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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Verwaltung

Großstadtpolizei. Ein praktisches Hand¬
buch der deutschen Polizei von Dr. jur. G.
Röscher, Polizeipräsident von Hamburg. Mit
360 Abbildungen. 447 S. Otto Meißners
Verlag,Hamburg. Preis 13Mark, geb. 16 Mark.

Die moderne Großstadt hat eine staatliche
Behörde geschaffen, die eine beratende, kon¬
trollierende Tätigkeit ausübt über alles, was
das Gemeinwohl angeht. Der moderne Staat
rühmt sich zwar, kein Polizeistaat mehr zu
sein, da er die Teilnahme des Volkes in feste
Formen der Volksvertretung gebracht hat,
deren Regelung der Staatshaushalt, die
laufende Gesetzgebung, die Justiz, das Heer,
die Schule usw. unterstehen. Aber man hat
doch nicht umhin gekonnt, auch in den libe¬
ralsten Demokratien Nordamerikas genau wie
in den Zeiten des absolutesten Herrschertums
eine recht kräftige, vielseitige Polizeigewalt zu
schaffen, der im Verwaltungswege eine weit¬
gehende, gesetzgebende Verfügungsgewalt und
im täglichen Leben ein entscheidender Einfluß
auf die Ausübung und Ausführung der Ge¬
setze zusteht. So sehr das auch der empfind¬
samen Schwärmerei für des Demos geheiligte
Souveränität widerspricht und so leidenschaft¬
lich man auch die Tatsache des beschränkten
Untertanenverstandes mit blutiger Entrüstung
zurückweist, eigentlich sind wir doch alle herz¬
lich froh, daß wir im Verkehr der Großstadt
nicht auf den guten Willen unserer Mit¬
menschen angewiesen sind, sondern uns auf
eine gute, stramme Polizei verlassen dürfen,
die den Rechten der Allgemeinheit nichts ver¬
gibt, und der gebildeten und ungebildeten
Masse, die so gern sich ihren Verpflichtungen
gegen ihre Mitmenschen entzieht, eine kräftige
Staatsautorität entgegenhält. Die alte Erb¬
sünde unseres Volkes, nur ja kein Opfer zur
Stärkung der Staatsidee zu bringen, zeigt
sich nirgends in ihrer politischen Unreife deut¬
licher, als in dem engherzigen Standpunkt,
über die Polizei grundsätzlich von vornherein
den Stab zu brechen und in ihrem fortwäh¬
renden Kampfe gegen das gewerbsmäßige
Verbrechertum und gegen alle subversiven
Gestalten und Gewalten blind gegen sie Partei
zu ergreifen. Verständige Menschen haben
immer unter dem Gesichtspunkt des Rechts¬

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schutzes eingesehen, daß die Polizei eine der
allernotwendigsten und wohltätigsten Lebens¬
äußerungen des modernen Staates ist, die der
"Freiheit" nicht nur keine Beschränkungen
auferlegt, sondern ihr mit Leib und Seele
als Schützerin und Pflegerin dient. Die
Leistungen unserer modernen, großstädtischen
Polizei haben ihr bei dem loyalen Teile der
Bevölkerung schon längst den Ruhmestitel
eingetragen, daß man sie und die ihr unter¬
stellte Berufsfeuerwehr "das Mädchen für
alles" nennt.

