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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Z>ur Laiidarbeiterfrage

betrieben angesiedelten Arbeiter würden, soweit nicht ausnahmsweise Forstarbeit
vorhanden ist, im Winter beschäftigungslos sein. Die Anstedlung von Ar-
beitern ist nur da möglich, wo dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist.

Die Saisonarbeiterfrage wird niemals durch die Arbeiteransiedlung gelöst
werden. Darüber darf man sich keiner Täuschung hingeben. Nur eine starke
innere Kolonisation, bei der zahlreiche Großbetriebe in Familienbetriebe auf¬
gelöst werden, kann die Zahl der Saisonarbeiter soweit verringern, daß sie
keine Gefahr für die Unabhängigkeit der deutschen Landwirtschaft mehr bilden.
Die russischen Drohungen, die Grenze gegen die Abwanderung von Arbeitern
zu schließen, dürfen daher auch nicht, wie Herr von Dewitz vorschlägt, dahin
führen, die Ansiedlung von Bauern hinter der Arbeiteransiedlung zurücktreten
zu lassen, sondern sollten im Gegenteil ein Sporn sein, die Bauernansiedlung
energischer zu betreiben als bisher. Mit jeder Umwandlung eines Gutsbezirks
in ein Bauerndorf verschwindet eine Kolonne ausländischer Arbeiter für immer
aus dein Lande.

Damit soll nicht gesagt sein, daß die Ansiedlung von Arbeitern auf dem
Lande unterbleiben könne. Auch diese ist dringend notwendig. Denn die starke
Abwanderung vom Lande hat zur Folge gehabt, daß auch ein Mangel an
ständigen Arbeitskräften eingetreten ist, und zwar beim Großbauer sowohl wie
beim Großgrundbesitzer. Diesem Mangel kann durch die Seßhaftmachung von
Arbeiterfamilien begegnet werden. Dabei ist im Osten zu unterscheiden zwischen
der Ansehung von Deputatfamilien auf den Gütern und der Ansiedlung von
freien Arbeitern auf Eigentumsstellen.

Die letztere (die eigentliche Arbeiteransiedlung) hat für den Grundbesitzer
den Mangel, daß der Arbeiter nicht an seinen Dienst gebunden ist. Eine
geringe Lohndifferenz kann zur Folge haben, daß sich der Arbeiter eins andere
Arbeitsstelle sucht, wenn sie auch weiter entfernt liegt als das Gut. Auch kann
kaum verhindert werden, daß der Arbeiter sein Eigentum an eine Person
verkauft, die nach ihren persönlichen Eigenschaften für die Arbeit auf dem Gute
nicht in Frage kommt. Daraus erklärt es sich auch, daß der Großgrundbesitz
bisher der Ansiedlung von Arbeitern auf Eigentumsstellen wenig Interesse ent¬
gegengebracht hat.

Wichtiger für den Großgrundbesitzer ist die Erhaltung der auf dem Gute
noch vorhandenen ständigen Arbeiter und die Ergänzung der Lücken, die die
Abwanderung der ländlichen Bevölkerung bereits in die Reihen der Deputat¬
arbeiter gerissen hat. Auch hierin werden sich die Verhältnisse noch mehr ver¬
schlechtern, wenn sich die Besitzer nicht zu zwei Maßnahmen entschließen: zur
Errichtung guter Wohnungen und zur Erhöhung der Löhne.

Die Löhne auf dem Lande sind trotz der guten Konjunktur verhältnismäßig
niedrig geblieben, und die Arbeiterwohnungen lassen auch heute noch auf vielen
Gütern viel zu wünschen übrig, wenn auch in den letzten Jahren dank dem
guten Beispiele der Domänenverwaltung eine Besserung eingetreten ist. Das


Z>ur Laiidarbeiterfrage

betrieben angesiedelten Arbeiter würden, soweit nicht ausnahmsweise Forstarbeit
vorhanden ist, im Winter beschäftigungslos sein. Die Anstedlung von Ar-
beitern ist nur da möglich, wo dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist.

Die Saisonarbeiterfrage wird niemals durch die Arbeiteransiedlung gelöst
werden. Darüber darf man sich keiner Täuschung hingeben. Nur eine starke
innere Kolonisation, bei der zahlreiche Großbetriebe in Familienbetriebe auf¬
gelöst werden, kann die Zahl der Saisonarbeiter soweit verringern, daß sie
keine Gefahr für die Unabhängigkeit der deutschen Landwirtschaft mehr bilden.
Die russischen Drohungen, die Grenze gegen die Abwanderung von Arbeitern
zu schließen, dürfen daher auch nicht, wie Herr von Dewitz vorschlägt, dahin
führen, die Ansiedlung von Bauern hinter der Arbeiteransiedlung zurücktreten
zu lassen, sondern sollten im Gegenteil ein Sporn sein, die Bauernansiedlung
energischer zu betreiben als bisher. Mit jeder Umwandlung eines Gutsbezirks
in ein Bauerndorf verschwindet eine Kolonne ausländischer Arbeiter für immer
aus dein Lande.

Damit soll nicht gesagt sein, daß die Ansiedlung von Arbeitern auf dem
Lande unterbleiben könne. Auch diese ist dringend notwendig. Denn die starke
Abwanderung vom Lande hat zur Folge gehabt, daß auch ein Mangel an
ständigen Arbeitskräften eingetreten ist, und zwar beim Großbauer sowohl wie
beim Großgrundbesitzer. Diesem Mangel kann durch die Seßhaftmachung von
Arbeiterfamilien begegnet werden. Dabei ist im Osten zu unterscheiden zwischen
der Ansehung von Deputatfamilien auf den Gütern und der Ansiedlung von
freien Arbeitern auf Eigentumsstellen.

Die letztere (die eigentliche Arbeiteransiedlung) hat für den Grundbesitzer
den Mangel, daß der Arbeiter nicht an seinen Dienst gebunden ist. Eine
geringe Lohndifferenz kann zur Folge haben, daß sich der Arbeiter eins andere
Arbeitsstelle sucht, wenn sie auch weiter entfernt liegt als das Gut. Auch kann
kaum verhindert werden, daß der Arbeiter sein Eigentum an eine Person
verkauft, die nach ihren persönlichen Eigenschaften für die Arbeit auf dem Gute
nicht in Frage kommt. Daraus erklärt es sich auch, daß der Großgrundbesitz
bisher der Ansiedlung von Arbeitern auf Eigentumsstellen wenig Interesse ent¬
gegengebracht hat.

Wichtiger für den Großgrundbesitzer ist die Erhaltung der auf dem Gute
noch vorhandenen ständigen Arbeiter und die Ergänzung der Lücken, die die
Abwanderung der ländlichen Bevölkerung bereits in die Reihen der Deputat¬
arbeiter gerissen hat. Auch hierin werden sich die Verhältnisse noch mehr ver¬
schlechtern, wenn sich die Besitzer nicht zu zwei Maßnahmen entschließen: zur
Errichtung guter Wohnungen und zur Erhöhung der Löhne.

Die Löhne auf dem Lande sind trotz der guten Konjunktur verhältnismäßig
niedrig geblieben, und die Arbeiterwohnungen lassen auch heute noch auf vielen
Gütern viel zu wünschen übrig, wenn auch in den letzten Jahren dank dem
guten Beispiele der Domänenverwaltung eine Besserung eingetreten ist. Das


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[0174] Z>ur Laiidarbeiterfrage betrieben angesiedelten Arbeiter würden, soweit nicht ausnahmsweise Forstarbeit vorhanden ist, im Winter beschäftigungslos sein. Die Anstedlung von Ar- beitern ist nur da möglich, wo dauernd Arbeitsgelegenheit vorhanden ist. Die Saisonarbeiterfrage wird niemals durch die Arbeiteransiedlung gelöst werden. Darüber darf man sich keiner Täuschung hingeben. Nur eine starke innere Kolonisation, bei der zahlreiche Großbetriebe in Familienbetriebe auf¬ gelöst werden, kann die Zahl der Saisonarbeiter soweit verringern, daß sie keine Gefahr für die Unabhängigkeit der deutschen Landwirtschaft mehr bilden. Die russischen Drohungen, die Grenze gegen die Abwanderung von Arbeitern zu schließen, dürfen daher auch nicht, wie Herr von Dewitz vorschlägt, dahin führen, die Ansiedlung von Bauern hinter der Arbeiteransiedlung zurücktreten zu lassen, sondern sollten im Gegenteil ein Sporn sein, die Bauernansiedlung energischer zu betreiben als bisher. Mit jeder Umwandlung eines Gutsbezirks in ein Bauerndorf verschwindet eine Kolonne ausländischer Arbeiter für immer aus dein Lande. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Ansiedlung von Arbeitern auf dem Lande unterbleiben könne. Auch diese ist dringend notwendig. Denn die starke Abwanderung vom Lande hat zur Folge gehabt, daß auch ein Mangel an ständigen Arbeitskräften eingetreten ist, und zwar beim Großbauer sowohl wie beim Großgrundbesitzer. Diesem Mangel kann durch die Seßhaftmachung von Arbeiterfamilien begegnet werden. Dabei ist im Osten zu unterscheiden zwischen der Ansehung von Deputatfamilien auf den Gütern und der Ansiedlung von freien Arbeitern auf Eigentumsstellen. Die letztere (die eigentliche Arbeiteransiedlung) hat für den Grundbesitzer den Mangel, daß der Arbeiter nicht an seinen Dienst gebunden ist. Eine geringe Lohndifferenz kann zur Folge haben, daß sich der Arbeiter eins andere Arbeitsstelle sucht, wenn sie auch weiter entfernt liegt als das Gut. Auch kann kaum verhindert werden, daß der Arbeiter sein Eigentum an eine Person verkauft, die nach ihren persönlichen Eigenschaften für die Arbeit auf dem Gute nicht in Frage kommt. Daraus erklärt es sich auch, daß der Großgrundbesitz bisher der Ansiedlung von Arbeitern auf Eigentumsstellen wenig Interesse ent¬ gegengebracht hat. Wichtiger für den Großgrundbesitzer ist die Erhaltung der auf dem Gute noch vorhandenen ständigen Arbeiter und die Ergänzung der Lücken, die die Abwanderung der ländlichen Bevölkerung bereits in die Reihen der Deputat¬ arbeiter gerissen hat. Auch hierin werden sich die Verhältnisse noch mehr ver¬ schlechtern, wenn sich die Besitzer nicht zu zwei Maßnahmen entschließen: zur Errichtung guter Wohnungen und zur Erhöhung der Löhne. Die Löhne auf dem Lande sind trotz der guten Konjunktur verhältnismäßig niedrig geblieben, und die Arbeiterwohnungen lassen auch heute noch auf vielen Gütern viel zu wünschen übrig, wenn auch in den letzten Jahren dank dem guten Beispiele der Domänenverwaltung eine Besserung eingetreten ist. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/174>, abgerufen am 29.12.2024.