater nichts gab, stießen sie ihn in den tiefen Keller. Und
vorher die Hexe! Nach Schwefel hat es sicher gerochen und nun ist sie wieder
da, und ich glaube, sie wird Euer Frau Gemahl! Viele Gebete will ich sprechen,
und es wird den Heiligen vielleicht nit gar so arg sein, da sie doch ihren
schlechten Glauben abschwören muß. Ach, und dann die Braunschweiger I Der
Herr Stadtschreiber wollte die Franzosen haben und hat die Grill zu ihnen
gesandt. Sie hat Geld gekriegt und er sicherlich noch viel mehr! Und ich hab
es bei meiner Seligkeit nicht gewußt, daß hinter dem Schweinskoben noch ein
Gang lief. Der Vater muß Euch hineingetan haben, als ich nit da war.
Es ist ihm jetzt bitterlich leid, aber er muß der Obrigkeit gehorchen. Und dann
ist er an ein Faß Wein gekommen, das die Franzosen vom Wagen verloren,
und hat wohl jeden Tag davon genommen, daß er nicht mehr Eurer dachte. Was
Ihr ihm nicht nachtragen müßt, da er Euch doch immer sehr lieb hatte. Nun
werden auch gute Zeiten für Euch kommen, Junker, denn die Jungfrau soll viel
Schätze haben und in diesem kleinen Hause könnt Ihr nicht bleiben, wenn Ihr
sie heimführt!"

So redete Kätha und berichtete dann von dem Wüten der Soldaten, von
Feuer, Mord und Plünderung, während Sebastian still auf seinem Bette lag.
Von dem Augenblick an, da Heilwig ihn durchs Mauerloch verließ, war er
kaum mehr zur Besinnung gekommen. Schon am andern Morgen, als es kund


Die Hexe von Mayen

gewesen, die ihr Auge offen hielt über unsere Stadt, daß sie vom Franzosen
erlöst wurde, der, Gott wolle es geben, nit wiederkommen mag!"

Hier lächelte der gefangene Franzose und auch Hans Adolf hob die Schultern.
Ehe er antworten konnte, trat der Staatsrat vor und verbeugte sich tief.

„Fürstliche Gnade, was dieser Pfaff sagt, hat keine Bedeutung. Mag der
Junker eine Historie schreiben, von wem er will — wird er aber mein Eidam,
dann muß er lutherisch werden und mit uns kommen!"

So kam Rede und Widerrede im Rathaus zu Manen, und es war ein
Glück, daß einer der Welfenherzöge auf den Marktplatz geritten kam und sein
Fußvolk sowie die Reiterei zu sehen wünschte. Da war es mit der Unter¬
haltung vorbei und Hans Adolf war es sehr recht. Mit einem Staatsrat des
Königs von Dänemark, seines Oberherrn, wollte er sich ungern erzürnen und
in Wahrheit wußte er auch nicht, was er zu dieser heiklen Geschichte sagen sollte.

Der aber, über den gesprochen wurde, lag auf seinem Lager in seinem
eigenen kleinen Häuschen. Bursch wachte vor der Tür und nagte an einem auf
der Straße gefundenen Knochen, während Kätha dem Junker einen stärkenden
Trank an die Lippen setzte und dazu immer sprach. Denn sie war noch sehr
aufgeregt von allen Erlebnissen und hatte außerdem so viel von anderen erfahren,
die auch etwas erlebt hatten, daß sie nicht mehr genau wußte, ob sie von sich
selbst berichtete, oder von den anderen.

„Bei allen Heiligen, Junker, ich Habs nit geglaubt, noch am Leben zu
bleiben! Unser Schwein nahmen die Franzen und dann wollten sie Wein
haben, und als der Vater nichts gab, stießen sie ihn in den tiefen Keller. Und
vorher die Hexe! Nach Schwefel hat es sicher gerochen und nun ist sie wieder
da, und ich glaube, sie wird Euer Frau Gemahl! Viele Gebete will ich sprechen,
und es wird den Heiligen vielleicht nit gar so arg sein, da sie doch ihren
schlechten Glauben abschwören muß. Ach, und dann die Braunschweiger I Der
Herr Stadtschreiber wollte die Franzosen haben und hat die Grill zu ihnen
gesandt. Sie hat Geld gekriegt und er sicherlich noch viel mehr! Und ich hab
es bei meiner Seligkeit nicht gewußt, daß hinter dem Schweinskoben noch ein
Gang lief. Der Vater muß Euch hineingetan haben, als ich nit da war.
Es ist ihm jetzt bitterlich leid, aber er muß der Obrigkeit gehorchen. Und dann
ist er an ein Faß Wein gekommen, das die Franzosen vom Wagen verloren,
und hat wohl jeden Tag davon genommen, daß er nicht mehr Eurer dachte. Was
Ihr ihm nicht nachtragen müßt, da er Euch doch immer sehr lieb hatte. Nun
werden auch gute Zeiten für Euch kommen, Junker, denn die Jungfrau soll viel
Schätze haben und in diesem kleinen Hause könnt Ihr nicht bleiben, wenn Ihr
sie heimführt!"

So redete Kätha und berichtete dann von dem Wüten der Soldaten, von
Feuer, Mord und Plünderung, während Sebastian still auf seinem Bette lag.
Von dem Augenblick an, da Heilwig ihn durchs Mauerloch verließ, war er
kaum mehr zur Besinnung gekommen. Schon am andern Morgen, als es kund


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/569>, abgerufen am 01.01.2025.