Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Ein englisches Nationaltheater Auf der englischen Bühne war seit der Mitte des Jahrhunderts jene von Wie diese letzteren später in Deutschland, so mußten die ähnlich gearteten Kurz gesagt -- so faßt die Opposition ihr wegwerfendes Urteil über den Phelps war auch nach den: Urteil seiner guten Freunde nur ein "guter Ein englisches Nationaltheater Auf der englischen Bühne war seit der Mitte des Jahrhunderts jene von Wie diese letzteren später in Deutschland, so mußten die ähnlich gearteten Kurz gesagt — so faßt die Opposition ihr wegwerfendes Urteil über den Phelps war auch nach den: Urteil seiner guten Freunde nur ein „guter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326848"/> <fw type="header" place="top"> Ein englisches Nationaltheater</fw><lb/> <p xml:id="ID_98"> Auf der englischen Bühne war seit der Mitte des Jahrhunderts jene von<lb/> Charles Kean, dem als Regisseur weit mehr denn als Schauspieler begabten<lb/> Sohne des großen Shakespearedarstellers Edmund Kean, am Princeß Theatre<lb/> in London eingeführte, auf strengste historische Exaktheit und großen äußeren<lb/> Aufwand bedachte Richtung der Jnszenierungskunst maßgebend, die wir heute<lb/> als das Meiningertum zu bezeichnen gewöhnt sind. In der Tat wurde ja der<lb/> jüngere Kean mit allen Vorzügen und vielen Übertreibungen das Vorbild für<lb/> die Regiebestrebungen des meiningenschen Herzogs Georg.</p><lb/> <p xml:id="ID_99"> Wie diese letzteren später in Deutschland, so mußten die ähnlich gearteten<lb/> Tendenzen Keans in England notwendig einmal eine Opposition hervorrufen,<lb/> die sich dann gleichfalls zur „Richtung" auswuchs, sobald sie nur einen geeigneten<lb/> Führer zur Verfügung hatte. Mit jener Übertreibung, die schließlich jede Partei¬<lb/> nahme von vornherein bedingt, ließ sie kein gutes Haar am jüngeren<lb/> Kean, der in ihren Augen als Schauspieler einfach mit dem guten Namen<lb/> seines Vaters hochstaplerte und als Jnszenator zum „Master Showman" eines<lb/> Jahrmarktes wurde, dessen Princeß - Theater sich, wie es einmal hieß, einem<lb/> Etablissement wie den: altberühmten Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud<lb/> allerdings würdig an die Seite stellen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_100"> Kurz gesagt — so faßt die Opposition ihr wegwerfendes Urteil über den<lb/> Londoner „Meininger" zusammen — „Maler, Schneider und Dekorateur sind<lb/> Mr. Keans Shakespeare-Interpreten. Zweifellos, jeweils die besten ihrer Art,<lb/> aber diese sind in unserer Schule des Dramas Schüler und nicht Lehrer." Die<lb/> erste Forderung aller Bühnenkunst, eine gediegene schauspielerische Darstellung,<lb/> wird vernachlässigt. „I'rie littlo importance", sagte der witzige Kritiker Douglas<lb/> Jerrold, der Verfasser von „Frau Kaudels Gardinenpredigten", der zum<lb/> literarischen Wortführer der Amel-Keanites gemacht wurde, „^Kiau Kean<lb/> iülÄLkL8 to AocicZ actinZ reen>8 no kurtker proof klar tke fact of ins<lb/> Mnsrally taKinA elf priricipal ckAmetei' Kien8elf." Die Gegner hielten ihren<lb/> Gott schon parat: es war Samuel Phelps, der Kean gegenüber immer der<lb/> bessere Schauspieler, vornehmere Mensch und ehrlichere Shakespeare-Liebhaber<lb/> gewesen ist. Er trat nach einer kurzen Tätigkeit im Aorkshire Distrikt gerade<lb/> um die Zeit zum ersten Male in London auf, als Charles Kean begann, sich<lb/> dauernd dort durchzusetzen, und Macready bereits im Zenith seines Ruhmes<lb/> stand. Unter Benjamin Websters Direktion spielte er im Oktober 1837 am<lb/> Haymarket den Shylock mit so durchschlagenden Erfolge, daß Macready. wie<lb/> er später einmal selber eingestand, für sich zu fürchten begann: ganz über¬<lb/> flüssiger Weise, da er selbst noch in alten Tagen der faszinierendere Schauspieler<lb/> geblieben ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_101" next="#ID_102"> Phelps war auch nach den: Urteil seiner guten Freunde nur ein „guter<lb/> Schauspieler, kein großer". Es gebrach ihm im Tragischen an der Größe eines<lb/> David Garrick, an der Leidenschaft eines Edmund Kean sowie an der Wortgewalt<lb/> eines John Kemble. Daß er Eigenschaften, die ihm von Natur nicht zugefallen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
Ein englisches Nationaltheater
Auf der englischen Bühne war seit der Mitte des Jahrhunderts jene von
Charles Kean, dem als Regisseur weit mehr denn als Schauspieler begabten
Sohne des großen Shakespearedarstellers Edmund Kean, am Princeß Theatre
in London eingeführte, auf strengste historische Exaktheit und großen äußeren
Aufwand bedachte Richtung der Jnszenierungskunst maßgebend, die wir heute
als das Meiningertum zu bezeichnen gewöhnt sind. In der Tat wurde ja der
jüngere Kean mit allen Vorzügen und vielen Übertreibungen das Vorbild für
die Regiebestrebungen des meiningenschen Herzogs Georg.
Wie diese letzteren später in Deutschland, so mußten die ähnlich gearteten
Tendenzen Keans in England notwendig einmal eine Opposition hervorrufen,
die sich dann gleichfalls zur „Richtung" auswuchs, sobald sie nur einen geeigneten
Führer zur Verfügung hatte. Mit jener Übertreibung, die schließlich jede Partei¬
nahme von vornherein bedingt, ließ sie kein gutes Haar am jüngeren
Kean, der in ihren Augen als Schauspieler einfach mit dem guten Namen
seines Vaters hochstaplerte und als Jnszenator zum „Master Showman" eines
Jahrmarktes wurde, dessen Princeß - Theater sich, wie es einmal hieß, einem
Etablissement wie den: altberühmten Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud
allerdings würdig an die Seite stellen könnte.
Kurz gesagt — so faßt die Opposition ihr wegwerfendes Urteil über den
Londoner „Meininger" zusammen — „Maler, Schneider und Dekorateur sind
Mr. Keans Shakespeare-Interpreten. Zweifellos, jeweils die besten ihrer Art,
aber diese sind in unserer Schule des Dramas Schüler und nicht Lehrer." Die
erste Forderung aller Bühnenkunst, eine gediegene schauspielerische Darstellung,
wird vernachlässigt. „I'rie littlo importance", sagte der witzige Kritiker Douglas
Jerrold, der Verfasser von „Frau Kaudels Gardinenpredigten", der zum
literarischen Wortführer der Amel-Keanites gemacht wurde, „^Kiau Kean
iülÄLkL8 to AocicZ actinZ reen>8 no kurtker proof klar tke fact of ins
Mnsrally taKinA elf priricipal ckAmetei' Kien8elf." Die Gegner hielten ihren
Gott schon parat: es war Samuel Phelps, der Kean gegenüber immer der
bessere Schauspieler, vornehmere Mensch und ehrlichere Shakespeare-Liebhaber
gewesen ist. Er trat nach einer kurzen Tätigkeit im Aorkshire Distrikt gerade
um die Zeit zum ersten Male in London auf, als Charles Kean begann, sich
dauernd dort durchzusetzen, und Macready bereits im Zenith seines Ruhmes
stand. Unter Benjamin Websters Direktion spielte er im Oktober 1837 am
Haymarket den Shylock mit so durchschlagenden Erfolge, daß Macready. wie
er später einmal selber eingestand, für sich zu fürchten begann: ganz über¬
flüssiger Weise, da er selbst noch in alten Tagen der faszinierendere Schauspieler
geblieben ist.
Phelps war auch nach den: Urteil seiner guten Freunde nur ein „guter
Schauspieler, kein großer". Es gebrach ihm im Tragischen an der Größe eines
David Garrick, an der Leidenschaft eines Edmund Kean sowie an der Wortgewalt
eines John Kemble. Daß er Eigenschaften, die ihm von Natur nicht zugefallen
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