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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches
[Beginn Spaltensatz] Wirtschaftsform der nordischen Bauern dar,
die infolge der technischen Veränderungen im
Schwinden begriffen ist, -- als auch das Psy¬
chologische der Gestalten des Buches in der
Beleuchtung des Dichters. Indem Winter
anfangs an einem reinen Sachsen festhielt,
Herausgeholt aus den Objekten der Landschaft
und des Bauerntums, wuchs ihm sicher und
überzeugend die typisierende Verklärung zu,
die in ihrem Stimmungsreiz die gleiche Nu¬
ance erreichte, wie die Poesie des Wortes. Es ist in der Tat eine vollkommene
Jllustrierung zustande gekommen. Man mag
den großen Band aufschlagen wo man will:
überall wird man mitgehen mit der Art,
wie hier die Welt Jörn Abts dargestellt
ist. Nirgends trifft man auf einen schablo¬
nischen oder mechanischen Ausdruck. Überall
quillt Leben und Wirklichkeit in echt deutscher
Wahrhaftigkeit und Vertiefung. Freilich, nicht
der flüchtige Blick führt in die Innerlichkeit
der Gestaltung ein: wer den Roman nur
zur Unterhaltung rasch überfliegt, wird auch
den Wert der Bilder nicht erfassen. Er wird [Spaltenumbruch]
nur denen offenbar, die sich Muße und
Stimmung nehmen, sich in das einzelne zu
versenken. Wer die holsteinische Bauernwelt
kennt, wird sich schneller in manche Eigen¬
arten hineinfinden, -- so etwa die etwas
hölzerne, aber der Wirklichkeit entsprechende
Formung der Figuren. Wer mit ihr nicht
vertraut ist, muß aus der Dichtung die Steif¬
heit der schwer arbeitenden Glieder erfahren.
Es ist ja überhaupt eines der feinsten Wunder
dieser Illustration, zu sehen, wie Wort und
Bild immer Hand in Hand gehen, ohne daß
sich darum nun der Zeichner etwa im Zwange
des Dichters fühlte, sondern wie dieser einst
vor Jahren, so wußte auch jener sich ganz
frei und unbehindert beim Schaffen und ließ
allein seine Phantasie führen, daß sie aus
sich heraus in ungestörter Lust die den Worten
entsprechende Anschauung gebar. . . . Der Verlag hat mit einzig dastehender
Opferwilligkeit dem Werte der Bilder ent¬
sprochen. Er hat keine der üblichen billigen
Maschinenrevroduktivnen gewählt, die so un¬
endlich verflachend sind, sondern er griff zu [Ende Spaltensatz]



Maßgebliches und Unmaßgebliches
[Beginn Spaltensatz] Wirtschaftsform der nordischen Bauern dar,
die infolge der technischen Veränderungen im
Schwinden begriffen ist, — als auch das Psy¬
chologische der Gestalten des Buches in der
Beleuchtung des Dichters. Indem Winter
anfangs an einem reinen Sachsen festhielt,
Herausgeholt aus den Objekten der Landschaft
und des Bauerntums, wuchs ihm sicher und
überzeugend die typisierende Verklärung zu,
die in ihrem Stimmungsreiz die gleiche Nu¬
ance erreichte, wie die Poesie des Wortes. Es ist in der Tat eine vollkommene
Jllustrierung zustande gekommen. Man mag
den großen Band aufschlagen wo man will:
überall wird man mitgehen mit der Art,
wie hier die Welt Jörn Abts dargestellt
ist. Nirgends trifft man auf einen schablo¬
nischen oder mechanischen Ausdruck. Überall
quillt Leben und Wirklichkeit in echt deutscher
Wahrhaftigkeit und Vertiefung. Freilich, nicht
der flüchtige Blick führt in die Innerlichkeit
der Gestaltung ein: wer den Roman nur
zur Unterhaltung rasch überfliegt, wird auch
den Wert der Bilder nicht erfassen. Er wird [Spaltenumbruch]
nur denen offenbar, die sich Muße und
Stimmung nehmen, sich in das einzelne zu
versenken. Wer die holsteinische Bauernwelt
kennt, wird sich schneller in manche Eigen¬
arten hineinfinden, — so etwa die etwas
hölzerne, aber der Wirklichkeit entsprechende
Formung der Figuren. Wer mit ihr nicht
vertraut ist, muß aus der Dichtung die Steif¬
heit der schwer arbeitenden Glieder erfahren.
Es ist ja überhaupt eines der feinsten Wunder
dieser Illustration, zu sehen, wie Wort und
Bild immer Hand in Hand gehen, ohne daß
sich darum nun der Zeichner etwa im Zwange
des Dichters fühlte, sondern wie dieser einst
vor Jahren, so wußte auch jener sich ganz
frei und unbehindert beim Schaffen und ließ
allein seine Phantasie führen, daß sie aus
sich heraus in ungestörter Lust die den Worten
entsprechende Anschauung gebar. . . . Der Verlag hat mit einzig dastehender
Opferwilligkeit dem Werte der Bilder ent¬
sprochen. Er hat keine der üblichen billigen
Maschinenrevroduktivnen gewählt, die so un¬
endlich verflachend sind, sondern er griff zu [Ende Spaltensatz]



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[0594] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wirtschaftsform der nordischen Bauern dar, die infolge der technischen Veränderungen im Schwinden begriffen ist, — als auch das Psy¬ chologische der Gestalten des Buches in der Beleuchtung des Dichters. Indem Winter anfangs an einem reinen Sachsen festhielt, Herausgeholt aus den Objekten der Landschaft und des Bauerntums, wuchs ihm sicher und überzeugend die typisierende Verklärung zu, die in ihrem Stimmungsreiz die gleiche Nu¬ ance erreichte, wie die Poesie des Wortes. Es ist in der Tat eine vollkommene Jllustrierung zustande gekommen. Man mag den großen Band aufschlagen wo man will: überall wird man mitgehen mit der Art, wie hier die Welt Jörn Abts dargestellt ist. Nirgends trifft man auf einen schablo¬ nischen oder mechanischen Ausdruck. Überall quillt Leben und Wirklichkeit in echt deutscher Wahrhaftigkeit und Vertiefung. Freilich, nicht der flüchtige Blick führt in die Innerlichkeit der Gestaltung ein: wer den Roman nur zur Unterhaltung rasch überfliegt, wird auch den Wert der Bilder nicht erfassen. Er wird nur denen offenbar, die sich Muße und Stimmung nehmen, sich in das einzelne zu versenken. Wer die holsteinische Bauernwelt kennt, wird sich schneller in manche Eigen¬ arten hineinfinden, — so etwa die etwas hölzerne, aber der Wirklichkeit entsprechende Formung der Figuren. Wer mit ihr nicht vertraut ist, muß aus der Dichtung die Steif¬ heit der schwer arbeitenden Glieder erfahren. Es ist ja überhaupt eines der feinsten Wunder dieser Illustration, zu sehen, wie Wort und Bild immer Hand in Hand gehen, ohne daß sich darum nun der Zeichner etwa im Zwange des Dichters fühlte, sondern wie dieser einst vor Jahren, so wußte auch jener sich ganz frei und unbehindert beim Schaffen und ließ allein seine Phantasie führen, daß sie aus sich heraus in ungestörter Lust die den Worten entsprechende Anschauung gebar. . . . Der Verlag hat mit einzig dastehender Opferwilligkeit dem Werte der Bilder ent¬ sprochen. Er hat keine der üblichen billigen Maschinenrevroduktivnen gewählt, die so un¬ endlich verflachend sind, sondern er griff zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/594>, abgerufen am 28.07.2024.