Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.?in Rnmänenfrage in Ungarn den magyarischen Schulen in Aussicht stellt. Damit wird es natürlich nicht Ein paar Worte wären noch über die Rückwirkungen zu sagen, die das ?in Rnmänenfrage in Ungarn den magyarischen Schulen in Aussicht stellt. Damit wird es natürlich nicht Ein paar Worte wären noch über die Rückwirkungen zu sagen, die das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327965"/> <fw type="header" place="top"> ?in Rnmänenfrage in Ungarn</fw><lb/> <p xml:id="ID_2333" prev="#ID_2332"> den magyarischen Schulen in Aussicht stellt. Damit wird es natürlich nicht<lb/> getan sein; denn wenn man bedenkt, daß schließlich auch in einem Kultur¬<lb/> staate das Ergebnis des Vollsschulunterrichts nicht viel mehr sein kann, als<lb/> daß die Absolventen fließend lesen, annähernd richtig schreiben und so viel<lb/> rechnen können, als dem Bedürfnis des gewöhnlichen Lebens genügt, so erkennt<lb/> man leicht, daß die Aufgabe einfach unlösbar ist, auf dem Wege des Volks¬<lb/> schulunterrichts einer Bevölkerung eine zweite Sprache beizubringen, die über¬<lb/> dies als turanische Sprache der Muttersprache in ihrem Bau. ihrem Wortschatz<lb/> und ihrer Grammatik so sern wie möglich steht. Und damit kann man den<lb/> unvereinbarer Gegensatz zwischen dem Grafen Tisza und den Führern der<lb/> ungarländischen Rumänen auf seine kürzeste Formel bringen: Graf Tisza will<lb/> auf die Magyarisierung der nichtmagyarischen Nationalitäten Ungarns nicht ver¬<lb/> zichten und ebensowenig auf die zu diesem Ende gegenwärtig in Ungarn üblichen<lb/> Methoden: magyarische Volksschulen, magyarische Mittelschulen, Zulassung zu<lb/> allen Ämtern des Staates nur sür den, der sich seiner nichtmagyarischen<lb/> Nationalität vollkommen entäußert und sich in den Dienst jener „einheitlichen<lb/> ungarischen Nation" stellt, die je nach Bedarf als Programm staatlicher oder<lb/> völkischer Einheit ausgelegt wird. Solange aber die führenden ungarischen<lb/> Staatsmänner auf das Ziel des nationalen Einheitsstaates nicht verzichten,<lb/> wird es natürlich auch keinen dauernden Frieden zwischen der Staatsgewalt und<lb/> den Rumänen, wie den anderen nichtmagyarischen Nationalitäten Ungarns<lb/> geben. Hierbei ist es ziemlich gleichgültig, ob nun Graf Tisza, wie es den<lb/> Anschein hat, nun bis auf weiteres in der Verwaltungspraxis gegenüber den<lb/> Rumänen mildere Saiten aufziehen will, ob es wieder zu scharfem Kampfe<lb/> kommt oder ob er einige Rumänen ohne Anhang durch materielle Vorteile zur<lb/> Bildung einer regierungsfreundlichen Rumänenpartei als Widerpart gegen die<lb/> rumänische Nationalpartei, mit der er jetzt verhandelt hat, gewinnt. Das Ent¬<lb/> scheidende ist, daß er jenen Panzer von Regierungsgrundsätzen, die vor allem<lb/> sein Vater geschmiedet, nicht sprengen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_2334" next="#ID_2335"> Ein paar Worte wären noch über die Rückwirkungen zu sagen, die das<lb/> Scheitern der Verhandlungen auf das Verhältnis Rumäniens zur Donaumonarchie<lb/> und damit mittelbar zum Dreibund haben dürste. Am Ballplatz in Wien hat<lb/> man die Aufgabe dieses Ausgleiches so verstanden, daß er die aus der Balkan¬<lb/> krise zurückgebliebene Verstimmung beseitigen helfen sollte; diesem Zwecke sollte<lb/> auch die Entsendung des Grafen Czernin, der dein Thronfolger nahesteht, von<lb/> dem man weiß, daß er die in Ungarn den Rumänen gegenüber befolgte Politik<lb/> nicht billigt, dienen. Eine dauernde Wirkung war indes auch von einem ge¬<lb/> lungenen Ausgleich keinesfalls zu erwarten. Man muß in Rumänien mit zwei<lb/> Strömungen rechnen: einer volkstümlichen irredentistischen, die sich mit dem<lb/> Namen des Bukarester Geschichtsprofessors Jorga verbindet, und einer staats¬<lb/> männischen, als deren beste Verkörperung wohl König Carol betrachtet werden<lb/> kann. Der Ausgang des Balkankrieges und die hervorragende Rolle, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0499]
