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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Bismarck und Prokesch-Gsten

nur in schwerem inneren Kampfe hat abringen können. Darf doch der Verfasser
von sich sagen, daß er, der die Großtaten Bismarcks zumeist noch selbst sich hat
vollziehen sehen, allezeit zu den ehrlichsten und tatbereiteste" Bewunderern unseres
nationalen Heros gehört hat, dem es eine Freude gewesen ist, so manchen
Strauß für Bismarck durchzufechten, ehe es ihm jetzt auferlegt wird, auch einmal
gegen ihn die Dinge freimütig bei Namen zu nennen. Aber es ist einmal nicht
anders: als Politiker und als nationaler Mann unbedingter Bewunderer und
Gefolgsmann Bismarcks, so zwar, daß ich einen anderen Standpunkt überhaupt
gar nicht zu begreifen vermag, habe ich dagegen als Forscher einzig der Wahr¬
heit zu dienen, durch welche selbst die Bewunderung gezügelt und, in die rechten
Wege gelenkt sein will, wenn sie unter Umständen nicht Unheil statt Heil
stiften soll.

So durfte denn auch alle Ehrfurcht, die ich der Größe von Bismarcks
Namen und Taten zolle, mich nicht abhalten, zu bekennen, daß wir es im vor¬
liegenden Falle nicht nur mit dem Großen, sondern zum guten Teile mit dem
Kleinen in ihm zu tun haben, mit Ausflüssen jener furchtbaren Eigenschaften,
jener dämonischen Beimischungen seines Wesens, die keiner in ihm verkennen
wird, und die gerade im Kampfe mit Gegnern wie Prokesch am peinvollsten
zutage treten.

Trachten wir denn in vollster Ruhe und Unbefangenheit hier Wahrheit
und Klarheit zu schaffen, den wahren Kern in Bismarcks Anklagen aufzudecken,
dann aber, darüber hinaus, auch Prokesch Gerechtigkeit zu verschaffen").

(Fortsetzung folgt)





") An Literatur kommt für die folgende Arbeit vorwiegend in Betracht: von Bismarck-
scher Seite das vierhändige Werk von Poschinger "Preußen im Bundestage" (Leipzig 1882
bis 1884), sowie die verschiedenen Bismarckschen Briefwechsel, in erster Linie die "Briefe an
den General Leopold von Gerlach, herausgegeben von Horst Kohl", Berlin 1396, und die
Briefe Gerlachs an Bismarck, herausgegeben von demselben, Stuttgart 1912, die "Tagebuch¬
blätter" von Moritz Busch, Band 1, 2, Leipzig 1899, und einzelnes andere aus der Bismarck-
literatur, das dann an seinem Ort namhaft gemacht ist, So vor allem auch das ausgezeichnete
Buch von Max Lenz "Geschichte Bismarcks" (2, Auflage, Leipzig 1902). Von der Gegenseite die Schriften und Briefwechsel ProkeschS, insbesondere die Haupt¬
veröffentlichung "Aus den Briefen des Grafen Prokesch von Osten 1849 bis 1865", Wien 1896.
Mehrfach verwertet und herangezogen sind endlich die Werke von Heinrich von Sybel
über "Die Begründung des Deutschen Reiches" (Band 1, 2) und Friedjung "Der Kampf
um die Vorherrschaft in Deutschland", Band I, Stuttgart 1897, und "Osterreich von 1848
bis 1860", Band II, 1. Stuttgart und Berlin 1912.
Bismarck und Prokesch-Gsten

nur in schwerem inneren Kampfe hat abringen können. Darf doch der Verfasser
von sich sagen, daß er, der die Großtaten Bismarcks zumeist noch selbst sich hat
vollziehen sehen, allezeit zu den ehrlichsten und tatbereiteste» Bewunderern unseres
nationalen Heros gehört hat, dem es eine Freude gewesen ist, so manchen
Strauß für Bismarck durchzufechten, ehe es ihm jetzt auferlegt wird, auch einmal
gegen ihn die Dinge freimütig bei Namen zu nennen. Aber es ist einmal nicht
anders: als Politiker und als nationaler Mann unbedingter Bewunderer und
Gefolgsmann Bismarcks, so zwar, daß ich einen anderen Standpunkt überhaupt
gar nicht zu begreifen vermag, habe ich dagegen als Forscher einzig der Wahr¬
heit zu dienen, durch welche selbst die Bewunderung gezügelt und, in die rechten
Wege gelenkt sein will, wenn sie unter Umständen nicht Unheil statt Heil
stiften soll.

So durfte denn auch alle Ehrfurcht, die ich der Größe von Bismarcks
Namen und Taten zolle, mich nicht abhalten, zu bekennen, daß wir es im vor¬
liegenden Falle nicht nur mit dem Großen, sondern zum guten Teile mit dem
Kleinen in ihm zu tun haben, mit Ausflüssen jener furchtbaren Eigenschaften,
jener dämonischen Beimischungen seines Wesens, die keiner in ihm verkennen
wird, und die gerade im Kampfe mit Gegnern wie Prokesch am peinvollsten
zutage treten.

Trachten wir denn in vollster Ruhe und Unbefangenheit hier Wahrheit
und Klarheit zu schaffen, den wahren Kern in Bismarcks Anklagen aufzudecken,
dann aber, darüber hinaus, auch Prokesch Gerechtigkeit zu verschaffen").

(Fortsetzung folgt)





") An Literatur kommt für die folgende Arbeit vorwiegend in Betracht: von Bismarck-
scher Seite das vierhändige Werk von Poschinger „Preußen im Bundestage" (Leipzig 1882
bis 1884), sowie die verschiedenen Bismarckschen Briefwechsel, in erster Linie die „Briefe an
den General Leopold von Gerlach, herausgegeben von Horst Kohl", Berlin 1396, und die
Briefe Gerlachs an Bismarck, herausgegeben von demselben, Stuttgart 1912, die „Tagebuch¬
blätter" von Moritz Busch, Band 1, 2, Leipzig 1899, und einzelnes andere aus der Bismarck-
literatur, das dann an seinem Ort namhaft gemacht ist, So vor allem auch das ausgezeichnete
Buch von Max Lenz „Geschichte Bismarcks" (2, Auflage, Leipzig 1902). Von der Gegenseite die Schriften und Briefwechsel ProkeschS, insbesondere die Haupt¬
veröffentlichung „Aus den Briefen des Grafen Prokesch von Osten 1849 bis 1865", Wien 1896.
Mehrfach verwertet und herangezogen sind endlich die Werke von Heinrich von Sybel
über „Die Begründung des Deutschen Reiches" (Band 1, 2) und Friedjung „Der Kampf
um die Vorherrschaft in Deutschland", Band I, Stuttgart 1897, und „Osterreich von 1848
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/563>, abgerufen am 29.12.2024.