Von langjähriger Tätigkeit in der gro߬
städtischen Polizei aus, in der unglaub¬
lich viel Tinte verschrieben wird und mit
deutscher Gründlichkeit und bureaumenschlicher
Genauigkeit noch mehr registriert wird, hat
der Hamburger Polizeipräsident Dr. Röscher
ein Praktisches Handbuch geschrieben, das in
seinem kulturgeschichtlichen Wert zu den be¬
deutsamsten Veröffentlichungen der jüngsten
Zeit gehört und auf das weitere Kreise auf¬
merksam zu machen geradezu eine Pflicht
der Dankbarkeit bedeutet. Das Buch leistet
viel mehr als sein bescheidener Titel ver¬
spricht. Röscher hat Urkundenmaterial und
Quellenschriften zur, Geschichte der Po¬
lizei durchforscht, die bis in die ältesten
Zeiten der Griechen und Römer zurück¬
gehen und bis zu den Polizeiorganisationen
unserer Kolonien vorwärtsführen. Außer den
deutschen Bildungen erfahren wir das Wesent¬
liche über die polizeilichen Einrichtungen
von Osterreich, England, Frankreich, Nord¬
amerika, Ägypten, Japan, China, Hong¬
kong usw. Der Charakter des Buches ist
durchweg erzählende Darstellung, der man
in ihrer fesselnden Form kaum noch anmerkt,
welch reiche, mühsame Forschung von Jahren
und Jahrzehnten ihr zugrunde liegt. Nur
die überaus reichen Literaturangaben legen
in ihrer bewundernswerter Vollständigkeit von
der Belesenheit und dem Forscherfleiß des
Historikers ein beredtes Zeugnis ab. Trotz¬
dem ist der das Ganze zusammenhaltende
Faden des Gedankenganges ein sehr ein¬
facher. Aus dem Inhalt heben wir nur
folgende Titel hervor: Beamte der Polizei,
ihre Organisation und soziale Stellung,
Gewerbepolizei, Verkehrspolizei, politische
Polizei, Kriminalpolizei mit ihren Unter-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Verwaltung

Großstadtpolizei. Ein praktisches Hand¬
buch der deutschen Polizei von Dr. jur. G.
Röscher, Polizeipräsident von Hamburg. Mit
360 Abbildungen. 447 S. Otto Meißners
Verlag,Hamburg. Preis 13Mark, geb. 16 Mark.

Die moderne Großstadt hat eine staatliche
Behörde geschaffen, die eine beratende, kon¬
trollierende Tätigkeit ausübt über alles, was
das Gemeinwohl angeht. Der moderne Staat
rühmt sich zwar, kein Polizeistaat mehr zu
sein, da er die Teilnahme des Volkes in feste
Formen der Volksvertretung gebracht hat,
deren Regelung der Staatshaushalt, die
laufende Gesetzgebung, die Justiz, das Heer,
die Schule usw. unterstehen. Aber man hat
doch nicht umhin gekonnt, auch in den libe¬
ralsten Demokratien Nordamerikas genau wie
in den Zeiten des absolutesten Herrschertums
eine recht kräftige, vielseitige Polizeigewalt zu
schaffen, der im Verwaltungswege eine weit¬
gehende, gesetzgebende Verfügungsgewalt und
im täglichen Leben ein entscheidender Einfluß
auf die Ausübung und Ausführung der Ge¬
setze zusteht. So sehr das auch der empfind¬
samen Schwärmerei für des Demos geheiligte
Souveränität widerspricht und so leidenschaft¬
lich man auch die Tatsache des beschränkten
Untertanenverstandes mit blutiger Entrüstung
zurückweist, eigentlich sind wir doch alle herz¬
lich froh, daß wir im Verkehr der Großstadt
nicht auf den guten Willen unserer Mit¬
menschen angewiesen sind, sondern uns auf
eine gute, stramme Polizei verlassen dürfen,
die den Rechten der Allgemeinheit nichts ver¬
gibt, und der gebildeten und ungebildeten
Masse, die so gern sich ihren Verpflichtungen
gegen ihre Mitmenschen entzieht, eine kräftige
Staatsautorität entgegenhält. Die alte Erb¬
sünde unseres Volkes, nur ja kein Opfer zur
Stärkung der Staatsidee zu bringen, zeigt
sich nirgends in ihrer politischen Unreife deut¬
licher, als in dem engherzigen Standpunkt,
über die Polizei grundsätzlich von vornherein
den Stab zu brechen und in ihrem fortwäh¬
renden Kampfe gegen das gewerbsmäßige
Verbrechertum und gegen alle subversiven
Gestalten und Gewalten blind gegen sie Partei
zu ergreifen. Verständige Menschen haben
immer unter dem Gesichtspunkt des Rechts¬

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schutzes eingesehen, daß die Polizei eine der
allernotwendigsten und wohltätigsten Lebens¬
äußerungen des modernen Staates ist, die der
„Freiheit" nicht nur keine Beschränkungen
auferlegt, sondern ihr mit Leib und Seele
als Schützerin und Pflegerin dient. Die
Leistungen unserer modernen, großstädtischen
Polizei haben ihr bei dem loyalen Teile der
Bevölkerung schon längst den Ruhmestitel
eingetragen, daß man sie und die ihr unter¬
stellte Berufsfeuerwehr „das Mädchen für
alles" nennt.

Von langjähriger Tätigkeit in der gro߬
städtischen Polizei aus, in der unglaub¬
lich viel Tinte verschrieben wird und mit
deutscher Gründlichkeit und bureaumenschlicher
Genauigkeit noch mehr registriert wird, hat
der Hamburger Polizeipräsident Dr. Röscher
ein Praktisches Handbuch geschrieben, das in
seinem kulturgeschichtlichen Wert zu den be¬
deutsamsten Veröffentlichungen der jüngsten
Zeit gehört und auf das weitere Kreise auf¬
merksam zu machen geradezu eine Pflicht
der Dankbarkeit bedeutet. Das Buch leistet
viel mehr als sein bescheidener Titel ver¬
spricht. Röscher hat Urkundenmaterial und
Quellenschriften zur, Geschichte der Po¬
lizei durchforscht, die bis in die ältesten
Zeiten der Griechen und Römer zurück¬
gehen und bis zu den Polizeiorganisationen
unserer Kolonien vorwärtsführen. Außer den
deutschen Bildungen erfahren wir das Wesent¬
liche über die polizeilichen Einrichtungen
von Osterreich, England, Frankreich, Nord¬
amerika, Ägypten, Japan, China, Hong¬
kong usw. Der Charakter des Buches ist
durchweg erzählende Darstellung, der man
in ihrer fesselnden Form kaum noch anmerkt,
welch reiche, mühsame Forschung von Jahren
und Jahrzehnten ihr zugrunde liegt. Nur
die überaus reichen Literaturangaben legen
in ihrer bewundernswerter Vollständigkeit von
der Belesenheit und dem Forscherfleiß des
Historikers ein beredtes Zeugnis ab. Trotz¬
dem ist der das Ganze zusammenhaltende
Faden des Gedankenganges ein sehr ein¬
facher. Aus dem Inhalt heben wir nur
folgende Titel hervor: Beamte der Polizei,
ihre Organisation und soziale Stellung,
Gewerbepolizei, Verkehrspolizei, politische
Polizei, Kriminalpolizei mit ihren Unter-