?in Rnmänenfrage in Ungarn
den magyarischen Schulen in Aussicht stellt. Damit wird es natürlich nicht
getan sein; denn wenn man bedenkt, daß schließlich auch in einem Kultur¬
staate das Ergebnis des Vollsschulunterrichts nicht viel mehr sein kann, als
daß die Absolventen fließend lesen, annähernd richtig schreiben und so viel
rechnen können, als dem Bedürfnis des gewöhnlichen Lebens genügt, so erkennt
man leicht, daß die Aufgabe einfach unlösbar ist, auf dem Wege des Volks¬
schulunterrichts einer Bevölkerung eine zweite Sprache beizubringen, die über¬
dies als turanische Sprache der Muttersprache in ihrem Bau. ihrem Wortschatz
und ihrer Grammatik so sern wie möglich steht. Und damit kann man den
unvereinbarer Gegensatz zwischen dem Grafen Tisza und den Führern der
ungarländischen Rumänen auf seine kürzeste Formel bringen: Graf Tisza will
auf die Magyarisierung der nichtmagyarischen Nationalitäten Ungarns nicht ver¬
zichten und ebensowenig auf die zu diesem Ende gegenwärtig in Ungarn üblichen
Methoden: magyarische Volksschulen, magyarische Mittelschulen, Zulassung zu
allen Ämtern des Staates nur sür den, der sich seiner nichtmagyarischen
Nationalität vollkommen entäußert und sich in den Dienst jener „einheitlichen
ungarischen Nation" stellt, die je nach Bedarf als Programm staatlicher oder
völkischer Einheit ausgelegt wird. Solange aber die führenden ungarischen
Staatsmänner auf das Ziel des nationalen Einheitsstaates nicht verzichten,
wird es natürlich auch keinen dauernden Frieden zwischen der Staatsgewalt und
den Rumänen, wie den anderen nichtmagyarischen Nationalitäten Ungarns
geben. Hierbei ist es ziemlich gleichgültig, ob nun Graf Tisza, wie es den
Anschein hat, nun bis auf weiteres in der Verwaltungspraxis gegenüber den
Rumänen mildere Saiten aufziehen will, ob es wieder zu scharfem Kampfe
kommt oder ob er einige Rumänen ohne Anhang durch materielle Vorteile zur
Bildung einer regierungsfreundlichen Rumänenpartei als Widerpart gegen die
rumänische Nationalpartei, mit der er jetzt verhandelt hat, gewinnt. Das Ent¬
scheidende ist, daß er jenen Panzer von Regierungsgrundsätzen, die vor allem
sein Vater geschmiedet, nicht sprengen will.
Ein paar Worte wären noch über die Rückwirkungen zu sagen, die das
Scheitern der Verhandlungen auf das Verhältnis Rumäniens zur Donaumonarchie
und damit mittelbar zum Dreibund haben dürste. Am Ballplatz in Wien hat
man die Aufgabe dieses Ausgleiches so verstanden, daß er die aus der Balkan¬
krise zurückgebliebene Verstimmung beseitigen helfen sollte; diesem Zwecke sollte
auch die Entsendung des Grafen Czernin, der dein Thronfolger nahesteht, von
dem man weiß, daß er die in Ungarn den Rumänen gegenüber befolgte Politik
nicht billigt, dienen. Eine dauernde Wirkung war indes auch von einem ge¬
lungenen Ausgleich keinesfalls zu erwarten. Man muß in Rumänien mit zwei
Strömungen rechnen: einer volkstümlichen irredentistischen, die sich mit dem
Namen des Bukarester Geschichtsprofessors Jorga verbindet, und einer staats¬
männischen, als deren beste Verkörperung wohl König Carol betrachtet werden
kann. Der Ausgang des Balkankrieges und die hervorragende Rolle, die
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