Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Reichsspiegel schließlich um die sachliche aufbauende Kritik -- herbeiläßt. Man fürchtet die Wer die öffentliche Kritik so bewertet, bringt die Regierung und die bürgerlichen Die schädlichen Folgen dieser tatsächlichen Verhältnisse sollte man nicht Reichsspiegel schließlich um die sachliche aufbauende Kritik — herbeiläßt. Man fürchtet die Wer die öffentliche Kritik so bewertet, bringt die Regierung und die bürgerlichen Die schädlichen Folgen dieser tatsächlichen Verhältnisse sollte man nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327898"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2017" prev="#ID_2016"> schließlich um die sachliche aufbauende Kritik — herbeiläßt. Man fürchtet die<lb/> Autorität der Regierung anzutasten. Kritik an Heeresangelegenheiten wird fast<lb/> wie ein Verbrechen gegen die Integrität des Staates angesehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2018"> Wer die öffentliche Kritik so bewertet, bringt die Regierung und die bürgerlichen<lb/> Parteien um das stärkste moderne Mittel zur Verbindung mit den breiten Volks¬<lb/> schichten. Er erleichtert vielleicht den einzelnen vortragenden Räten und Ministern<lb/> die persönliche Arbeit, aber er enthält ihnen auch wertvolles Material vor,<lb/> dessen sie zum sachlichen Kampf und zur Rückenstärkung gegen den<lb/> Radikalismus in der Gesetzgebung bedürfen. Am augenfälligsten treten die<lb/> schädlichen Folgen mangelnder öffentlicher Sachkritik in allen Heeresfragen<lb/> zutage. Es ist eine weitverbreitete wenn auch nicht zutreffende Anschauung,<lb/> daß man auf das Berliner Tageblatt und die Frankfurter Zeitung angewiesen sei.<lb/> wenn man sich bei uns näher über das innere Leben der Armee unterrichten will, also<lb/> auf zwei Organe, die dem Militarismus grundsätzlich feindlich gegenüberstehen, die<lb/> obendrein mit dem Kampf gegen das Heer noch ganz bestimmte politische Ziele<lb/> verknüpfen. Was sonst in der bürgerlichen Presse über die Armee steht, gilt als<lb/> offiziös und wird schon deshalb nur von denen beachtet, die die Meinung der Heeres¬<lb/> leitung über die einzelne Frage kennen müssen. Dazu sollten aber die nord¬<lb/> deutsche Allgemeine und das Militärwochenblatt genügen. Eine in ihren Kon¬<lb/> sequenzen gar nicht genug zu beklagende Folge dieses Zustandes ist der außer¬<lb/> ordentliche Mangel an solchen Militärschriftstellern, die mit tüchtiger Fachkenntnis<lb/> soviel allgemeinpolitisches Wissen verbinden, daß sie befähigt sind, alle Aus¬<lb/> wirkungen ihrer öffentlichen Darlegungen auf die Einzelfragen der inneren, aber<lb/> auch der auswärtigen Politik vorauszusehen. Daß es heute nicht so ist, ist nicht<lb/> verwunderlich: wo kein Absatz ist für frei entwickelte Ideen, wo nur für amtlich<lb/> abgestempelte Auffassungen Raum ist, fehlt auch der Anreiz für den schriftstellerisch<lb/> begabten Offizier, in seinem Fach weiter zu arbeiten, seine Kenntnisse zu ver¬<lb/> tiefen, seinen Gesichtskreis zu erweitern und dadurch sein Verantwortungsgefühl<lb/> als Publizist zu stärken. Und wir finden daher den früheren Offizier als<lb/> Dilettanten auf allen möglichen Gebieten, wo er von gewiegten Zweckmenschen<lb/> für Zwecke ausgenutzt wird, die ihm vielleicht gar nicht klar werden konnten.<lb/> Den Schaden davon aber hat die Armee und mit ihr die Nation.</p><lb/> <p xml:id="ID_2019"> Die schädlichen Folgen dieser tatsächlichen Verhältnisse sollte man nicht<lb/> unterschätzen. Wenn z. B. die deutsche Armee betreffende Angelegenheiten von<lb/> der englischen Presse ohne Verständnis behandelt zu werden pflegen, so liegt<lb/> dies in der einseitigen Behandlung der Verhältnisse bei uns selbst. Man erinnere<lb/> sich nur der Kaisermanöverkritiken und der unfreundlichen Kommentare zum<lb/> Krupp-Prozeß. Jetzt zieht man in England sehr herablassend die Schulter über<lb/> die Preußische Kabinettsorder von 1820, vergißt aber ganz dabei, daß auch in<lb/> dieseni klassischen Lande der politischen Freiheiten das Militär in dringenden<lb/> Fällen, ohne vorherige Aufforderung von feiten der Zivilbehörden, einschreiten<lb/> darf, und zwar auf Grund der sogenannten Kings Regulations von 191.2.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0432]
Reichsspiegel
schließlich um die sachliche aufbauende Kritik — herbeiläßt. Man fürchtet die
Autorität der Regierung anzutasten. Kritik an Heeresangelegenheiten wird fast
wie ein Verbrechen gegen die Integrität des Staates angesehen.
