Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Der geplante Ranaltunncl zwischen Frankreich und England das gesamte Expeditionsheer (Hundertsechzigtausend Mann -- sechs Divisionen) Es unterliegt also keinem Zweifel, daß mit einem Eingreifen englischer Die wichtigste Frage, von der die endgültige Genehmigung des Tunnel¬ In den Zeiten, als England noch nicht auf so freundschaftlichem Fuße mit Ferner sei nicht von der Hand zu weisen, daß ein kontinentaler Gegner Diese Argumente führte vor allem Lord Wolseley im Jahre 1L82 gegen Der geplante Ranaltunncl zwischen Frankreich und England das gesamte Expeditionsheer (Hundertsechzigtausend Mann — sechs Divisionen) Es unterliegt also keinem Zweifel, daß mit einem Eingreifen englischer Die wichtigste Frage, von der die endgültige Genehmigung des Tunnel¬ In den Zeiten, als England noch nicht auf so freundschaftlichem Fuße mit Ferner sei nicht von der Hand zu weisen, daß ein kontinentaler Gegner Diese Argumente führte vor allem Lord Wolseley im Jahre 1L82 gegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327594"/> <fw type="header" place="top"> Der geplante Ranaltunncl zwischen Frankreich und England</fw><lb/> <p xml:id="ID_474" prev="#ID_473"> das gesamte Expeditionsheer (Hundertsechzigtausend Mann — sechs Divisionen)<lb/> sogleich zu Beginn des Krieges nach dem Kontinent hinüberzusenden, da die<lb/> größte Gefahr für England die Störung des europäischen Gleichgewichtes sei.<lb/> Lord Crewe fügte als Vertreter der Regierung hinzu, daß es von der politischen<lb/> und strategischen Lage abhänge, ob man sofort alle sechs Divisionen oder nur<lb/> einen Teil des Heeres absende.</p><lb/> <p xml:id="ID_475"> Es unterliegt also keinem Zweifel, daß mit einem Eingreifen englischer<lb/> Truppen auf dem Kontinent gerechnet werden muß. So lange aber die Ver¬<lb/> hältnisse zur See noch nicht geklärt sind, und ein Entscheidungskampf der Flotten<lb/> noch nicht stattgefunden hat, können Transportschiffe auch unter dem Schutz<lb/> eigener Kriegsschiffe nicht mit Sicherheit ungefährdet den Kanal durchqueren,<lb/> da bei ungünstigem Wetter, wie Nebel und Regen, feindliche Torpedoboote sehr<lb/> wohl den Transportschiffen gefährlich werden können. Der Abtransport der<lb/> Truppen durch den Kanaltunnel schließt jedoch jede Gefährdung aus. Aller¬<lb/> dings darf die Leistungsfähigkeit einer Eisenbahn nicht überschätzt werden, da<lb/> z. B. ein deutsches mobiles Armeekorps hundertsechsunddreißig Züge zu hundert<lb/> bis hundertundzehn Achsen für seine Beförderung bedarf. Bei sicheren Ver¬<lb/> hältnissen zur See würde also eine gleichzeitige Einschiffung der Truppen an<lb/> mehreren Punkten zu einer rascheren Beförderung nach dem Kontinent führen,<lb/> als durch eine Bahnbeförderung. Voraussichtlich würde man wohl beide Trans¬<lb/> portmittel zu gleicher Zeit wählen.</p><lb/> <p xml:id="ID_476"> Die wichtigste Frage, von der die endgültige Genehmigung des Tunnel¬<lb/> baues abhängen wird, ist die Verteidigungsfähigkeit der Anlagen gegen einen<lb/> feindlichen Angriff oder Handstreich.</p><lb/> <p xml:id="ID_477"> In den Zeiten, als England noch nicht auf so freundschaftlichem Fuße mit<lb/> Frankreich stand, war die Furcht vor einer französischen Invasion im englischen<lb/> Volke vorherrschend. Diese Befürchtungen sind, wenn auch nicht sür immer, so<lb/> doch vorläufig nicht mehr aufrechtzuerhalten. Gegner des Projekts benutzen<lb/> jedoch die antideutsche Stimmung in England, um Deutschland als den<lb/> gefährlichen Feind in den Vordergrund zu rücken. Im Falle eines siegreichen<lb/> Vorgehens der deutschen Armee im Kampfe mit Frankreich, sagen sie, sei es<lb/> wohl möglich, daß der eine Endpunkt des Tunnels in deutsche Hände gelange.<lb/> Wenn es auch dann für ausgeschlossen gehalten wird, daß der Tunnel als<lb/> Angriffsweg gegen England benutzt wird, so würde doch schon allein die Zer¬<lb/> störung desselben eine beträchtliche Schädigung des Nationalvermögens bedeuten.<lb/> Nicht ausgeschlossen sei ferner, daß nach einem unglücklichen Kriege ein Endpunkt<lb/> des Tunnels in dauerndem Besitz des Feindes bliebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_478"> Ferner sei nicht von der Hand zu weisen, daß ein kontinentaler Gegner<lb/> durch Handstreich, vielleicht ohne vorherige Kriegserklärung, sich beider Tunnelpunkte<lb/> bemächtigen könne und auf diese Weise später den Weg nach England frei habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_479" next="#ID_480"> Diese Argumente führte vor allem Lord Wolseley im Jahre 1L82 gegen<lb/> den Kanal an, und so kam es, daß sich damals die militärische Kommission,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Der geplante Ranaltunncl zwischen Frankreich und England
das gesamte Expeditionsheer (Hundertsechzigtausend Mann — sechs Divisionen)
sogleich zu Beginn des Krieges nach dem Kontinent hinüberzusenden, da die
größte Gefahr für England die Störung des europäischen Gleichgewichtes sei.
Lord Crewe fügte als Vertreter der Regierung hinzu, daß es von der politischen
und strategischen Lage abhänge, ob man sofort alle sechs Divisionen oder nur
einen Teil des Heeres absende.
Es unterliegt also keinem Zweifel, daß mit einem Eingreifen englischer
Truppen auf dem Kontinent gerechnet werden muß. So lange aber die Ver¬
hältnisse zur See noch nicht geklärt sind, und ein Entscheidungskampf der Flotten
noch nicht stattgefunden hat, können Transportschiffe auch unter dem Schutz
eigener Kriegsschiffe nicht mit Sicherheit ungefährdet den Kanal durchqueren,
da bei ungünstigem Wetter, wie Nebel und Regen, feindliche Torpedoboote sehr
wohl den Transportschiffen gefährlich werden können. Der Abtransport der
Truppen durch den Kanaltunnel schließt jedoch jede Gefährdung aus. Aller¬
dings darf die Leistungsfähigkeit einer Eisenbahn nicht überschätzt werden, da
z. B. ein deutsches mobiles Armeekorps hundertsechsunddreißig Züge zu hundert
bis hundertundzehn Achsen für seine Beförderung bedarf. Bei sicheren Ver¬
hältnissen zur See würde also eine gleichzeitige Einschiffung der Truppen an
mehreren Punkten zu einer rascheren Beförderung nach dem Kontinent führen,
als durch eine Bahnbeförderung. Voraussichtlich würde man wohl beide Trans¬
portmittel zu gleicher Zeit wählen.
Die wichtigste Frage, von der die endgültige Genehmigung des Tunnel¬
baues abhängen wird, ist die Verteidigungsfähigkeit der Anlagen gegen einen
feindlichen Angriff oder Handstreich.
In den Zeiten, als England noch nicht auf so freundschaftlichem Fuße mit
Frankreich stand, war die Furcht vor einer französischen Invasion im englischen
Volke vorherrschend. Diese Befürchtungen sind, wenn auch nicht sür immer, so
doch vorläufig nicht mehr aufrechtzuerhalten. Gegner des Projekts benutzen
jedoch die antideutsche Stimmung in England, um Deutschland als den
gefährlichen Feind in den Vordergrund zu rücken. Im Falle eines siegreichen
Vorgehens der deutschen Armee im Kampfe mit Frankreich, sagen sie, sei es
wohl möglich, daß der eine Endpunkt des Tunnels in deutsche Hände gelange.
Wenn es auch dann für ausgeschlossen gehalten wird, daß der Tunnel als
Angriffsweg gegen England benutzt wird, so würde doch schon allein die Zer¬
störung desselben eine beträchtliche Schädigung des Nationalvermögens bedeuten.
Nicht ausgeschlossen sei ferner, daß nach einem unglücklichen Kriege ein Endpunkt
des Tunnels in dauerndem Besitz des Feindes bliebe.
Ferner sei nicht von der Hand zu weisen, daß ein kontinentaler Gegner
durch Handstreich, vielleicht ohne vorherige Kriegserklärung, sich beider Tunnelpunkte
bemächtigen könne und auf diese Weise später den Weg nach England frei habe.
Diese Argumente führte vor allem Lord Wolseley im Jahre 1L82 gegen
den Kanal an, und so kam es, daß sich damals die militärische Kommission,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |