Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Die Hexe von Mayen Er plauderte in dieser Tonart weiter und Heilwig gab höfliche Antworten, "Von hier aus werden wir gen Manen reitenl" sagte der Herzog, nach¬ "Weiß der gnädige Herr denn, wie es in der Stadt Mayen ausschaut?" "Ich weiß nichts, Fräulein. Josias Qualen und Daniel Rantzau sind "Es sind schreckliche Menschen, die Franzosen!" rief Heilwig empört, und "Krieg ist Krieg, Fräulein, und wir haben auch keine Samtfinger, wo wir Der Herzog sprach lebhaft und Heilwig hörte ihm aufmerksam zu. Als Die Hexe von Mayen Er plauderte in dieser Tonart weiter und Heilwig gab höfliche Antworten, „Von hier aus werden wir gen Manen reitenl" sagte der Herzog, nach¬ „Weiß der gnädige Herr denn, wie es in der Stadt Mayen ausschaut?" „Ich weiß nichts, Fräulein. Josias Qualen und Daniel Rantzau sind „Es sind schreckliche Menschen, die Franzosen!" rief Heilwig empört, und „Krieg ist Krieg, Fräulein, und wir haben auch keine Samtfinger, wo wir Der Herzog sprach lebhaft und Heilwig hörte ihm aufmerksam zu. Als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327890"/> <fw type="header" place="top"> Die Hexe von Mayen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1967"> Er plauderte in dieser Tonart weiter und Heilwig gab höfliche Antworten,<lb/> lächelte auch, wenn die holsteinischen Junker an sie heranritten und sie auf dies<lb/> und jenes aufmerksam machten. Es war ein malerisches Land, durch das sie<lb/> ritten. Die runden Kuppen der Eifelberge kamen ihnen immer näher, hier und<lb/> dort lag ein Weiler unter großen Bäumen, dann war es wieder kahl und der<lb/> Weg wurde steinigt und rauh; das Volk, das hier vor den Soldaten weglief,<lb/> war ärmlich gekleidet und verhungert. Der Krieg schwang hier zu lange seine<lb/> Geißel. Die Bauern hatten recht, wenn sie flohen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1968"> „Von hier aus werden wir gen Manen reitenl" sagte der Herzog, nach¬<lb/> dem er eine Zeitlang schweigend vor sich hingesehen hatte. „Die Franzosen<lb/> haben es eingenommen; die alte Hexe, die Grill, hat doch nicht getan, was sie<lb/> uns versprach. Nämlich alle Briefe des Stadtschreibers, die er den Franzen<lb/> schrieb, uns auszuliefern. Sie ist eine Verräterin gewesen, obgleich sie zuerst<lb/> nicht ungut schien, aber so ist es mit den Frauenzimmern. Verzeiht, wenn ich<lb/> es sage, Jungfrau, und Euch meine ich nicht damit, weil ich Besseres von Euch<lb/> glaube. Aber im allgemeinen wissen die Weiber nicht, was sie wollen und<lb/> hören auf alles, das ihnen eingeflüstert wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_1969"> „Weiß der gnädige Herr denn, wie es in der Stadt Mayen ausschaut?"<lb/> fragte Heilwig, die blaß geworden war, und der Herzog klopfte den Hals seines<lb/> Mecklenburgers, der ungeduldig auf den steilen Wegen ging.</p><lb/> <p xml:id="ID_1970"> „Ich weiß nichts, Fräulein. Josias Qualen und Daniel Rantzau sind<lb/> einen anderen Weg geritten und wollen sich erkundigen. Nun, sie werden schon<lb/> allerlei erfahren. Haben sich einen jungen rheinischen Junker mitgenommen,<lb/> der bei uns zum Dienen eintreten wollte. Aber der Kurfürst in Ehrenbreitstein<lb/> meinte, er müßte vorerst seine Frau Mutter fragen. Ve ist eine Edelfrau in<lb/> der Nähe hier — ihren Namen hab ich vergessen. Aber der kleine Junker<lb/> kennt hier jeden Fußtritt und schwört den Franzosen Rache. Haben sie doch<lb/> seinen Großvater in Trier auf die Straße gesetzt und sein Haus geplündert<lb/> und ausgebrannt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1971"> „Es sind schreckliche Menschen, die Franzosen!" rief Heilwig empört, und<lb/> Hans Adolf hob die Schultern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1972"> „Krieg ist Krieg, Fräulein, und wir haben auch keine Samtfinger, wo wir<lb/> einen greifen, der uns mißfällt. Aber, ich geb es zu — die Franzen sind eine<lb/> große Plage für ihre Nachbarn. Wären diese einig, würde es wohl nie soweit<lb/> gekommen sein, aber der eine der geistlichen Herren will du und der andere<lb/> hott, und von den rheinischen Rittern laufen die Söhne nach Paris, um dort<lb/> beim König Dienste zu tun. Da muß er fast glauben, die Leute hier warten<lb/> auf ihn, damit er sie französisch mache."</p><lb/> <p xml:id="ID_1973"> Der Herzog sprach lebhaft und Heilwig hörte ihm aufmerksam zu. Als<lb/> er jetzt innehielt und in ihre glänzenden Augen sah, lächelte er und klopfte<lb/> leicht ihre Hand, die die Peitsche hielt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0424]
Die Hexe von Mayen
Er plauderte in dieser Tonart weiter und Heilwig gab höfliche Antworten,
lächelte auch, wenn die holsteinischen Junker an sie heranritten und sie auf dies
und jenes aufmerksam machten. Es war ein malerisches Land, durch das sie
ritten. Die runden Kuppen der Eifelberge kamen ihnen immer näher, hier und
dort lag ein Weiler unter großen Bäumen, dann war es wieder kahl und der
Weg wurde steinigt und rauh; das Volk, das hier vor den Soldaten weglief,
war ärmlich gekleidet und verhungert. Der Krieg schwang hier zu lange seine
Geißel. Die Bauern hatten recht, wenn sie flohen.
„Von hier aus werden wir gen Manen reitenl" sagte der Herzog, nach¬
dem er eine Zeitlang schweigend vor sich hingesehen hatte. „Die Franzosen
haben es eingenommen; die alte Hexe, die Grill, hat doch nicht getan, was sie
uns versprach. Nämlich alle Briefe des Stadtschreibers, die er den Franzen
schrieb, uns auszuliefern. Sie ist eine Verräterin gewesen, obgleich sie zuerst
nicht ungut schien, aber so ist es mit den Frauenzimmern. Verzeiht, wenn ich
es sage, Jungfrau, und Euch meine ich nicht damit, weil ich Besseres von Euch
glaube. Aber im allgemeinen wissen die Weiber nicht, was sie wollen und
hören auf alles, das ihnen eingeflüstert wird."
„Weiß der gnädige Herr denn, wie es in der Stadt Mayen ausschaut?"
fragte Heilwig, die blaß geworden war, und der Herzog klopfte den Hals seines
Mecklenburgers, der ungeduldig auf den steilen Wegen ging.
„Ich weiß nichts, Fräulein. Josias Qualen und Daniel Rantzau sind
einen anderen Weg geritten und wollen sich erkundigen. Nun, sie werden schon
allerlei erfahren. Haben sich einen jungen rheinischen Junker mitgenommen,
der bei uns zum Dienen eintreten wollte. Aber der Kurfürst in Ehrenbreitstein
meinte, er müßte vorerst seine Frau Mutter fragen. Ve ist eine Edelfrau in
der Nähe hier — ihren Namen hab ich vergessen. Aber der kleine Junker
kennt hier jeden Fußtritt und schwört den Franzosen Rache. Haben sie doch
seinen Großvater in Trier auf die Straße gesetzt und sein Haus geplündert
und ausgebrannt."
„Es sind schreckliche Menschen, die Franzosen!" rief Heilwig empört, und
Hans Adolf hob die Schultern.
„Krieg ist Krieg, Fräulein, und wir haben auch keine Samtfinger, wo wir
einen greifen, der uns mißfällt. Aber, ich geb es zu — die Franzen sind eine
große Plage für ihre Nachbarn. Wären diese einig, würde es wohl nie soweit
gekommen sein, aber der eine der geistlichen Herren will du und der andere
hott, und von den rheinischen Rittern laufen die Söhne nach Paris, um dort
beim König Dienste zu tun. Da muß er fast glauben, die Leute hier warten
auf ihn, damit er sie französisch mache."
Der Herzog sprach lebhaft und Heilwig hörte ihm aufmerksam zu. Als
er jetzt innehielt und in ihre glänzenden Augen sah, lächelte er und klopfte
leicht ihre Hand, die die Peitsche hielt.
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