Wer die öffentliche Kritik so bewertet, bringt die Regierung und die bürgerlichen
Parteien um das stärkste moderne Mittel zur Verbindung mit den breiten Volks¬
schichten. Er erleichtert vielleicht den einzelnen vortragenden Räten und Ministern
die persönliche Arbeit, aber er enthält ihnen auch wertvolles Material vor,
dessen sie zum sachlichen Kampf und zur Rückenstärkung gegen den
Radikalismus in der Gesetzgebung bedürfen. Am augenfälligsten treten die
schädlichen Folgen mangelnder öffentlicher Sachkritik in allen Heeresfragen
zutage. Es ist eine weitverbreitete wenn auch nicht zutreffende Anschauung,
daß man auf das Berliner Tageblatt und die Frankfurter Zeitung angewiesen sei.
wenn man sich bei uns näher über das innere Leben der Armee unterrichten will, also
auf zwei Organe, die dem Militarismus grundsätzlich feindlich gegenüberstehen, die
obendrein mit dem Kampf gegen das Heer noch ganz bestimmte politische Ziele
verknüpfen. Was sonst in der bürgerlichen Presse über die Armee steht, gilt als
offiziös und wird schon deshalb nur von denen beachtet, die die Meinung der Heeres¬
leitung über die einzelne Frage kennen müssen. Dazu sollten aber die nord¬
deutsche Allgemeine und das Militärwochenblatt genügen. Eine in ihren Kon¬
sequenzen gar nicht genug zu beklagende Folge dieses Zustandes ist der außer¬
ordentliche Mangel an solchen Militärschriftstellern, die mit tüchtiger Fachkenntnis
soviel allgemeinpolitisches Wissen verbinden, daß sie befähigt sind, alle Aus¬
wirkungen ihrer öffentlichen Darlegungen auf die Einzelfragen der inneren, aber
auch der auswärtigen Politik vorauszusehen. Daß es heute nicht so ist, ist nicht
verwunderlich: wo kein Absatz ist für frei entwickelte Ideen, wo nur für amtlich
abgestempelte Auffassungen Raum ist, fehlt auch der Anreiz für den schriftstellerisch
begabten Offizier, in seinem Fach weiter zu arbeiten, seine Kenntnisse zu ver¬
tiefen, seinen Gesichtskreis zu erweitern und dadurch sein Verantwortungsgefühl
als Publizist zu stärken. Und wir finden daher den früheren Offizier als
Dilettanten auf allen möglichen Gebieten, wo er von gewiegten Zweckmenschen
für Zwecke ausgenutzt wird, die ihm vielleicht gar nicht klar werden konnten.
Den Schaden davon aber hat die Armee und mit ihr die Nation.
Die schädlichen Folgen dieser tatsächlichen Verhältnisse sollte man nicht
unterschätzen. Wenn z. B. die deutsche Armee betreffende Angelegenheiten von
der englischen Presse ohne Verständnis behandelt zu werden pflegen, so liegt
dies in der einseitigen Behandlung der Verhältnisse bei uns selbst. Man erinnere
sich nur der Kaisermanöverkritiken und der unfreundlichen Kommentare zum
Krupp-Prozeß. Jetzt zieht man in England sehr herablassend die Schulter über
die Preußische Kabinettsorder von 1820, vergißt aber ganz dabei, daß auch in
dieseni klassischen Lande der politischen Freiheiten das Militär in dringenden
Fällen, ohne vorherige Aufforderung von feiten der Zivilbehörden, einschreiten
darf, und zwar auf Grund der sogenannten Kings Regulations von 191.2.
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