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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Das französische Lisenbahnsystcm

während je eine Linie hinter dem rechten und linken Flügel bei Widekind, bzw.
Colmar oder Mülhausen weiter entfernt bleiben.

Da aber von den zwölf deutschen Linien nur acht zweigleisig, vier jedoch
eingleisig sind, diese letzteren aber wohl nur etwa vierundzwanzig Züge täglich
leisten werden, so wird der Aufmarsch der deutschen Heere in der Linie Dieden-
hofen--Metz--Zabern erst am fünfzehnten Mobilmachungstage vollendet sein
können. Die französische Armee wird also dank der erreichten höheren Leistungs¬
fähigkeit ihrer Bahnen einen Vorsprung von etwa zwei Tagen für den stra¬
tegischen Aufmarsch gewonnen haben.

Ob dieser Vorsprung den Verlauf des Feldzuges günstig beeinflussen wird,
muß hier unerörtert bleiben!

Aber auch für den Fall, daß Frankreich sich entschlösse, den Hauptangriff
gegen Deutschland durch Belgien zu führen, ist das französische Eisenbahnnetz
vorzüglich entwickelt.

Für den strategischen Aufmarsch der französischen Hauptarmee in der Linie
Möziöres--Hirson--Maubeuge--Lille würden sodann neun zweigleisige Eisen¬
bahnen zur Verfügung stehen. Hiervon enden:

2 Linien bei Meziöres (von Verdun und Reims).
2 " " Liart (von Se. Mönehould und Reims),
1 Linie " Hirson (von Laon),
1 " " Maubeuge (von Se. Quentin),
1 " " Valenciennes (von Cambrai),
2 Linien " Lille (von Amiens und Rouen).

Deutschland hätte aber für den Fall, daß es zu Gegenmaßregeln gegen
eine solche Umfassung gezwungen würde, nur sieben Bahnen zum Aufmarsch
an der belgisch-luxemburgischen Grenze in der Linie Aachen--Trier zur Ver¬
fügung, von denen noch dazu eine eingleisig ist.

Von diesen Linien enden:

3 zweigleisige bei Aachen (von Köln, Düsseldorf und Duisburg),
1 eingleisige bei Se. Vieh (von Koblenz),
3 zweigleisige bei Trier (von Köln, Koblenz, Saarbrücken).

Also auch für diesen Fall ist das französische Bahnnetz günstiger als das
deutsche entwickelt.

Die Betrachtung des französischen Eisenbahnsystems beweist uns in ein"
dringlicher Weise den ungeheuren Aufschwung, welchen das französische Kriegs¬
wesen in allen Zweigen der Verwaltung seit dem Kriege von 1870/71 ge¬
nommen. Frankreich hat seine Armee in bezug auf Organisation, Größe,
Ausbildung, Bewaffnung und Führung auf eine so hohe, achtunggebietende
Stufe der Vollkommenheit gebracht, daß es mit Ruhe dem ersehnten entscheiden¬
den Vergeltungskampfe mit dem verhaßten Gegner glaubt entgegensehen zu können.




Das französische Lisenbahnsystcm

während je eine Linie hinter dem rechten und linken Flügel bei Widekind, bzw.
Colmar oder Mülhausen weiter entfernt bleiben.

Da aber von den zwölf deutschen Linien nur acht zweigleisig, vier jedoch
eingleisig sind, diese letzteren aber wohl nur etwa vierundzwanzig Züge täglich
leisten werden, so wird der Aufmarsch der deutschen Heere in der Linie Dieden-
hofen—Metz—Zabern erst am fünfzehnten Mobilmachungstage vollendet sein
können. Die französische Armee wird also dank der erreichten höheren Leistungs¬
fähigkeit ihrer Bahnen einen Vorsprung von etwa zwei Tagen für den stra¬
tegischen Aufmarsch gewonnen haben.

Ob dieser Vorsprung den Verlauf des Feldzuges günstig beeinflussen wird,
muß hier unerörtert bleiben!

Aber auch für den Fall, daß Frankreich sich entschlösse, den Hauptangriff
gegen Deutschland durch Belgien zu führen, ist das französische Eisenbahnnetz
vorzüglich entwickelt.

Für den strategischen Aufmarsch der französischen Hauptarmee in der Linie
Möziöres—Hirson—Maubeuge—Lille würden sodann neun zweigleisige Eisen¬
bahnen zur Verfügung stehen. Hiervon enden:

2 Linien bei Meziöres (von Verdun und Reims).
2 „ „ Liart (von Se. Mönehould und Reims),
1 Linie „ Hirson (von Laon),
1 „ „ Maubeuge (von Se. Quentin),
1 „ „ Valenciennes (von Cambrai),
2 Linien „ Lille (von Amiens und Rouen).

Deutschland hätte aber für den Fall, daß es zu Gegenmaßregeln gegen
eine solche Umfassung gezwungen würde, nur sieben Bahnen zum Aufmarsch
an der belgisch-luxemburgischen Grenze in der Linie Aachen—Trier zur Ver¬
fügung, von denen noch dazu eine eingleisig ist.

Von diesen Linien enden:

3 zweigleisige bei Aachen (von Köln, Düsseldorf und Duisburg),
1 eingleisige bei Se. Vieh (von Koblenz),
3 zweigleisige bei Trier (von Köln, Koblenz, Saarbrücken).

Also auch für diesen Fall ist das französische Bahnnetz günstiger als das
deutsche entwickelt.

Die Betrachtung des französischen Eisenbahnsystems beweist uns in ein»
dringlicher Weise den ungeheuren Aufschwung, welchen das französische Kriegs¬
wesen in allen Zweigen der Verwaltung seit dem Kriege von 1870/71 ge¬
nommen. Frankreich hat seine Armee in bezug auf Organisation, Größe,
Ausbildung, Bewaffnung und Führung auf eine so hohe, achtunggebietende
Stufe der Vollkommenheit gebracht, daß es mit Ruhe dem ersehnten entscheiden¬
den Vergeltungskampfe mit dem verhaßten Gegner glaubt entgegensehen zu können.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/574>, abgerufen am 06.07.2024.