Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Das romantische Bedürfnis unserer Zeit Lin Beitrag zur Rulturxsychologie Dr. W. Warstat von RWXnsere Kultur ist auch heute noch immer vorwiegend eine Kultur Zwar hat sich die kunsterzieherische Bewegung, indem sie Allein die Kämpfer für Ausdruckskultur haben die gefühlsnährende Kraft Aber sehen wir einmal zu, was in der Wissenschaft an deren Stelle ge¬ Das romantische Bedürfnis unserer Zeit Lin Beitrag zur Rulturxsychologie Dr. W. Warstat von RWXnsere Kultur ist auch heute noch immer vorwiegend eine Kultur Zwar hat sich die kunsterzieherische Bewegung, indem sie Allein die Kämpfer für Ausdruckskultur haben die gefühlsnährende Kraft Aber sehen wir einmal zu, was in der Wissenschaft an deren Stelle ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327682"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_327465/figures/grenzboten_341899_327465_327682_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das romantische Bedürfnis unserer Zeit<lb/> Lin Beitrag zur Rulturxsychologie<lb/><note type="byline"> Dr. W. Warstat</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_966"> RWXnsere Kultur ist auch heute noch immer vorwiegend eine Kultur<lb/> des Verstandes, eine intellektuelle Kultur, die Gemütswerte, die<lb/> Gefühlsseite des menschlichen Seelenlebens kommen bei ihr noch<lb/> immer zu kurz.</p><lb/> <p xml:id="ID_967"> Zwar hat sich die kunsterzieherische Bewegung, indem sie<lb/> sich allmählich zu einer Bewegung für allgemeine Ausdrucks kultur auswuchs,<lb/> bemüht, dem Bedürfnis des Menschen nach Auslebung seiner Gefühlsanlage,<lb/> seinem Bedürfnis nach gefühlsmäßigen, nach „romantischem" Erleben, auf dem<lb/> Gebiete der Kunst ein Wirkungsgebiet nachzuweisen. Die Erfüllung des Lebens<lb/> mit künstlerischer Kultur, die Schaffung einer neuen und eigenen Ausdrucks¬<lb/> kultur aus unserer Zeit und für unsere Zeit sollte die Gemütsleere unseres<lb/> modernen Kulturlebens ausfüllen und verdecken.</p><lb/> <p xml:id="ID_968"> Allein die Kämpfer für Ausdruckskultur haben die gefühlsnährende Kraft<lb/> der künstlerischen Werte von vornherein zu hoch eingeschätzt, sie sind heute<lb/> gerade dabei, sie einseitig ganz und gar zu überschätzen. Jedenfalls ist es der<lb/> kunsterzieherischen Bewegung nicht gelungen, die intellektualistische Weiterent¬<lb/> wicklung unserer Kultur aufzuhalten oder auch nur zu hemmen. Allerdings<lb/> muß ihr zugestanden werden, daß sie eifrig mitgeholfen hat bei der Feststellung,<lb/> daß das historische Wissen von alten Kulturformen, daß diese Kulturformen<lb/> selber für unsere lebende Gegenwart mit ihrem Bedürfnis nach Bodenständigkeit<lb/> und Eigenwert nur noch sehr bedingten Wert haben, ebenso wie die historisch¬<lb/> philologische Methode, die uns mit jenen alten Kulturformen bisher auf der<lb/> Schule und auf der Universität vertraut gemacht hatte. Ihr, der kunst¬<lb/> erzieherischen Bewegung, ist es mit zu danken, wenn inzwischen auf dem Gebiete<lb/> der Wissenschaft die historisch-philologische Methode allmählich zurückgedrängt<lb/> worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_969" next="#ID_970"> Aber sehen wir einmal zu, was in der Wissenschaft an deren Stelle ge¬<lb/> treten ist. Die Naturwissenschaft zieht mit ihrer empirischen Methode, mit<lb/> einer Methode, die das sinnlich Faßbare und Meßbare in erster Reihe, und<lb/> zwar verstandesgemäß, intellektuell, wertet, als Siegerin ein. In der Form<lb/> der empirisch-psychologischen Methode hat sich die Naturwissenschaft fogar das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
[Abbildung]
Das romantische Bedürfnis unserer Zeit
Lin Beitrag zur Rulturxsychologie
Dr. W. Warstat von
RWXnsere Kultur ist auch heute noch immer vorwiegend eine Kultur
des Verstandes, eine intellektuelle Kultur, die Gemütswerte, die
Gefühlsseite des menschlichen Seelenlebens kommen bei ihr noch
immer zu kurz.
Zwar hat sich die kunsterzieherische Bewegung, indem sie
sich allmählich zu einer Bewegung für allgemeine Ausdrucks kultur auswuchs,
bemüht, dem Bedürfnis des Menschen nach Auslebung seiner Gefühlsanlage,
seinem Bedürfnis nach gefühlsmäßigen, nach „romantischem" Erleben, auf dem
Gebiete der Kunst ein Wirkungsgebiet nachzuweisen. Die Erfüllung des Lebens
mit künstlerischer Kultur, die Schaffung einer neuen und eigenen Ausdrucks¬
kultur aus unserer Zeit und für unsere Zeit sollte die Gemütsleere unseres
modernen Kulturlebens ausfüllen und verdecken.
Allein die Kämpfer für Ausdruckskultur haben die gefühlsnährende Kraft
der künstlerischen Werte von vornherein zu hoch eingeschätzt, sie sind heute
gerade dabei, sie einseitig ganz und gar zu überschätzen. Jedenfalls ist es der
kunsterzieherischen Bewegung nicht gelungen, die intellektualistische Weiterent¬
wicklung unserer Kultur aufzuhalten oder auch nur zu hemmen. Allerdings
muß ihr zugestanden werden, daß sie eifrig mitgeholfen hat bei der Feststellung,
daß das historische Wissen von alten Kulturformen, daß diese Kulturformen
selber für unsere lebende Gegenwart mit ihrem Bedürfnis nach Bodenständigkeit
und Eigenwert nur noch sehr bedingten Wert haben, ebenso wie die historisch¬
philologische Methode, die uns mit jenen alten Kulturformen bisher auf der
Schule und auf der Universität vertraut gemacht hatte. Ihr, der kunst¬
erzieherischen Bewegung, ist es mit zu danken, wenn inzwischen auf dem Gebiete
der Wissenschaft die historisch-philologische Methode allmählich zurückgedrängt
worden ist.
Aber sehen wir einmal zu, was in der Wissenschaft an deren Stelle ge¬
treten ist. Die Naturwissenschaft zieht mit ihrer empirischen Methode, mit
einer Methode, die das sinnlich Faßbare und Meßbare in erster Reihe, und
zwar verstandesgemäß, intellektuell, wertet, als Siegerin ein. In der Form
der empirisch-psychologischen Methode hat sich die Naturwissenschaft fogar das
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