Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Rismarck und Prokesch-Osten "Prokesch ist ein Diamant vom reinsten Wasser," schrieb er kurz nach dessen So entwuchs dann diesem Zusammenarbeiten im Dienste Metternichs bald In den ersten dreißiger Jahren ward Prokesch teils in Wien beschäftigt, Auf ein ganz anderes Feld wurde der inzwischen in den Freiherrnstand Zu Anfang 1853 vertauschte er den Berliner Posten mit dem des Präsi¬ Grenzboten I 1914 35
Rismarck und Prokesch-Osten „Prokesch ist ein Diamant vom reinsten Wasser," schrieb er kurz nach dessen So entwuchs dann diesem Zusammenarbeiten im Dienste Metternichs bald In den ersten dreißiger Jahren ward Prokesch teils in Wien beschäftigt, Auf ein ganz anderes Feld wurde der inzwischen in den Freiherrnstand Zu Anfang 1853 vertauschte er den Berliner Posten mit dem des Präsi¬ Grenzboten I 1914 35
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328023"/> <fw type="header" place="top"> Rismarck und Prokesch-Osten</fw><lb/> <p xml:id="ID_2572" prev="#ID_2571"> „Prokesch ist ein Diamant vom reinsten Wasser," schrieb er kurz nach dessen<lb/> erstem Auftauchen im diplomatischen Felde, „eines der seltenen Genies, die sich<lb/> plötzlich, sast ohne Zwischenstufen, zum höchsten Grade der Brauchbarkeit er¬<lb/> heben. Was aus diesem Menschen in zwei Jahren geworden ist, erscheint mir<lb/> wie ein Wunder. Der Fürst und ich staunen, so ost wir seine Berichte und<lb/> Briefe lesen. Was er in Alexandria geleistet, in zehn verschiedenen Fächern<lb/> geleistet, grenzt ans fabelhafte."</p><lb/> <p xml:id="ID_2573"> So entwuchs dann diesem Zusammenarbeiten im Dienste Metternichs bald<lb/> auch eine innige persönliche Freundschaft der beiden Männer, die bis zum<lb/> Tode Gentzens angedauert und in einem reichen Briefwechsel (2 Bänoe,<lb/> Wien 1881) ihren schönsten Niederschlag gefunden hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2574"> In den ersten dreißiger Jahren ward Prokesch teils in Wien beschäftigt,<lb/> wo sich unter anderem der junge napoleonide, Herzog von Reichstadt, voll Be¬<lb/> geisterung an ihn anschloß, teils vom Fürsten Metternich zu mehrfachen Ver¬<lb/> trauenssendungen benutzt, deren eine ihn abermals nach Ägypten, zwei andere<lb/> ihn nach Italien führten. Eine Reihe von Jahren finden wir ihn sodann als<lb/> österreichischen Gesandten in dem neubegründeten Königreiche der Hellenen, wo<lb/> er politisch sich eine Vertrauensstellung als Mentor und Freund des jugend¬<lb/> lichen Königs Otto zu erringen wußte, persönlich im Verein mit seiner Gattin<lb/> den Mittelpunkt alles geistigen Lebens bildete und eine Fülle von Beziehungen<lb/> einging, aus denen namentlich die mit dem Erzherzog Johann, dem späteren<lb/> Reichsverweser, durch Innigkeit und Dauerhaftigkeit hervorragten. (Der Brief¬<lb/> wechsel beider erschien Stuttgart 1898.)</p><lb/> <p xml:id="ID_2575"> Auf ein ganz anderes Feld wurde der inzwischen in den Freiherrnstand<lb/> und zum Feldmarschalleutnant Erhobene nach den Ereignissen des Revolutions¬<lb/> jahres gerufen, indem Fürst Felix Schwarzenberg, der von Jugend an ihm<lb/> befreundete Neffe des Feldmarschalls, der im November 1848 die aus den<lb/> Fugen gegangene Politik des Kaiserstaates wieder einzurenken unternahm, ihn<lb/> sogleich an eine der entscheidungsvollsten Stellen: nach Berlin entsandte. Hier<lb/> galt es den gewaltigen Vorsprung, den Preußen in der deutschen Sache über<lb/> das niedergeworfene Österreich davongetragen, wettzumachen, den König zu<lb/> hindern, die vom Frankfurter Parlament ihm angetragene Kaiserkrone anzu¬<lb/> nehmen und alsdann die Führerstellung Österreichs gegen Preußens eigene<lb/> Pläne und Entwürfe zu einer Reichsverfassung zu verteidigen. Bei dem darauf¬<lb/> folgenden großen diplomatischen Feldzuge Schwarzenbergs, der nach dem<lb/> Scheitern von Erfurt über Olmütz nach Frankfurt zurückführte, ist Prokesch dessen<lb/> rechte Hand gewesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2576" next="#ID_2577"> Zu Anfang 1853 vertauschte er den Berliner Posten mit dem des Präsi¬<lb/> dialgesandten am Bundestage, wo wir ihm im folgenden eingehender begegnen<lb/> werden. Seine diplomatische Laufbahn endete, wo sie begonnen: im Orient.<lb/> Ungefähr ebenso lange wie einst in Athen hat er jetzt die Habsburgische Mo¬<lb/> narchie noch in Konstantinopel vertreten; 1871 verließ er den Dienst, von der öster-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1914 35</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
Rismarck und Prokesch-Osten
„Prokesch ist ein Diamant vom reinsten Wasser," schrieb er kurz nach dessen
erstem Auftauchen im diplomatischen Felde, „eines der seltenen Genies, die sich
plötzlich, sast ohne Zwischenstufen, zum höchsten Grade der Brauchbarkeit er¬
heben. Was aus diesem Menschen in zwei Jahren geworden ist, erscheint mir
wie ein Wunder. Der Fürst und ich staunen, so ost wir seine Berichte und
Briefe lesen. Was er in Alexandria geleistet, in zehn verschiedenen Fächern
geleistet, grenzt ans fabelhafte."
So entwuchs dann diesem Zusammenarbeiten im Dienste Metternichs bald
auch eine innige persönliche Freundschaft der beiden Männer, die bis zum
Tode Gentzens angedauert und in einem reichen Briefwechsel (2 Bänoe,
Wien 1881) ihren schönsten Niederschlag gefunden hat.
In den ersten dreißiger Jahren ward Prokesch teils in Wien beschäftigt,
wo sich unter anderem der junge napoleonide, Herzog von Reichstadt, voll Be¬
geisterung an ihn anschloß, teils vom Fürsten Metternich zu mehrfachen Ver¬
trauenssendungen benutzt, deren eine ihn abermals nach Ägypten, zwei andere
ihn nach Italien führten. Eine Reihe von Jahren finden wir ihn sodann als
österreichischen Gesandten in dem neubegründeten Königreiche der Hellenen, wo
er politisch sich eine Vertrauensstellung als Mentor und Freund des jugend¬
lichen Königs Otto zu erringen wußte, persönlich im Verein mit seiner Gattin
den Mittelpunkt alles geistigen Lebens bildete und eine Fülle von Beziehungen
einging, aus denen namentlich die mit dem Erzherzog Johann, dem späteren
Reichsverweser, durch Innigkeit und Dauerhaftigkeit hervorragten. (Der Brief¬
wechsel beider erschien Stuttgart 1898.)
Auf ein ganz anderes Feld wurde der inzwischen in den Freiherrnstand
und zum Feldmarschalleutnant Erhobene nach den Ereignissen des Revolutions¬
jahres gerufen, indem Fürst Felix Schwarzenberg, der von Jugend an ihm
befreundete Neffe des Feldmarschalls, der im November 1848 die aus den
Fugen gegangene Politik des Kaiserstaates wieder einzurenken unternahm, ihn
sogleich an eine der entscheidungsvollsten Stellen: nach Berlin entsandte. Hier
galt es den gewaltigen Vorsprung, den Preußen in der deutschen Sache über
das niedergeworfene Österreich davongetragen, wettzumachen, den König zu
hindern, die vom Frankfurter Parlament ihm angetragene Kaiserkrone anzu¬
nehmen und alsdann die Führerstellung Österreichs gegen Preußens eigene
Pläne und Entwürfe zu einer Reichsverfassung zu verteidigen. Bei dem darauf¬
folgenden großen diplomatischen Feldzuge Schwarzenbergs, der nach dem
Scheitern von Erfurt über Olmütz nach Frankfurt zurückführte, ist Prokesch dessen
rechte Hand gewesen.
Zu Anfang 1853 vertauschte er den Berliner Posten mit dem des Präsi¬
dialgesandten am Bundestage, wo wir ihm im folgenden eingehender begegnen
werden. Seine diplomatische Laufbahn endete, wo sie begonnen: im Orient.
Ungefähr ebenso lange wie einst in Athen hat er jetzt die Habsburgische Mo¬
narchie noch in Konstantinopel vertreten; 1871 verließ er den Dienst, von der öster-
Grenzboten I 1914 35
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |