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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Ein Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie

Falkenstein offensichtlich; denn Stielers Sprachschatz weiß 1691 von einer seit
alters "Hornab" oder "Hornaff" benannten specie8 3pit'-u-um mer>8s t^ebruarii
lZrkurti eoetÄl-um. Demnach gab es damals in Erfurt "Ringe" -- und als
solche stellen sich die Hornachten dar --, die man in Erfurt mit dem lang¬
hergebrachten Namen Hornaff bezeichnete. Woher letzterer Name stammt, wußte
weder Stieler noch Falkenstein noch Frisch, der sich offenbar auf letztere beide
stützt, wenn er in seinem oben zitierten Wörterbuch (1741) das zu Erfurt von
Butterteig angefertigte Gebäck des Hornaff, wie auch das anderswo "von
Weitzenbrod in der Fasten fast als ein 3" angefertigtes "Hornappen" erwähnt,
deren "zwei aneinander um zwei Pfennig" zu haben seien und "ohne Zer¬
reißung geteilt werden können", während "die Martinshornap nur einfach" seien.
'

Nachdem der Erfurter Hornaffenbäcker berechtigt war, neben Hornaffen
(-- Horndreien) auch Hornachten zu backen und diese von der Bürgerschaft jenen
vorgezogen wurden, ging der alte Name ohne weiteres auf das neue Gebäck
über. So blieb es in Erfurt, bis seit Mitte vorigen Jahrhunderts "Fasten¬
brezeln" und "Salzstengel" das alte Gebäck verdrängten. Gleichwohl werden
dort nach sachkundigem Berichte noch "Hornachten" gebacken. So lautet "die
eigentliche Bäckerbezeichnung", während "die Kinder" das Gebäck "Hornaffen"
nannten. Es wurde früher aus Weizenmehl hergestellt, dann aber, um beim
Biere Sonnabends und Sonntags schmackhaft zu sein, mit einem Zusatz von
Roggenmehl versehen und mit Salz bestreut unter Weglassung von Milch und
Butter. Die übliche Form entsteht jetzt dadurch, daß auf einem Kuchenbrett acht
Reihenvonje acht verhältnismäßig kleinen Ringen (etwa 8 Zentimeter im Durchmesser)
nebeneinander gelegt werden, die sich infolge des Backens untereinader verbinden
und je nach Wunsch einzeln oder in beliebiger Zahl zusammenhängend verkauft
werden. Das Ganze, in untenstehender auf 16 Ringe beschränkter Abbildung



ersichtlich, stellt nichts anderes als ein quadratisches Fenster mit Butzenscheiben
dar. Die Vereinigung zweier Ringe zu einer Acht hat sich hiernach auf die
acht Reihen von je acht Ringen übertragen; deshalb wird aber noch keines-


Ein Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie

Falkenstein offensichtlich; denn Stielers Sprachschatz weiß 1691 von einer seit
alters „Hornab" oder „Hornaff" benannten specie8 3pit'-u-um mer>8s t^ebruarii
lZrkurti eoetÄl-um. Demnach gab es damals in Erfurt „Ringe" — und als
solche stellen sich die Hornachten dar —, die man in Erfurt mit dem lang¬
hergebrachten Namen Hornaff bezeichnete. Woher letzterer Name stammt, wußte
weder Stieler noch Falkenstein noch Frisch, der sich offenbar auf letztere beide
stützt, wenn er in seinem oben zitierten Wörterbuch (1741) das zu Erfurt von
Butterteig angefertigte Gebäck des Hornaff, wie auch das anderswo „von
Weitzenbrod in der Fasten fast als ein 3" angefertigtes „Hornappen" erwähnt,
deren „zwei aneinander um zwei Pfennig" zu haben seien und „ohne Zer¬
reißung geteilt werden können", während „die Martinshornap nur einfach" seien.
'

