Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Iwan Logginowitsch Goremykin als Beamten in die konstituierende Kommission für das Zartum Polen. An¬ Abgesehen von der Zeit als Minister des Innern, und auch in dieser nur Der alte Kampf der russischen Bauern um Land, das sie den großen Iwan Logginowitsch Goremykin als Beamten in die konstituierende Kommission für das Zartum Polen. An¬ Abgesehen von der Zeit als Minister des Innern, und auch in dieser nur Der alte Kampf der russischen Bauern um Land, das sie den großen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327816"/> <fw type="header" place="top"> Iwan Logginowitsch Goremykin</fw><lb/> <p xml:id="ID_1663" prev="#ID_1662"> als Beamten in die konstituierende Kommission für das Zartum Polen. An¬<lb/> fänglich als Bauernkommissar, später als Vizegouverneur von Plock (1866)<lb/> und von Kjelce (1869), nahm er dann auch praktisch tätigen Anteil an der<lb/> Durchführung der Bauernreform vom 19. Februar 1864. Auch später, 1873,<lb/> als im Zartum Polen die bessernde Hand an die Bauerngesetze gelegt wurde,<lb/> befand sich Goremykin in der betreffenden Kommission und blieb bis 1879 in<lb/> Warschau. Dann treffen wir ihn wieder im Senat bis 1891. 1881 und<lb/> 1893 nimmt er lebhaften Anteil an dem Ausbau der Bauerngesetze für die<lb/> russischen Gouvernements. Am 27. November 1891 wurde er Gehilfe des<lb/> Justizministers, am 12. Januar 1894 Senator, am 2. April 1395 Gehilfe des<lb/> Ministers des Innern unter dem höchst unsympathischen Durnowo; 1895, auf<lb/> Pobjedonostzews warme Empfehlung hin, ist er selbst Minister des Innern bis<lb/> 1899, — danach Mitglied des Reichsrates, und 1902/3 vom Zaren ernanntes<lb/> Mitglied der großen, vom Grafen Witte geleiteten Kommission in Bauern¬<lb/> angelegenheiten. Neben der amtlichen Laufbahn war Goremykin neun Jahre<lb/> hindurch Mitglied der Kreissjemstwo von Borowitschi im Gouvernement Now¬<lb/> gorod, wo er gegen fünftausend Hektar Land besitzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1664"> Abgesehen von der Zeit als Minister des Innern, und auch in dieser nur<lb/> mit Maßen, ist Goremykin wenig hervorgetreten, und als das Nowoje Wremja am<lb/> 5. Mai 1906 die Nachricht brachte, Goremykin habe den ganzen Tag in Zarskoje<lb/> Sselo mit dem Zaren konferiert und werde den Grafen Witte als Ministerpräsident<lb/> ablösen, gab es in allen politischen Kreisen Rußlands lebhaftes Erstaunen.<lb/> Niemand hatte es erwartet, daß der lebenskluge Aristokrat, in dessen gastlichen<lb/> Hause an der Ssergejewskaja sich gern ein kleiner Kreis des vornehmen altrussischen<lb/> Adels vereinigte, daß Iwan Logginowitsch je den Ehrgeiz haben könnte, an<lb/> das Steuer des Staatsschiffes zu treten, noch dazu in einem Augenblick höchster<lb/> Gefahr, wo die Wellen der Empörung hoch über Bord schlugen. Noch größer<lb/> ist jetzt, acht Jahre später, das allgemeine Staunen, nun der Fünfundsiebzig-<lb/> jährige noch einmal hervortritt und noch einmal zum Steuer greift, das er<lb/> seinerzeit scheinbar so schwächlich geführt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1665" next="#ID_1666"> Der alte Kampf der russischen Bauern um Land, das sie den großen<lb/> Grundherren abnehmen möchten, und der russischen Gebildeten um Freiheit,<lb/> die sie der Bureaukratie abtrotzen wollen, war dank der ungeheuer schnellen wirt¬<lb/> schaftlichen Mobilisierung, die Ssergej Juliewitsch Witte über Rußland herauf¬<lb/> geführt hatte und im engen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Erstarkung<lb/> einer vorwiegend nicht russischen Mittelschicht in den Städten bis zur Einberufung<lb/> der ersten Duma im Frühjahr 1906 zu einem Kampf um die Grundlagen des<lb/> russischen Staates geworden, bei dem die Duma, nach Auffassung der Mehr¬<lb/> zahl ihrer ersten Mitglieder, nur ein Werkzeug der Fordernden sein sollte. In<lb/> seinen ersten Anfängen unscheinbar und auf Einflüsse der französischen Revo¬<lb/> lution zurückzuführen, hat dieser Kampf seit dem Regierungsantritt Nikolaus des<lb/> Zweiten, korrekter seit des Zaren scharfer Absage an die Sjemstwo von Twer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
Iwan Logginowitsch Goremykin
als Beamten in die konstituierende Kommission für das Zartum Polen. An¬
fänglich als Bauernkommissar, später als Vizegouverneur von Plock (1866)
und von Kjelce (1869), nahm er dann auch praktisch tätigen Anteil an der
Durchführung der Bauernreform vom 19. Februar 1864. Auch später, 1873,
als im Zartum Polen die bessernde Hand an die Bauerngesetze gelegt wurde,
befand sich Goremykin in der betreffenden Kommission und blieb bis 1879 in
Warschau. Dann treffen wir ihn wieder im Senat bis 1891. 1881 und
1893 nimmt er lebhaften Anteil an dem Ausbau der Bauerngesetze für die
russischen Gouvernements. Am 27. November 1891 wurde er Gehilfe des
Justizministers, am 12. Januar 1894 Senator, am 2. April 1395 Gehilfe des
Ministers des Innern unter dem höchst unsympathischen Durnowo; 1895, auf
Pobjedonostzews warme Empfehlung hin, ist er selbst Minister des Innern bis
1899, — danach Mitglied des Reichsrates, und 1902/3 vom Zaren ernanntes
Mitglied der großen, vom Grafen Witte geleiteten Kommission in Bauern¬
angelegenheiten. Neben der amtlichen Laufbahn war Goremykin neun Jahre
hindurch Mitglied der Kreissjemstwo von Borowitschi im Gouvernement Now¬
gorod, wo er gegen fünftausend Hektar Land besitzt.
Abgesehen von der Zeit als Minister des Innern, und auch in dieser nur
mit Maßen, ist Goremykin wenig hervorgetreten, und als das Nowoje Wremja am
5. Mai 1906 die Nachricht brachte, Goremykin habe den ganzen Tag in Zarskoje
Sselo mit dem Zaren konferiert und werde den Grafen Witte als Ministerpräsident
ablösen, gab es in allen politischen Kreisen Rußlands lebhaftes Erstaunen.
Niemand hatte es erwartet, daß der lebenskluge Aristokrat, in dessen gastlichen
Hause an der Ssergejewskaja sich gern ein kleiner Kreis des vornehmen altrussischen
Adels vereinigte, daß Iwan Logginowitsch je den Ehrgeiz haben könnte, an
das Steuer des Staatsschiffes zu treten, noch dazu in einem Augenblick höchster
Gefahr, wo die Wellen der Empörung hoch über Bord schlugen. Noch größer
ist jetzt, acht Jahre später, das allgemeine Staunen, nun der Fünfundsiebzig-
jährige noch einmal hervortritt und noch einmal zum Steuer greift, das er
seinerzeit scheinbar so schwächlich geführt hat.
Der alte Kampf der russischen Bauern um Land, das sie den großen
Grundherren abnehmen möchten, und der russischen Gebildeten um Freiheit,
die sie der Bureaukratie abtrotzen wollen, war dank der ungeheuer schnellen wirt¬
schaftlichen Mobilisierung, die Ssergej Juliewitsch Witte über Rußland herauf¬
geführt hatte und im engen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Erstarkung
einer vorwiegend nicht russischen Mittelschicht in den Städten bis zur Einberufung
der ersten Duma im Frühjahr 1906 zu einem Kampf um die Grundlagen des
russischen Staates geworden, bei dem die Duma, nach Auffassung der Mehr¬
zahl ihrer ersten Mitglieder, nur ein Werkzeug der Fordernden sein sollte. In
seinen ersten Anfängen unscheinbar und auf Einflüsse der französischen Revo¬
lution zurückzuführen, hat dieser Kampf seit dem Regierungsantritt Nikolaus des
Zweiten, korrekter seit des Zaren scharfer Absage an die Sjemstwo von Twer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |