Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Rumänenfrage in Ungarn Handlungen war', denn auf irgendeine gesetzliche Festlegung ließ Graf Tisza Graf Tisza hat in Abrede gestellt, daß seine Verhandlungen mit den Wenn sie schließlich doch nicht zum Ziel führten, so lag das daran, daß Die Rumänenfrage in Ungarn Handlungen war', denn auf irgendeine gesetzliche Festlegung ließ Graf Tisza Graf Tisza hat in Abrede gestellt, daß seine Verhandlungen mit den Wenn sie schließlich doch nicht zum Ziel führten, so lag das daran, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327964"/> <fw type="header" place="top"> Die Rumänenfrage in Ungarn</fw><lb/> <p xml:id="ID_2330" prev="#ID_2329"> Handlungen war', denn auf irgendeine gesetzliche Festlegung ließ Graf Tisza<lb/> sich nicht ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2331"> Graf Tisza hat in Abrede gestellt, daß seine Verhandlungen mit den<lb/> Rumänen irgendwie von der äußeren Politik beeinflußt worden seien, und hat<lb/> zum Beweise dessen darauf hingewiesen, daß er sie schon aufgenommen habe,<lb/> als er noch nicht Ministerpräsident war und vor dem Balkankriege, in dessen<lb/> Verlauf in Rumänien eine so starke Verstimmung gegen die Donaumonarchie<lb/> entstanden war. Das trifft allerdings zu; Graf Tisza müßte ja ein sehr ver»<lb/> blendeter Politiker sein, wenn er nicht einsehen sollte, welche Gefahr dem<lb/> Maguarentum aus der Nationalitätenfrage im allgemeinen und ans der<lb/> rumänischen im besonderen droht. Die Frage ist aber, was er für eine<lb/> erträgliche Lösung dieser Frage im Sinne der Wünsche der Nationalitäten zu<lb/> opfern bereit war. Zu Zeiten mochte er sich wohl in die Illusion gewiegt<lb/> haben, die Rumänen einfach mit dem Schreckgespenst der sie gemeinsam bedrohenden<lb/> panslavistischen Gefahr zum bedingungslosen Anschluß an das Magnarentnm<lb/> bewegen zu können. Starke Persönlichkeiten überschätzen ja häufig die suggestive<lb/> Macht ihrer Beredsamkeit. Das hatte indes keinen Erfolg und so ließ er die<lb/> Sache wieder gehen. Daß diesmal ein starker Druck von Wien aus in, Interesse<lb/> der auswärtigen Politik auf ihn geübt wurde, ist außer Zweifel; Graf Tisza<lb/> wußte, daß ein Scheitern seiner Verhandlungen mit den Rumänen seine Stellung<lb/> als Ministerpräsident zwar nicht erschüttern, ein Gelingen sie aber doch noch<lb/> sehr befestigen und ihm vielleicht auch den Weg zur Gunst des Thronfolgers<lb/> ebnen würde, der sich ihm gegenüber ablehnend verhält. Darum war es ihm<lb/> diesmal bei seinen Verhandlungen mit den Rumänen wirklich ernst.</p><lb/> <p xml:id="ID_2332" next="#ID_2333"> Wenn sie schließlich doch nicht zum Ziel führten, so lag das daran, daß<lb/> er in seinen Zugeständnissen über eine gewisse Linie nicht hinaus wollte oder<lb/> mit Rücksicht auf seinen Anhang nicht konnte. Zunächst konnte ihm ja kaum<lb/> verborgen sein, daß das, was er den Rumänen wirklich zugestanden hätte,<lb/> früher oder später auch den anderen Nationalitäten hätte gewährt werden<lb/> müssen. Während seiner Rede spielte sich ein recht bezeichnender Zwischenfall<lb/> ab, der von der Presse totgeschwiegen wurde. Unter den Abgeordneten befindet<lb/> sich auch ein magyarisierter schwäbischer Bauer namens Philipp; die Regierungs¬<lb/> partei enthält immer derartige Nenommierobjekte verschiedener Nationalität, die<lb/> den Beweis erbringen sollen, daß die nichtmagyarischen Nationalitüten zur<lb/> Klage keinen Anlaß haben. Als nun Tisza davon sprach, daß unter der<lb/> rumänischen Bevölkerung starke Unzufriedenheit herrsche, rief dieser Philipp<lb/> dazwischen: Nicht nur bei den Rumänen, auch bei uns! Selbst unter den<lb/> Deutschen, bei denen das nationale Selbstbewußtsein leider so schwach entwickelt<lb/> ist. gährt es; was sie aber jetzt besonders verletzt, ist, daß Graf Tisza mit den<lb/> Rumänen verhandelt hat, die in den Augen eines schwäbischen Großbauern<lb/> doch nur „schmutzige Walachen" sind, über sie aber mit ein paar Redensarten<lb/> hinweggeht und nur eine größere Berücksichtigung des deutschen Unterrichts in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
Die Rumänenfrage in Ungarn
Handlungen war', denn auf irgendeine gesetzliche Festlegung ließ Graf Tisza
sich nicht ein.