Nachdem der Erfurter Hornaffenbäcker berechtigt war, neben Hornaffen
(-- Horndreien) auch Hornachten zu backen und diese von der Bürgerschaft jenen
vorgezogen wurden, ging der alte Name ohne weiteres auf das neue Gebäck
über. So blieb es in Erfurt, bis seit Mitte vorigen Jahrhunderts „Fasten¬
brezeln" und „Salzstengel" das alte Gebäck verdrängten. Gleichwohl werden
dort nach sachkundigem Berichte noch „Hornachten" gebacken. So lautet „die
eigentliche Bäckerbezeichnung", während „die Kinder" das Gebäck „Hornaffen"
nannten. Es wurde früher aus Weizenmehl hergestellt, dann aber, um beim
Biere Sonnabends und Sonntags schmackhaft zu sein, mit einem Zusatz von
Roggenmehl versehen und mit Salz bestreut unter Weglassung von Milch und
Butter. Die übliche Form entsteht jetzt dadurch, daß auf einem Kuchenbrett acht
Reihenvonje acht verhältnismäßig kleinen Ringen (etwa 8 Zentimeter im Durchmesser)
nebeneinander gelegt werden, die sich infolge des Backens untereinader verbinden
und je nach Wunsch einzeln oder in beliebiger Zahl zusammenhängend verkauft
werden. Das Ganze, in untenstehender auf 16 Ringe beschränkter Abbildung



ersichtlich, stellt nichts anderes als ein quadratisches Fenster mit Butzenscheiben
dar. Die Vereinigung zweier Ringe zu einer Acht hat sich hiernach auf die
acht Reihen von je acht Ringen übertragen; deshalb wird aber noch keines-


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[0410] Ein Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie Falkenstein offensichtlich; denn Stielers Sprachschatz weiß 1691 von einer seit alters „Hornab" oder „Hornaff" benannten specie8 3pit'-u-um mer>8s t^ebruarii lZrkurti eoetÄl-um. Demnach gab es damals in Erfurt „Ringe" — und als solche stellen sich die Hornachten dar —, die man in Erfurt mit dem lang¬ hergebrachten Namen Hornaff bezeichnete. Woher letzterer Name stammt, wußte weder Stieler noch Falkenstein noch Frisch, der sich offenbar auf letztere beide stützt, wenn er in seinem oben zitierten Wörterbuch (1741) das zu Erfurt von Butterteig angefertigte Gebäck des Hornaff, wie auch das anderswo „von Weitzenbrod in der Fasten fast als ein 3" angefertigtes „Hornappen" erwähnt, deren „zwei aneinander um zwei Pfennig" zu haben seien und „ohne Zer¬ reißung geteilt werden können", während „die Martinshornap nur einfach" seien. ' Nachdem der Erfurter Hornaffenbäcker berechtigt war, neben Hornaffen (-- Horndreien) auch Hornachten zu backen und diese von der Bürgerschaft jenen vorgezogen wurden, ging der alte Name ohne weiteres auf das neue Gebäck über. So blieb es in Erfurt, bis seit Mitte vorigen Jahrhunderts „Fasten¬ brezeln" und „Salzstengel" das alte Gebäck verdrängten. Gleichwohl werden dort nach sachkundigem Berichte noch „Hornachten" gebacken. So lautet „die eigentliche Bäckerbezeichnung", während „die Kinder" das Gebäck „Hornaffen" nannten. Es wurde früher aus Weizenmehl hergestellt, dann aber, um beim Biere Sonnabends und Sonntags schmackhaft zu sein, mit einem Zusatz von Roggenmehl versehen und mit Salz bestreut unter Weglassung von Milch und Butter. Die übliche Form entsteht jetzt dadurch, daß auf einem Kuchenbrett acht Reihenvonje acht verhältnismäßig kleinen Ringen (etwa 8 Zentimeter im Durchmesser) nebeneinander gelegt werden, die sich infolge des Backens untereinader verbinden und je nach Wunsch einzeln oder in beliebiger Zahl zusammenhängend verkauft werden. Das Ganze, in untenstehender auf 16 Ringe beschränkter Abbildung [Abbildung] ersichtlich, stellt nichts anderes als ein quadratisches Fenster mit Butzenscheiben dar. Die Vereinigung zweier Ringe zu einer Acht hat sich hiernach auf die acht Reihen von je acht Ringen übertragen; deshalb wird aber noch keines-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/410>, abgerufen am 04.01.2025.