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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Männer, die wir brauchen

meinschaft am besten dienten, indem sie für das Gedeihen des eigenen Standes
sorgten. Die wenigen aber, die sich aus der Enge des Standesmilieus erhoben,
die glaubten wieder, daß sie der Gemeinschaft am besten dadurch dienten, daß
sie Staatsdiener wurden.

Eine andere Unternehmerschaft ist allmählich in die ältere Schicht hinein¬
gewachsen. Sie erkennt, daß die früheren Funktionen des Kaufens und Ver-
kaufens, des Gründers und Fusionierens kaum für die Zwecke des eigenen
Betriebs ausreichen; sie erkennt, daß in den Geschäften des Staates die Grund¬
sätze des freien Geschäfts auf die Dauer nicht weiter bringen; sie erkennt schließlich,
daß die Wirkungsmöglichkeiten des Staates sür kulturelle und wirtschaftliche
Entwicklung des Volkes immer begrenzte bleiben müssen.

Eine andere Unternehmerschaft ist im Werden. Von den Führern der Wirtschaft
haben etliche ihre Lehrzeit zu Füßen der Führer des Geistes verbracht, nicht bloß
im väterlichen Kondor oder in den Betrieben des überseeischen Geschäftsfreundes.
Es gibt Leute, die meinen, der weite Horizont lähme die Entschlußkraft; wer sich
zuviel umsehe, komme nicht vorwärts; nur der kulturlose Wirtschafter werde
der Kultur dienen; der Kaufmann mit Bildung sei für das Geschäft verdorben.
-- Zugegeben ist, daß manche dieser modernen Unternehmer von dem wüsten,
wilden Draufgängertum der älteren Generation wenig mehr haben. Aber man
irrt sich vielleicht in der Ursache. Nicht Entschlußkraft und Tarendrang fehlen,
wohl aber der Glaube an den Sinn und die Vernünftigkeit der von den Vätern
übernommenen Arbeit. Man mag über den Einfluß der Wissenschaft auf die
Praxis denken, wie man will, das steht doch wohl fest: wem durch wissenschaft¬
liches Denken das Bedürfnis anerzogen ist, in die Welt der Erscheinungen
Ordnung und Übereinstimmung hineinzubringen, der will auch im tätigen Leben
die Ordnung nicht vermissen; der wird für die Diskrepanzen zwischen den
Einzelwirtschaften, zwischen Privatwirtschaft und Volkswirtschaft, zwischen Volks¬
wirtschaft und Volkskultur ein feineres Gefühl haben als der naiv empfindende
Tatsachenmensch. Nicht an Entschlußkraft fehlt es den harmonisch ausgebildeten
Kaufleuten, sondern an der Möglichkeit, ihre Wirtschaftstätigkeit in vollen Ein¬
klang zu bringen mit den glaubensstarken Hoffnungen, die sie ini Stillen sür
die Zukunft unseres Volkes hegen. -- Wenn diese Deutung die richtige ist,
dann müssen auch aus den bezeichneten Kreisen die Führer kommen, die,
fernab von allen Utopien, nicht durch die staatliche Maschinerie, sondern mittels
freier Organisationen das Geschäftsleben in der Weise reformieren, das
Wirtschaft ohne Kultur einmal ebenso unmöglich sein wird, wie heute Wirtschaft
ohne Berechnung.

Die neue Unternehmerschaft wird auch mehr Zeit haben als die alte.
Besser als diese versteht sie sich auf das Geheimnis aller Organisation, das
lautet: Herrschen heißt sich Stellvertreter schaffen. Hat man einmal die Leitungs¬
funktionen im eigenen Betrieb gänzlich abgegeben, dann wird man auch Zeit
haben zu Kulturunternehmungen. Denn alles dürfen unsere Führer ihren


Männer, die wir brauchen

meinschaft am besten dienten, indem sie für das Gedeihen des eigenen Standes
sorgten. Die wenigen aber, die sich aus der Enge des Standesmilieus erhoben,
die glaubten wieder, daß sie der Gemeinschaft am besten dadurch dienten, daß
sie Staatsdiener wurden.

Eine andere Unternehmerschaft ist allmählich in die ältere Schicht hinein¬
gewachsen. Sie erkennt, daß die früheren Funktionen des Kaufens und Ver-
kaufens, des Gründers und Fusionierens kaum für die Zwecke des eigenen
Betriebs ausreichen; sie erkennt, daß in den Geschäften des Staates die Grund¬
sätze des freien Geschäfts auf die Dauer nicht weiter bringen; sie erkennt schließlich,
daß die Wirkungsmöglichkeiten des Staates sür kulturelle und wirtschaftliche
Entwicklung des Volkes immer begrenzte bleiben müssen.