Graf Tisza hat in Abrede gestellt, daß seine Verhandlungen mit den
Rumänen irgendwie von der äußeren Politik beeinflußt worden seien, und hat
zum Beweise dessen darauf hingewiesen, daß er sie schon aufgenommen habe,
als er noch nicht Ministerpräsident war und vor dem Balkankriege, in dessen
Verlauf in Rumänien eine so starke Verstimmung gegen die Donaumonarchie
entstanden war. Das trifft allerdings zu; Graf Tisza müßte ja ein sehr ver»
blendeter Politiker sein, wenn er nicht einsehen sollte, welche Gefahr dem
Maguarentum aus der Nationalitätenfrage im allgemeinen und ans der
rumänischen im besonderen droht. Die Frage ist aber, was er für eine
erträgliche Lösung dieser Frage im Sinne der Wünsche der Nationalitäten zu
opfern bereit war. Zu Zeiten mochte er sich wohl in die Illusion gewiegt
haben, die Rumänen einfach mit dem Schreckgespenst der sie gemeinsam bedrohenden
panslavistischen Gefahr zum bedingungslosen Anschluß an das Magnarentnm
bewegen zu können. Starke Persönlichkeiten überschätzen ja häufig die suggestive
Macht ihrer Beredsamkeit. Das hatte indes keinen Erfolg und so ließ er die
Sache wieder gehen. Daß diesmal ein starker Druck von Wien aus in, Interesse
der auswärtigen Politik auf ihn geübt wurde, ist außer Zweifel; Graf Tisza
wußte, daß ein Scheitern seiner Verhandlungen mit den Rumänen seine Stellung
als Ministerpräsident zwar nicht erschüttern, ein Gelingen sie aber doch noch
sehr befestigen und ihm vielleicht auch den Weg zur Gunst des Thronfolgers
ebnen würde, der sich ihm gegenüber ablehnend verhält. Darum war es ihm
diesmal bei seinen Verhandlungen mit den Rumänen wirklich ernst.
Wenn sie schließlich doch nicht zum Ziel führten, so lag das daran, daß
er in seinen Zugeständnissen über eine gewisse Linie nicht hinaus wollte oder
mit Rücksicht auf seinen Anhang nicht konnte. Zunächst konnte ihm ja kaum
verborgen sein, daß das, was er den Rumänen wirklich zugestanden hätte,
früher oder später auch den anderen Nationalitäten hätte gewährt werden
müssen. Während seiner Rede spielte sich ein recht bezeichnender Zwischenfall
ab, der von der Presse totgeschwiegen wurde. Unter den Abgeordneten befindet
sich auch ein magyarisierter schwäbischer Bauer namens Philipp; die Regierungs¬
partei enthält immer derartige Nenommierobjekte verschiedener Nationalität, die
den Beweis erbringen sollen, daß die nichtmagyarischen Nationalitüten zur
Klage keinen Anlaß haben. Als nun Tisza davon sprach, daß unter der
rumänischen Bevölkerung starke Unzufriedenheit herrsche, rief dieser Philipp
dazwischen: Nicht nur bei den Rumänen, auch bei uns! Selbst unter den
Deutschen, bei denen das nationale Selbstbewußtsein leider so schwach entwickelt
ist. gährt es; was sie aber jetzt besonders verletzt, ist, daß Graf Tisza mit den
Rumänen verhandelt hat, die in den Augen eines schwäbischen Großbauern
doch nur „schmutzige Walachen" sind, über sie aber mit ein paar Redensarten
hinweggeht und nur eine größere Berücksichtigung des deutschen Unterrichts in
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