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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Arbeiterfrage in F^fehl

Standpunkt leuchtet diese Behandlung auch ein, die die indische Regierung für
ihre Untertanen in Fidschi beansprucht. Für die sehr harte Arbeit und die
Unterwerfung unter des Europäers Interesse während der Arbeitsverpflichtnng
soll man nach fünf Jahren dem den Gesetzen gehorchenden Inder ein Äquivalent
bieten.

Wie verhalten sich nun die Leistungen der zu fünfjähriger Kontraktarbeit
verpflichteten Inder in der Praxis?

Der mehrfach erwähnte Bericht der englischen - indischen Untersuchungs¬
kommission der Verhältnisse der Inder in englischen Kolonien gibt über diese
Frage interessante Aufschlüsse. In der Praxis erschien der Kuli in Fidschi an
88.63 Prozent der Tage zur Arbeit, Frauen arbeiteten an 76,32 Prozent der Tage.
Der Durchschnittslohn für den männlichen Inder belief sich im Jahre 1907,
für welchen Zeitraum diese Statistik veröffentlicht werden, auf 11,57 Pence,
bei Frauen auf 5,93 Pence Sterling. Der Durchschnittslohn jedoch, eines
männlichen Arbeiters für jeden Tag, den er wirklich gearbeitet hat, betrug
13,05 Pence, woraus klar zu ersehen ist, daß ein Arbeiter mehr verdienen
kann, wenn er will, da seine ihm zugeteilte Arbeit nur ein Arbeitsminimum
darstellt. Dies sind sehr zufriedenstellende Durchschnittszahlen, die beweisen,
daß der starke, willige Arbeiter gerechte Behandlung erfährt und guten Lohn
erhält. Nicht ganz so günstig sind die Statistiker über Arbeitskontraktsverlängerung
infolge Abwesenheit von den Plantagen oder aus anderen Gründen. In
33.64 Prozent der Kontrakte wurde ein Verdikt für Arbeitsverlängeruug ge¬
währt, und durchschnittlich 62 Tage mußten in diesen Fällen von den Indern
über die fünf Jahre hinaus nachgearbeitet werden. 2291 Gesetzesübertretungen
wurden von Pflanzungsleitern angezeigt; 90 Prozent derselben wurden geahndet,
1461 Inder wurden davon betroffen. Der Bericht gibt zu, daß die Inder,
die 1902 in die Kolonie kamen und zu diesen Ausstellungen Anlaß gaben,
nicht aus der richtigen Bevölkerung in Indien rekrutiert worden waren;
anderseits ließ es aber auch der Pflanzungsbesitzer in Fidschi, trotz gerechter Be¬
handlung, an der nötigen Sympathie für seine Arbeiter fehlen. Nach meiner
Kenntnis, die ich in den letzten drei Jahren durch mehrere Besuche in Fidschi
und Besprechungen mit den Besitzern der größten Plantagen gewonnen habe, trifft
diese Klage der indischen Regierung heute nicht mehr zu. Die meisten Fälle von
Klagen betrafen Müßiggänger; durch bessere Auswahl in Indien versuchte man
ein besseres Material zu erlangen; etwas mehr Takt seitens der Arbeitgeber
wurde verlangt. Das Resultat ist, daß bei entgegenkommenden Wesen seitens
des Arbeitgebers ein besseres Verhältnis zwischen ihm und den Indern, die sich
willig von einer gütigen Behandlung beeinflusse" lassen, erzielt wurde.

Die Kosten eines Pflanzers für einen männlichen Kuli, der sich ihm für
fünf Jahre verpflichtet, beträgt einschließlich der Anwerbungsausgabeu, der Ver¬
pflegung, der Hospital- und ärztlichen Behandlung, 100 Pfund Sterling, d. h.
also 20 Pfund Sterling im Jahr (etwa 400 Mark). Das ist im Vergleich zu


Die Arbeiterfrage in F^fehl

Standpunkt leuchtet diese Behandlung auch ein, die die indische Regierung für
ihre Untertanen in Fidschi beansprucht. Für die sehr harte Arbeit und die
Unterwerfung unter des Europäers Interesse während der Arbeitsverpflichtnng
soll man nach fünf Jahren dem den Gesetzen gehorchenden Inder ein Äquivalent
bieten.

Wie verhalten sich nun die Leistungen der zu fünfjähriger Kontraktarbeit
verpflichteten Inder in der Praxis?

