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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Hexe von lNayen

"Ihre Kinder sollen tot sein!" entgegnete Heilwig kühl, aber die andere
schüttelte den Kopf.

"Ich glaube es nicht, das wird ein Hirngespinnst von der Armen gewesen
sein, ihr Geist ist umnachtet worden. Der Stadtschreiber soll ihr ein Tränklein
gegeben haben, damit sie das Gedächtnis verlöre und nichts verraten könnte!"

Heilwig erwiderte nichts. Es tat ihr nicht gerade leid, daß sie Grill
zur Flucht verholfen hatte, aber sie empfand keine Teilnahme für sie. Das
war verständlich, und Frau von Bremer sprach von anderen Dingen.

Vor der Stadt Manen lagen einige Heiligenbilder aufgeschichtet, halb ver¬
brannt und verkohlt, und die Begleiter der Edelfrau fluchten.

"Das sind die Lutherischen, die Teufel aus dem Norden! Unsere Pferde
stehlen sie und unsere Bilder verbrennen sie!"

Heilwig wurde zornig.

"Meint Ihr, die Lutherischen wären gekommen, um Eure Holzbilder um¬
zuwerfen? Ihr habt sie gerufen, damit sie Euch helfen gegen die katholischen
Franzen. Diese werden den Frevel begangen haben, und seht!" -- sie zeigte
"uf einen toten Franzosen, der vor den Bildern lag und noch ein abgebrochenes
Kreuz in der Hand hielt. "Seht Ihr nicht, daß dieser das Feuer ansteckte und
dabei von der Kugel getroffen wurde!"

Die Männer erwiderten nichts aber ihre Mienen blieben finster.

"Es ist unnütz mit diesen Leuten zu reden!" sagte Frau von Bremer be¬
gütigend. "Sie glauben einmal, was sie wollen, und man muß ihrem Un¬
verstand manches zugute halten. Wir, die wir wissen, was die Lutherischen
für uns tun, wir danken ihnen sehr herzlich!"

Die Stadt Manen war erreicht, und einige Reiter kamen ihnen entgegen.
Darunter Josias, der seiner Base zuwinkte.

"Brav, daß Ihr kämet, Base! Es war eine lustige Geschichte und wir
haben uns alle gut dabei unterhalten. Besonders Hans Adolf, der nicht genug
vom Raufen bekommen konnte und noch nach Monreal geritten ist, um die Nach¬
zügler aufzuheben. Er wird schon wiederkehren, wenn er sein Mütchen gekühlt hat!"

Josias hatte einen verbundenen Kopf, und als Daniel Rantzau erschien,
hinkte dieser.

"Es war nur eine Prellkugel?" erklärte er, aber er setzte sich doch auf
eine zerschlagene Trommel, die gerade vor dem Tor lag, und berichtete: "Das
Loch in der Mauer haben wir gefunden, Fräulein, und es war gut, daß es
da war -- meiner Treu, die Kerle standen an den Schießscharten der Tore,
mit brennenden Lunten in der Hand, und paßten scharf auf. Da schickte der
Herzog eine Anzahl Fußtruppen vor, die das Westertor stürmten und die Fran¬
zosen beschäftigten. Mittlerweile schlichen Josias und ich an der Mauer entlang,
dorthin, wo der Efeu so dicht wuchs, daß man die Mauer nicht sehen konnte.
Da haben wir das Loch gefunden, haben Balken über den Graben gelegt und
waren schneller in der Stadt, als die Franzleute ahnten. Es war sehr lustig!"


33*
Die Hexe von lNayen

„Ihre Kinder sollen tot sein!" entgegnete Heilwig kühl, aber die andere
schüttelte den Kopf.

„Ich glaube es nicht, das wird ein Hirngespinnst von der Armen gewesen
sein, ihr Geist ist umnachtet worden. Der Stadtschreiber soll ihr ein Tränklein
gegeben haben, damit sie das Gedächtnis verlöre und nichts verraten könnte!"

Heilwig erwiderte nichts. Es tat ihr nicht gerade leid, daß sie Grill
zur Flucht verholfen hatte, aber sie empfand keine Teilnahme für sie. Das
war verständlich, und Frau von Bremer sprach von anderen Dingen.

Vor der Stadt Manen lagen einige Heiligenbilder aufgeschichtet, halb ver¬
brannt und verkohlt, und die Begleiter der Edelfrau fluchten.

„Das sind die Lutherischen, die Teufel aus dem Norden! Unsere Pferde
stehlen sie und unsere Bilder verbrennen sie!"

Heilwig wurde zornig.

„Meint Ihr, die Lutherischen wären gekommen, um Eure Holzbilder um¬
zuwerfen? Ihr habt sie gerufen, damit sie Euch helfen gegen die katholischen
Franzen. Diese werden den Frevel begangen haben, und seht!" — sie zeigte
«uf einen toten Franzosen, der vor den Bildern lag und noch ein abgebrochenes
Kreuz in der Hand hielt. „Seht Ihr nicht, daß dieser das Feuer ansteckte und
dabei von der Kugel getroffen wurde!"

Die Männer erwiderten nichts aber ihre Mienen blieben finster.

„Es ist unnütz mit diesen Leuten zu reden!" sagte Frau von Bremer be¬
gütigend. „Sie glauben einmal, was sie wollen, und man muß ihrem Un¬
verstand manches zugute halten. Wir, die wir wissen, was die Lutherischen
für uns tun, wir danken ihnen sehr herzlich!"

Die Stadt Manen war erreicht, und einige Reiter kamen ihnen entgegen.
Darunter Josias, der seiner Base zuwinkte.

„Brav, daß Ihr kämet, Base! Es war eine lustige Geschichte und wir
haben uns alle gut dabei unterhalten. Besonders Hans Adolf, der nicht genug
vom Raufen bekommen konnte und noch nach Monreal geritten ist, um die Nach¬
zügler aufzuheben. Er wird schon wiederkehren, wenn er sein Mütchen gekühlt hat!"

Josias hatte einen verbundenen Kopf, und als Daniel Rantzau erschien,
hinkte dieser.

„Es war nur eine Prellkugel?" erklärte er, aber er setzte sich doch auf
eine zerschlagene Trommel, die gerade vor dem Tor lag, und berichtete: „Das
Loch in der Mauer haben wir gefunden, Fräulein, und es war gut, daß es
da war — meiner Treu, die Kerle standen an den Schießscharten der Tore,
mit brennenden Lunten in der Hand, und paßten scharf auf. Da schickte der
Herzog eine Anzahl Fußtruppen vor, die das Westertor stürmten und die Fran¬
zosen beschäftigten. Mittlerweile schlichen Josias und ich an der Mauer entlang,
dorthin, wo der Efeu so dicht wuchs, daß man die Mauer nicht sehen konnte.
Da haben wir das Loch gefunden, haben Balken über den Graben gelegt und
waren schneller in der Stadt, als die Franzleute ahnten. Es war sehr lustig!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/527>, abgerufen am 04.01.2025.