Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Zukunftsfragen des Parlamentarismus Man fängt doch an, Erörterungen, die geeignet sind, das politische Denken an¬ Wenn ich mich unter diesen Gesichtspunkten mit den positiven Vorschlägen Wie weit der Mann recht hatte, kann ich nicht beurteilen; ich weiß nur Ich höre hier den eigentlichen Einwand, vielleicht nicht des Verfassers, aber Zukunftsfragen des Parlamentarismus Man fängt doch an, Erörterungen, die geeignet sind, das politische Denken an¬ Wenn ich mich unter diesen Gesichtspunkten mit den positiven Vorschlägen Wie weit der Mann recht hatte, kann ich nicht beurteilen; ich weiß nur Ich höre hier den eigentlichen Einwand, vielleicht nicht des Verfassers, aber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327720"/> <fw type="header" place="top"> Zukunftsfragen des Parlamentarismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1164" prev="#ID_1163"> Man fängt doch an, Erörterungen, die geeignet sind, das politische Denken an¬<lb/> zuregen und zu vertiefen, in weiteren Kreisen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden<lb/> als früher.</p><lb/> <p xml:id="ID_1165"> Wenn ich mich unter diesen Gesichtspunkten mit den positiven Vorschlägen<lb/> des Grafen Stolberg auseinanderzusetzen habe, so muß ich vor allem möglichst<lb/> klar darlegen, was mich von ihm trennt. Darauf läßt sich dann am besten<lb/> das aufbauen, was ich an den Gedankengängen des Verfassers besonders wert¬<lb/> voll und beachtenswert finde. Ich möchte hier mit einem Gleichnis beginnen.<lb/> Ich habe einmal einen Erfinder kennen gelernt, der behauptete, er habe das<lb/> Problem des lenkbarem Luftschiffes früher gelöst als Graf Zeppelin, und zwar<lb/> schon zu einer Zeit, als man noch, sobald jemand nur von dem Problem<lb/> sprach, geneigt war, sich nach einem Transportwagen zum nächsten Sanatorium<lb/> umzusehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> Wie weit der Mann recht hatte, kann ich nicht beurteilen; ich weiß nur<lb/> noch, daß er mit großem Eifer die Ausführbarkeit seines Projektes und die<lb/> Richtigkeit seiner Berechnungen zu verteidigen wußte. Auf die Frage, warum<lb/> die Sache nicht schon ausgeführt sei, erwiderte er: es hinge nur noch an einer<lb/> Kleinigkeit, der Motor sei zu schwer. Ich erwähne das nicht, um den Mann<lb/> zu verspotten; jeder Techniker weiß, daß das sehr ernsthaft war. Aber was<lb/> jenem Erfinder begegnete, wiederholt sich bei mancher Idee, die an sich den<lb/> richtigen Weg weist, — nur der Motor ist zu schwer! Graf Stolberg unter¬<lb/> schätzt das Schwergewicht des Bestehenden. Er fühlt das wohl, wie seine<lb/> Beweisführung deutlich erkennen läßt, aber er stößt die Hindernisse etwas ge¬<lb/> waltsam beiseite, um zunächst einmal mit aller Energie seine Idee deutlich und<lb/> klar herauszuarbeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167" next="#ID_1168"> Ich höre hier den eigentlichen Einwand, vielleicht nicht des Verfassers, aber<lb/> manches Lesers: Ja, soll denn eine Sache, die an sich vernünftig und gut ist,<lb/> nur um des Bestehenden willen unterbleiben? Muß das Unvernünftige, bereits<lb/> als Irrtum Erkannte durchaus die Oberhand behalten? Soll es immer heißen:<lb/> Unsinn, du siegst? Ich antworte: So nichtI Man soll keineswegs vor dem Be¬<lb/> stehenden Halt machen, wenn es wert ist, daß es zugrunde geht. Nur soll man<lb/> wissen, daß das Bestehende nicht ein Objekt ist, das man nach Belieben aus<lb/> dem Wege stellen kann, sondern eine Summe von immerhin noch lebendigen<lb/> Willenskräften, die wir unter Umständen zu bekämpfen haben. Jeder Kampf<lb/> aber setzt, wenn er gelingen soll, den Gebrauch geeigneter und genügend starker<lb/> Mittel voraus, nicht nur die logische Nichtigkeit der Idee. Ein Feldherr kann</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
Zukunftsfragen des Parlamentarismus
Man fängt doch an, Erörterungen, die geeignet sind, das politische Denken an¬
zuregen und zu vertiefen, in weiteren Kreisen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden
als früher.
Wenn ich mich unter diesen Gesichtspunkten mit den positiven Vorschlägen
des Grafen Stolberg auseinanderzusetzen habe, so muß ich vor allem möglichst
klar darlegen, was mich von ihm trennt. Darauf läßt sich dann am besten
das aufbauen, was ich an den Gedankengängen des Verfassers besonders wert¬
voll und beachtenswert finde. Ich möchte hier mit einem Gleichnis beginnen.
Ich habe einmal einen Erfinder kennen gelernt, der behauptete, er habe das
Problem des lenkbarem Luftschiffes früher gelöst als Graf Zeppelin, und zwar
schon zu einer Zeit, als man noch, sobald jemand nur von dem Problem
sprach, geneigt war, sich nach einem Transportwagen zum nächsten Sanatorium
umzusehen.
Wie weit der Mann recht hatte, kann ich nicht beurteilen; ich weiß nur
noch, daß er mit großem Eifer die Ausführbarkeit seines Projektes und die
Richtigkeit seiner Berechnungen zu verteidigen wußte. Auf die Frage, warum
die Sache nicht schon ausgeführt sei, erwiderte er: es hinge nur noch an einer
Kleinigkeit, der Motor sei zu schwer. Ich erwähne das nicht, um den Mann
zu verspotten; jeder Techniker weiß, daß das sehr ernsthaft war. Aber was
jenem Erfinder begegnete, wiederholt sich bei mancher Idee, die an sich den
richtigen Weg weist, — nur der Motor ist zu schwer! Graf Stolberg unter¬
schätzt das Schwergewicht des Bestehenden. Er fühlt das wohl, wie seine
Beweisführung deutlich erkennen läßt, aber er stößt die Hindernisse etwas ge¬
waltsam beiseite, um zunächst einmal mit aller Energie seine Idee deutlich und
klar herauszuarbeiten.
Ich höre hier den eigentlichen Einwand, vielleicht nicht des Verfassers, aber
manches Lesers: Ja, soll denn eine Sache, die an sich vernünftig und gut ist,
nur um des Bestehenden willen unterbleiben? Muß das Unvernünftige, bereits
als Irrtum Erkannte durchaus die Oberhand behalten? Soll es immer heißen:
Unsinn, du siegst? Ich antworte: So nichtI Man soll keineswegs vor dem Be¬
stehenden Halt machen, wenn es wert ist, daß es zugrunde geht. Nur soll man
wissen, daß das Bestehende nicht ein Objekt ist, das man nach Belieben aus
dem Wege stellen kann, sondern eine Summe von immerhin noch lebendigen
Willenskräften, die wir unter Umständen zu bekämpfen haben. Jeder Kampf
aber setzt, wenn er gelingen soll, den Gebrauch geeigneter und genügend starker
Mittel voraus, nicht nur die logische Nichtigkeit der Idee. Ein Feldherr kann
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