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[0440] Maßgebliches und Unmaßgebliches Verwaltung Großstadtpolizei. Ein praktisches Hand¬ buch der deutschen Polizei von Dr. jur. G. Röscher, Polizeipräsident von Hamburg. Mit 360 Abbildungen. 447 S. Otto Meißners Verlag,Hamburg. Preis 13Mark, geb. 16 Mark. Die moderne Großstadt hat eine staatliche Behörde geschaffen, die eine beratende, kon¬ trollierende Tätigkeit ausübt über alles, was das Gemeinwohl angeht. Der moderne Staat rühmt sich zwar, kein Polizeistaat mehr zu sein, da er die Teilnahme des Volkes in feste Formen der Volksvertretung gebracht hat, deren Regelung der Staatshaushalt, die laufende Gesetzgebung, die Justiz, das Heer, die Schule usw. unterstehen. Aber man hat doch nicht umhin gekonnt, auch in den libe¬ ralsten Demokratien Nordamerikas genau wie in den Zeiten des absolutesten Herrschertums eine recht kräftige, vielseitige Polizeigewalt zu schaffen, der im Verwaltungswege eine weit¬ gehende, gesetzgebende Verfügungsgewalt und im täglichen Leben ein entscheidender Einfluß auf die Ausübung und Ausführung der Ge¬ setze zusteht. So sehr das auch der empfind¬ samen Schwärmerei für des Demos geheiligte Souveränität widerspricht und so leidenschaft¬ lich man auch die Tatsache des beschränkten Untertanenverstandes mit blutiger Entrüstung zurückweist, eigentlich sind wir doch alle herz¬ lich froh, daß wir im Verkehr der Großstadt nicht auf den guten Willen unserer Mit¬ menschen angewiesen sind, sondern uns auf eine gute, stramme Polizei verlassen dürfen, die den Rechten der Allgemeinheit nichts ver¬ gibt, und der gebildeten und ungebildeten Masse, die so gern sich ihren Verpflichtungen gegen ihre Mitmenschen entzieht, eine kräftige Staatsautorität entgegenhält. Die alte Erb¬ sünde unseres Volkes, nur ja kein Opfer zur Stärkung der Staatsidee zu bringen, zeigt sich nirgends in ihrer politischen Unreife deut¬ licher, als in dem engherzigen Standpunkt, über die Polizei grundsätzlich von vornherein den Stab zu brechen und in ihrem fortwäh¬ renden Kampfe gegen das gewerbsmäßige Verbrechertum und gegen alle subversiven Gestalten und Gewalten blind gegen sie Partei zu ergreifen. Verständige Menschen haben immer unter dem Gesichtspunkt des Rechts¬ schutzes eingesehen, daß die Polizei eine der allernotwendigsten und wohltätigsten Lebens¬ äußerungen des modernen Staates ist, die der „Freiheit" nicht nur keine Beschränkungen auferlegt, sondern ihr mit Leib und Seele als Schützerin und Pflegerin dient. Die Leistungen unserer modernen, großstädtischen Polizei haben ihr bei dem loyalen Teile der Bevölkerung schon längst den Ruhmestitel eingetragen, daß man sie und die ihr unter¬ stellte Berufsfeuerwehr „das Mädchen für alles" nennt. Von langjähriger Tätigkeit in der gro߬ städtischen Polizei aus, in der unglaub¬ lich viel Tinte verschrieben wird und mit deutscher Gründlichkeit und bureaumenschlicher Genauigkeit noch mehr registriert wird, hat der Hamburger Polizeipräsident Dr. Röscher ein Praktisches Handbuch geschrieben, das in seinem kulturgeschichtlichen Wert zu den be¬ deutsamsten Veröffentlichungen der jüngsten Zeit gehört und auf das weitere Kreise auf¬ merksam zu machen geradezu eine Pflicht der Dankbarkeit bedeutet. Das Buch leistet viel mehr als sein bescheidener Titel ver¬ spricht. Röscher hat Urkundenmaterial und Quellenschriften zur, Geschichte der Po¬ lizei durchforscht, die bis in die ältesten Zeiten der Griechen und Römer zurück¬ gehen und bis zu den Polizeiorganisationen unserer Kolonien vorwärtsführen. Außer den deutschen Bildungen erfahren wir das Wesent¬ liche über die polizeilichen Einrichtungen von Osterreich, England, Frankreich, Nord¬ amerika, Ägypten, Japan, China, Hong¬ kong usw. Der Charakter des Buches ist durchweg erzählende Darstellung, der man in ihrer fesselnden Form kaum noch anmerkt, welch reiche, mühsame Forschung von Jahren und Jahrzehnten ihr zugrunde liegt. Nur die überaus reichen Literaturangaben legen in ihrer bewundernswerter Vollständigkeit von der Belesenheit und dem Forscherfleiß des Historikers ein beredtes Zeugnis ab. Trotz¬ dem ist der das Ganze zusammenhaltende Faden des Gedankenganges ein sehr ein¬ facher. Aus dem Inhalt heben wir nur folgende Titel hervor: Beamte der Polizei, ihre Organisation und soziale Stellung, Gewerbepolizei, Verkehrspolizei, politische Polizei, Kriminalpolizei mit ihren Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/440>, abgerufen am 04.01.2025.