Eine andere Unternehmerschaft ist im Werden. Von den Führern der Wirtschaft
haben etliche ihre Lehrzeit zu Füßen der Führer des Geistes verbracht, nicht bloß
im väterlichen Kondor oder in den Betrieben des überseeischen Geschäftsfreundes.
Es gibt Leute, die meinen, der weite Horizont lähme die Entschlußkraft; wer sich
zuviel umsehe, komme nicht vorwärts; nur der kulturlose Wirtschafter werde
der Kultur dienen; der Kaufmann mit Bildung sei für das Geschäft verdorben.
— Zugegeben ist, daß manche dieser modernen Unternehmer von dem wüsten,
wilden Draufgängertum der älteren Generation wenig mehr haben. Aber man
irrt sich vielleicht in der Ursache. Nicht Entschlußkraft und Tarendrang fehlen,
wohl aber der Glaube an den Sinn und die Vernünftigkeit der von den Vätern
übernommenen Arbeit. Man mag über den Einfluß der Wissenschaft auf die
Praxis denken, wie man will, das steht doch wohl fest: wem durch wissenschaft¬
liches Denken das Bedürfnis anerzogen ist, in die Welt der Erscheinungen
Ordnung und Übereinstimmung hineinzubringen, der will auch im tätigen Leben
die Ordnung nicht vermissen; der wird für die Diskrepanzen zwischen den
Einzelwirtschaften, zwischen Privatwirtschaft und Volkswirtschaft, zwischen Volks¬
wirtschaft und Volkskultur ein feineres Gefühl haben als der naiv empfindende
Tatsachenmensch. Nicht an Entschlußkraft fehlt es den harmonisch ausgebildeten
Kaufleuten, sondern an der Möglichkeit, ihre Wirtschaftstätigkeit in vollen Ein¬
klang zu bringen mit den glaubensstarken Hoffnungen, die sie ini Stillen sür
die Zukunft unseres Volkes hegen. — Wenn diese Deutung die richtige ist,
dann müssen auch aus den bezeichneten Kreisen die Führer kommen, die,
fernab von allen Utopien, nicht durch die staatliche Maschinerie, sondern mittels
freier Organisationen das Geschäftsleben in der Weise reformieren, das
Wirtschaft ohne Kultur einmal ebenso unmöglich sein wird, wie heute Wirtschaft
ohne Berechnung.

Die neue Unternehmerschaft wird auch mehr Zeit haben als die alte.
Besser als diese versteht sie sich auf das Geheimnis aller Organisation, das
lautet: Herrschen heißt sich Stellvertreter schaffen. Hat man einmal die Leitungs¬
funktionen im eigenen Betrieb gänzlich abgegeben, dann wird man auch Zeit
haben zu Kulturunternehmungen. Denn alles dürfen unsere Führer ihren


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[0467] Männer, die wir brauchen meinschaft am besten dienten, indem sie für das Gedeihen des eigenen Standes sorgten. Die wenigen aber, die sich aus der Enge des Standesmilieus erhoben, die glaubten wieder, daß sie der Gemeinschaft am besten dadurch dienten, daß sie Staatsdiener wurden. Eine andere Unternehmerschaft ist allmählich in die ältere Schicht hinein¬ gewachsen. Sie erkennt, daß die früheren Funktionen des Kaufens und Ver- kaufens, des Gründers und Fusionierens kaum für die Zwecke des eigenen Betriebs ausreichen; sie erkennt, daß in den Geschäften des Staates die Grund¬ sätze des freien Geschäfts auf die Dauer nicht weiter bringen; sie erkennt schließlich, daß die Wirkungsmöglichkeiten des Staates sür kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Volkes immer begrenzte bleiben müssen. Eine andere Unternehmerschaft ist im Werden. Von den Führern der Wirtschaft haben etliche ihre Lehrzeit zu Füßen der Führer des Geistes verbracht, nicht bloß im väterlichen Kondor oder in den Betrieben des überseeischen Geschäftsfreundes. Es gibt Leute, die meinen, der weite Horizont lähme die Entschlußkraft; wer sich zuviel umsehe, komme nicht vorwärts; nur der kulturlose Wirtschafter werde der Kultur dienen; der Kaufmann mit Bildung sei für das Geschäft verdorben. — Zugegeben ist, daß manche dieser modernen Unternehmer von dem wüsten, wilden Draufgängertum der älteren Generation wenig mehr haben. Aber man irrt sich vielleicht in der Ursache. Nicht Entschlußkraft und Tarendrang fehlen, wohl aber der Glaube an den Sinn und die Vernünftigkeit der von den Vätern übernommenen Arbeit. Man mag über den Einfluß der Wissenschaft auf die Praxis denken, wie man will, das steht doch wohl fest: wem durch wissenschaft¬ liches Denken das Bedürfnis anerzogen ist, in die Welt der Erscheinungen Ordnung und Übereinstimmung hineinzubringen, der will auch im tätigen Leben die Ordnung nicht vermissen; der wird für die Diskrepanzen zwischen den Einzelwirtschaften, zwischen Privatwirtschaft und Volkswirtschaft, zwischen Volks¬ wirtschaft und Volkskultur ein feineres Gefühl haben als der naiv empfindende Tatsachenmensch. Nicht an Entschlußkraft fehlt es den harmonisch ausgebildeten Kaufleuten, sondern an der Möglichkeit, ihre Wirtschaftstätigkeit in vollen Ein¬ klang zu bringen mit den glaubensstarken Hoffnungen, die sie ini Stillen sür die Zukunft unseres Volkes hegen. — Wenn diese Deutung die richtige ist, dann müssen auch aus den bezeichneten Kreisen die Führer kommen, die, fernab von allen Utopien, nicht durch die staatliche Maschinerie, sondern mittels freier Organisationen das Geschäftsleben in der Weise reformieren, das Wirtschaft ohne Kultur einmal ebenso unmöglich sein wird, wie heute Wirtschaft ohne Berechnung. Die neue Unternehmerschaft wird auch mehr Zeit haben als die alte. Besser als diese versteht sie sich auf das Geheimnis aller Organisation, das lautet: Herrschen heißt sich Stellvertreter schaffen. Hat man einmal die Leitungs¬ funktionen im eigenen Betrieb gänzlich abgegeben, dann wird man auch Zeit haben zu Kulturunternehmungen. Denn alles dürfen unsere Führer ihren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/467>, abgerufen am 04.01.2025.