Der mehrfach erwähnte Bericht der englischen - indischen Untersuchungs¬
kommission der Verhältnisse der Inder in englischen Kolonien gibt über diese
Frage interessante Aufschlüsse. In der Praxis erschien der Kuli in Fidschi an
88.63 Prozent der Tage zur Arbeit, Frauen arbeiteten an 76,32 Prozent der Tage.
Der Durchschnittslohn für den männlichen Inder belief sich im Jahre 1907,
für welchen Zeitraum diese Statistik veröffentlicht werden, auf 11,57 Pence,
bei Frauen auf 5,93 Pence Sterling. Der Durchschnittslohn jedoch, eines
männlichen Arbeiters für jeden Tag, den er wirklich gearbeitet hat, betrug
13,05 Pence, woraus klar zu ersehen ist, daß ein Arbeiter mehr verdienen
kann, wenn er will, da seine ihm zugeteilte Arbeit nur ein Arbeitsminimum
darstellt. Dies sind sehr zufriedenstellende Durchschnittszahlen, die beweisen,
daß der starke, willige Arbeiter gerechte Behandlung erfährt und guten Lohn
erhält. Nicht ganz so günstig sind die Statistiker über Arbeitskontraktsverlängerung
infolge Abwesenheit von den Plantagen oder aus anderen Gründen. In
33.64 Prozent der Kontrakte wurde ein Verdikt für Arbeitsverlängeruug ge¬
währt, und durchschnittlich 62 Tage mußten in diesen Fällen von den Indern
über die fünf Jahre hinaus nachgearbeitet werden. 2291 Gesetzesübertretungen
wurden von Pflanzungsleitern angezeigt; 90 Prozent derselben wurden geahndet,
1461 Inder wurden davon betroffen. Der Bericht gibt zu, daß die Inder,
die 1902 in die Kolonie kamen und zu diesen Ausstellungen Anlaß gaben,
nicht aus der richtigen Bevölkerung in Indien rekrutiert worden waren;
anderseits ließ es aber auch der Pflanzungsbesitzer in Fidschi, trotz gerechter Be¬
handlung, an der nötigen Sympathie für seine Arbeiter fehlen. Nach meiner
Kenntnis, die ich in den letzten drei Jahren durch mehrere Besuche in Fidschi
und Besprechungen mit den Besitzern der größten Plantagen gewonnen habe, trifft
diese Klage der indischen Regierung heute nicht mehr zu. Die meisten Fälle von
Klagen betrafen Müßiggänger; durch bessere Auswahl in Indien versuchte man
ein besseres Material zu erlangen; etwas mehr Takt seitens der Arbeitgeber
wurde verlangt. Das Resultat ist, daß bei entgegenkommenden Wesen seitens
des Arbeitgebers ein besseres Verhältnis zwischen ihm und den Indern, die sich
willig von einer gütigen Behandlung beeinflusse» lassen, erzielt wurde.

Die Kosten eines Pflanzers für einen männlichen Kuli, der sich ihm für
fünf Jahre verpflichtet, beträgt einschließlich der Anwerbungsausgabeu, der Ver¬
pflegung, der Hospital- und ärztlichen Behandlung, 100 Pfund Sterling, d. h.
also 20 Pfund Sterling im Jahr (etwa 400 Mark). Das ist im Vergleich zu


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[0470] Die Arbeiterfrage in F^fehl Standpunkt leuchtet diese Behandlung auch ein, die die indische Regierung für ihre Untertanen in Fidschi beansprucht. Für die sehr harte Arbeit und die Unterwerfung unter des Europäers Interesse während der Arbeitsverpflichtnng soll man nach fünf Jahren dem den Gesetzen gehorchenden Inder ein Äquivalent bieten. Wie verhalten sich nun die Leistungen der zu fünfjähriger Kontraktarbeit verpflichteten Inder in der Praxis? Der mehrfach erwähnte Bericht der englischen - indischen Untersuchungs¬ kommission der Verhältnisse der Inder in englischen Kolonien gibt über diese Frage interessante Aufschlüsse. In der Praxis erschien der Kuli in Fidschi an 88.63 Prozent der Tage zur Arbeit, Frauen arbeiteten an 76,32 Prozent der Tage. Der Durchschnittslohn für den männlichen Inder belief sich im Jahre 1907, für welchen Zeitraum diese Statistik veröffentlicht werden, auf 11,57 Pence, bei Frauen auf 5,93 Pence Sterling. Der Durchschnittslohn jedoch, eines männlichen Arbeiters für jeden Tag, den er wirklich gearbeitet hat, betrug 13,05 Pence, woraus klar zu ersehen ist, daß ein Arbeiter mehr verdienen kann, wenn er will, da seine ihm zugeteilte Arbeit nur ein Arbeitsminimum darstellt. Dies sind sehr zufriedenstellende Durchschnittszahlen, die beweisen, daß der starke, willige Arbeiter gerechte Behandlung erfährt und guten Lohn erhält. Nicht ganz so günstig sind die Statistiker über Arbeitskontraktsverlängerung infolge Abwesenheit von den Plantagen oder aus anderen Gründen. In 33.64 Prozent der Kontrakte wurde ein Verdikt für Arbeitsverlängeruug ge¬ währt, und durchschnittlich 62 Tage mußten in diesen Fällen von den Indern über die fünf Jahre hinaus nachgearbeitet werden. 2291 Gesetzesübertretungen wurden von Pflanzungsleitern angezeigt; 90 Prozent derselben wurden geahndet, 1461 Inder wurden davon betroffen. Der Bericht gibt zu, daß die Inder, die 1902 in die Kolonie kamen und zu diesen Ausstellungen Anlaß gaben, nicht aus der richtigen Bevölkerung in Indien rekrutiert worden waren; anderseits ließ es aber auch der Pflanzungsbesitzer in Fidschi, trotz gerechter Be¬ handlung, an der nötigen Sympathie für seine Arbeiter fehlen. Nach meiner Kenntnis, die ich in den letzten drei Jahren durch mehrere Besuche in Fidschi und Besprechungen mit den Besitzern der größten Plantagen gewonnen habe, trifft diese Klage der indischen Regierung heute nicht mehr zu. Die meisten Fälle von Klagen betrafen Müßiggänger; durch bessere Auswahl in Indien versuchte man ein besseres Material zu erlangen; etwas mehr Takt seitens der Arbeitgeber wurde verlangt. Das Resultat ist, daß bei entgegenkommenden Wesen seitens des Arbeitgebers ein besseres Verhältnis zwischen ihm und den Indern, die sich willig von einer gütigen Behandlung beeinflusse» lassen, erzielt wurde. Die Kosten eines Pflanzers für einen männlichen Kuli, der sich ihm für fünf Jahre verpflichtet, beträgt einschließlich der Anwerbungsausgabeu, der Ver¬ pflegung, der Hospital- und ärztlichen Behandlung, 100 Pfund Sterling, d. h. also 20 Pfund Sterling im Jahr (etwa 400 Mark). Das ist im Vergleich zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/470>, abgerufen am 26.07.2024.