Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Arbeiterfrage in Fidschi

über vierzig Jahre alt ist. Bei der Anwerbung unterrichtet der Regierungs¬
agent an Bord des Schiffes die Arbeitswilligen über die Bedingungen, unter
denen sie arbeiten müssen. Nur wenn sie dieselben genau verstehen, dürfen sie
für Fidschi angeworben werden.

Andere Paragraphen setzen die Behandlung der Polynesier bei der Ankunft in
Fidschi fest. Alle werden ärztlich untersucht. Untaugliche werden auf Kosten
des Anwerbers wieder zurückgeschickt. Der Arbeitskontrakt lautet auf fünf
Jahre. Nach Ablauf desselben darf der Polynesier sich aufs neue ver¬
dingen für einen Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahre. Später
kann der Arbeitswillige freiwillig auf nicht länger als ein Jahr einen
Arbeitskontrakt in Fidschi eingehen. Die Rückkehr nach den polynesischen Inseln
muß von dem Plantagenbesitzer freigestellt werden, bei dem der Angeworbene
seinen ersten Kontrakt von fünf Jahren ableistete. Die Regierung errichtete
dafür einen "Public Trust Account". Die Polynesier erhalten in Fidschi als
Arbeiter folgende Rationen: Fleisch und Gemüse in festgesetzten Naturallieferungen;
vier Lendentücher, eine Decke, zwei Strohmatten jährlich und Kochutensilien.
Jeder Plantagenbesitzer, der mehr als fünfzig Polynesier in Fidschi beschäftigt,
muß ein Hospital für sie erbauen, dessen Betrieb von Regierungsärzten über¬
wacht wird.

Als Arbeitsleistung wird festgesetzt, daß der Polynesier entweder fünfzig
Stunden wöchentlich (fünf Tage, je neun Stunden, Sonnabends fünf Stunden)
oder nach seiner Wahl fünfeinhalb Akkordleistungen (je eine Tagesarbeit)
wöchentlich arbeiten soll. Wird er damit vor Sonnabend mittag fertig, so
gehört ihm die freie Zeit für den Rest der Woche. Ist ein Arbeiter sorglos
oder faul, so daß er seinen Kontrakt der Leistung nach nicht erfüllt, so wird
er bis vierzig Shillings (Mark) oder mit Zuchthausstrafe bis zu zwei Monaten
bestraft. Die Lohnfestsetzung interessiert nicht mehr, da ja heute keine Polynesier
mehr angeworben werden. Im freien Arbeitsmarkte in Fidschi verdingen sich
die dort seßhaft gebliebenen Eingeborenen der Salomoninseln und der Neuen
Hebriden zu Lohnsätzen, die denjenigen der arbeitswilligen Fidschianer ent¬
sprechen. Zur Beurteilung des Gesetzes für die Anwerbung und Beschäftigung
von Polynesiern ist weiter wichtig, daß infolge Sorglosigkeit oder Faulheit ver¬
hängte Gefängnisstrafen in die Kontraktzeit von fünf Jahren nicht mit ein¬
gerechnet werden. Entweder wird ein Geldbetrag dem Arbeiter abgezogen oder
er muß die versäumte Zeit nachdienen. Die Regierung schützt den Pflanzer
weiter durch Verhängung von Geld- und Zuchthausstrafen für Deserteure.

Die Polynesier, wie die Arbeiter in Fidschi genannt werden, die zumeist
auf den Salomoninseln und Neuen Hebriden angeworben waren, hatten sich aus¬
gezeichnet bewährt auf solchen Plantagen, die die Kokospalme kultivierten. Der
Baum war ihnen aus der Heimat vertraut; sie verstanden sich vorzüglich auf die
Behandlung desselben, wie auf die Bereitung der Kopra. Kräftig und muskulös, war
es ihnen ein leichtes, den Buschwald zu schlagen. Und heute noch zieht man den


Die Arbeiterfrage in Fidschi

über vierzig Jahre alt ist. Bei der Anwerbung unterrichtet der Regierungs¬
agent an Bord des Schiffes die Arbeitswilligen über die Bedingungen, unter
denen sie arbeiten müssen. Nur wenn sie dieselben genau verstehen, dürfen sie
für Fidschi angeworben werden.

Andere Paragraphen setzen die Behandlung der Polynesier bei der Ankunft in
Fidschi fest. Alle werden ärztlich untersucht. Untaugliche werden auf Kosten
des Anwerbers wieder zurückgeschickt. Der Arbeitskontrakt lautet auf fünf
Jahre. Nach Ablauf desselben darf der Polynesier sich aufs neue ver¬
dingen für einen Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahre. Später
kann der Arbeitswillige freiwillig auf nicht länger als ein Jahr einen
Arbeitskontrakt in Fidschi eingehen. Die Rückkehr nach den polynesischen Inseln
muß von dem Plantagenbesitzer freigestellt werden, bei dem der Angeworbene
seinen ersten Kontrakt von fünf Jahren ableistete. Die Regierung errichtete
dafür einen „Public Trust Account". Die Polynesier erhalten in Fidschi als
Arbeiter folgende Rationen: Fleisch und Gemüse in festgesetzten Naturallieferungen;
vier Lendentücher, eine Decke, zwei Strohmatten jährlich und Kochutensilien.
Jeder Plantagenbesitzer, der mehr als fünfzig Polynesier in Fidschi beschäftigt,
muß ein Hospital für sie erbauen, dessen Betrieb von Regierungsärzten über¬
wacht wird.

Als Arbeitsleistung wird festgesetzt, daß der Polynesier entweder fünfzig
Stunden wöchentlich (fünf Tage, je neun Stunden, Sonnabends fünf Stunden)
oder nach seiner Wahl fünfeinhalb Akkordleistungen (je eine Tagesarbeit)
wöchentlich arbeiten soll. Wird er damit vor Sonnabend mittag fertig, so
gehört ihm die freie Zeit für den Rest der Woche. Ist ein Arbeiter sorglos
oder faul, so daß er seinen Kontrakt der Leistung nach nicht erfüllt, so wird
er bis vierzig Shillings (Mark) oder mit Zuchthausstrafe bis zu zwei Monaten
bestraft. Die Lohnfestsetzung interessiert nicht mehr, da ja heute keine Polynesier
mehr angeworben werden. Im freien Arbeitsmarkte in Fidschi verdingen sich
die dort seßhaft gebliebenen Eingeborenen der Salomoninseln und der Neuen
Hebriden zu Lohnsätzen, die denjenigen der arbeitswilligen Fidschianer ent¬
sprechen. Zur Beurteilung des Gesetzes für die Anwerbung und Beschäftigung
von Polynesiern ist weiter wichtig, daß infolge Sorglosigkeit oder Faulheit ver¬
hängte Gefängnisstrafen in die Kontraktzeit von fünf Jahren nicht mit ein¬
gerechnet werden. Entweder wird ein Geldbetrag dem Arbeiter abgezogen oder
er muß die versäumte Zeit nachdienen. Die Regierung schützt den Pflanzer
weiter durch Verhängung von Geld- und Zuchthausstrafen für Deserteure.

Die Polynesier, wie die Arbeiter in Fidschi genannt werden, die zumeist
auf den Salomoninseln und Neuen Hebriden angeworben waren, hatten sich aus¬
gezeichnet bewährt auf solchen Plantagen, die die Kokospalme kultivierten. Der
Baum war ihnen aus der Heimat vertraut; sie verstanden sich vorzüglich auf die
Behandlung desselben, wie auf die Bereitung der Kopra. Kräftig und muskulös, war
es ihnen ein leichtes, den Buschwald zu schlagen. Und heute noch zieht man den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327274"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Arbeiterfrage in Fidschi</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1805" prev="#ID_1804"> über vierzig Jahre alt ist. Bei der Anwerbung unterrichtet der Regierungs¬<lb/>
agent an Bord des Schiffes die Arbeitswilligen über die Bedingungen, unter<lb/>
denen sie arbeiten müssen. Nur wenn sie dieselben genau verstehen, dürfen sie<lb/>
für Fidschi angeworben werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1806"> Andere Paragraphen setzen die Behandlung der Polynesier bei der Ankunft in<lb/>
Fidschi fest. Alle werden ärztlich untersucht. Untaugliche werden auf Kosten<lb/>
des Anwerbers wieder zurückgeschickt. Der Arbeitskontrakt lautet auf fünf<lb/>
Jahre. Nach Ablauf desselben darf der Polynesier sich aufs neue ver¬<lb/>
dingen für einen Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahre. Später<lb/>
kann der Arbeitswillige freiwillig auf nicht länger als ein Jahr einen<lb/>
Arbeitskontrakt in Fidschi eingehen. Die Rückkehr nach den polynesischen Inseln<lb/>
muß von dem Plantagenbesitzer freigestellt werden, bei dem der Angeworbene<lb/>
seinen ersten Kontrakt von fünf Jahren ableistete. Die Regierung errichtete<lb/>
dafür einen &#x201E;Public Trust Account". Die Polynesier erhalten in Fidschi als<lb/>
Arbeiter folgende Rationen: Fleisch und Gemüse in festgesetzten Naturallieferungen;<lb/>
vier Lendentücher, eine Decke, zwei Strohmatten jährlich und Kochutensilien.<lb/>
Jeder Plantagenbesitzer, der mehr als fünfzig Polynesier in Fidschi beschäftigt,<lb/>
muß ein Hospital für sie erbauen, dessen Betrieb von Regierungsärzten über¬<lb/>
wacht wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1807"> Als Arbeitsleistung wird festgesetzt, daß der Polynesier entweder fünfzig<lb/>
Stunden wöchentlich (fünf Tage, je neun Stunden, Sonnabends fünf Stunden)<lb/>
oder nach seiner Wahl fünfeinhalb Akkordleistungen (je eine Tagesarbeit)<lb/>
wöchentlich arbeiten soll. Wird er damit vor Sonnabend mittag fertig, so<lb/>
gehört ihm die freie Zeit für den Rest der Woche. Ist ein Arbeiter sorglos<lb/>
oder faul, so daß er seinen Kontrakt der Leistung nach nicht erfüllt, so wird<lb/>
er bis vierzig Shillings (Mark) oder mit Zuchthausstrafe bis zu zwei Monaten<lb/>
bestraft. Die Lohnfestsetzung interessiert nicht mehr, da ja heute keine Polynesier<lb/>
mehr angeworben werden. Im freien Arbeitsmarkte in Fidschi verdingen sich<lb/>
die dort seßhaft gebliebenen Eingeborenen der Salomoninseln und der Neuen<lb/>
Hebriden zu Lohnsätzen, die denjenigen der arbeitswilligen Fidschianer ent¬<lb/>
sprechen. Zur Beurteilung des Gesetzes für die Anwerbung und Beschäftigung<lb/>
von Polynesiern ist weiter wichtig, daß infolge Sorglosigkeit oder Faulheit ver¬<lb/>
hängte Gefängnisstrafen in die Kontraktzeit von fünf Jahren nicht mit ein¬<lb/>
gerechnet werden. Entweder wird ein Geldbetrag dem Arbeiter abgezogen oder<lb/>
er muß die versäumte Zeit nachdienen. Die Regierung schützt den Pflanzer<lb/>
weiter durch Verhängung von Geld- und Zuchthausstrafen für Deserteure.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1808" next="#ID_1809"> Die Polynesier, wie die Arbeiter in Fidschi genannt werden, die zumeist<lb/>
auf den Salomoninseln und Neuen Hebriden angeworben waren, hatten sich aus¬<lb/>
gezeichnet bewährt auf solchen Plantagen, die die Kokospalme kultivierten. Der<lb/>
Baum war ihnen aus der Heimat vertraut; sie verstanden sich vorzüglich auf die<lb/>
Behandlung desselben, wie auf die Bereitung der Kopra. Kräftig und muskulös, war<lb/>
es ihnen ein leichtes, den Buschwald zu schlagen. Und heute noch zieht man den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] Die Arbeiterfrage in Fidschi über vierzig Jahre alt ist. Bei der Anwerbung unterrichtet der Regierungs¬ agent an Bord des Schiffes die Arbeitswilligen über die Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen. Nur wenn sie dieselben genau verstehen, dürfen sie für Fidschi angeworben werden. Andere Paragraphen setzen die Behandlung der Polynesier bei der Ankunft in Fidschi fest. Alle werden ärztlich untersucht. Untaugliche werden auf Kosten des Anwerbers wieder zurückgeschickt. Der Arbeitskontrakt lautet auf fünf Jahre. Nach Ablauf desselben darf der Polynesier sich aufs neue ver¬ dingen für einen Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahre. Später kann der Arbeitswillige freiwillig auf nicht länger als ein Jahr einen Arbeitskontrakt in Fidschi eingehen. Die Rückkehr nach den polynesischen Inseln muß von dem Plantagenbesitzer freigestellt werden, bei dem der Angeworbene seinen ersten Kontrakt von fünf Jahren ableistete. Die Regierung errichtete dafür einen „Public Trust Account". Die Polynesier erhalten in Fidschi als Arbeiter folgende Rationen: Fleisch und Gemüse in festgesetzten Naturallieferungen; vier Lendentücher, eine Decke, zwei Strohmatten jährlich und Kochutensilien. Jeder Plantagenbesitzer, der mehr als fünfzig Polynesier in Fidschi beschäftigt, muß ein Hospital für sie erbauen, dessen Betrieb von Regierungsärzten über¬ wacht wird. Als Arbeitsleistung wird festgesetzt, daß der Polynesier entweder fünfzig Stunden wöchentlich (fünf Tage, je neun Stunden, Sonnabends fünf Stunden) oder nach seiner Wahl fünfeinhalb Akkordleistungen (je eine Tagesarbeit) wöchentlich arbeiten soll. Wird er damit vor Sonnabend mittag fertig, so gehört ihm die freie Zeit für den Rest der Woche. Ist ein Arbeiter sorglos oder faul, so daß er seinen Kontrakt der Leistung nach nicht erfüllt, so wird er bis vierzig Shillings (Mark) oder mit Zuchthausstrafe bis zu zwei Monaten bestraft. Die Lohnfestsetzung interessiert nicht mehr, da ja heute keine Polynesier mehr angeworben werden. Im freien Arbeitsmarkte in Fidschi verdingen sich die dort seßhaft gebliebenen Eingeborenen der Salomoninseln und der Neuen Hebriden zu Lohnsätzen, die denjenigen der arbeitswilligen Fidschianer ent¬ sprechen. Zur Beurteilung des Gesetzes für die Anwerbung und Beschäftigung von Polynesiern ist weiter wichtig, daß infolge Sorglosigkeit oder Faulheit ver¬ hängte Gefängnisstrafen in die Kontraktzeit von fünf Jahren nicht mit ein¬ gerechnet werden. Entweder wird ein Geldbetrag dem Arbeiter abgezogen oder er muß die versäumte Zeit nachdienen. Die Regierung schützt den Pflanzer weiter durch Verhängung von Geld- und Zuchthausstrafen für Deserteure. Die Polynesier, wie die Arbeiter in Fidschi genannt werden, die zumeist auf den Salomoninseln und Neuen Hebriden angeworben waren, hatten sich aus¬ gezeichnet bewährt auf solchen Plantagen, die die Kokospalme kultivierten. Der Baum war ihnen aus der Heimat vertraut; sie verstanden sich vorzüglich auf die Behandlung desselben, wie auf die Bereitung der Kopra. Kräftig und muskulös, war es ihnen ein leichtes, den Buschwald zu schlagen. Und heute noch zieht man den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/462>, abgerufen am 25.06.2024.