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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Der alte Grient und seine Beziehungen zum Ivesteu

gedrungenen Gotte zum höchsten göttlichen Wesen emporwuchs, -- zum Bürgen
der Wiederauferstehung, deren er selbst nach seiner Ermordung durch Set teil¬
haftig geworden war.

Schon in ältester historischer Zeit war Osiris in der Vorstellung der Ägypter
das unvergängliche Prinzip des immer verschwindenden und sich erneuernden
Lebens der Erde, wie es sich in den lebengebenden Wassern, dem fruchtbaren
Boden oder in der Vegetation offenbarte. Am greifbarsten bekundete er sich im
Nil, der mit der von ihm befruchteten Vegetation alljährlich anwuchs und ab¬
nahm und dem er deshalb speziell gleichgesetzt wurde.

Für das Leben nach dem Tode ist der Ka bedeutsam, in welchem eins der
ältesten Kapitel der Völkerpsychologie auf uns gekommen ist. Er ist nicht, wie
man wohl gemeint hat, eine Art Doppelgänger des Menschen, sondern dessen
spezielle Schutzgottheit, sein Genius, der hauptsächlich die Geschicke des Indivi¬
duums im Jenseits lenkt. Dort erwartet der Ka seinen irdischen Genossen;
daher "geht", wer stirbt, "zu seinem Ka ein", womit die Erwartung eines
Weiterlebens angedeutet wird. Wahrscheinlich war der Ka ursprünglich nur den
Königen eigen und wurde erst allmählich auf dem Wege langsamer aber ver¬
hältnismäßig früher Entwicklung zum Allgemeinbesitz.

An die hellenistisch-synkretistische Entwicklungsform des Osiris, den Sarapis,
der für die Ägypter den Osiris des Apis, das heißt den der Wiederauferstehung
im osirianischen Sinne teilhaftig gewordenen heiligen Stier bedeuten sollte,
knüpfen sich zwei wichtige Probleme*).

Die Klausur im Sarapieion hat man bisher als einen Vorläufer des Mönch-
tums betrachtet. Jetzt wird zu zeigen versucht, daß sie nicht religiöser oder
kultischer Natur sei, sondern daß es sich um eine Schuld- oder Strafhaft im
Tempel handelt.

Sarapis begegnet uns im ganzen Altertum zuerst in Babylon, und zwar
in einer Quelle von höchster Authenticität, den Ephemeriden Alexanders des
Großen. Sarapis wird in Alexanders Krankheit von den dem Könige Nächst¬
stehenden mittels des Tempelschlafes befragt. Ein höchster Gott, dessen stän¬
diger Kultbeiname genau mit der Form Sarapis übereinstimmt und dessen
eigentlicher, nur mit Scheu genannter Name Ea durch diesen verdrängt wurde,
der Vater des Bel-Marduk, hatte in Babylon sein Heiligtum. Als Gott der
Wassertiefe wurde er auch in der von einer assyrischen Kolonie gegründeten
Stadt Sinope verehrt. Diesen für Alexander befragten und offenbar von ihm
verehrten weltbeherrschenden Gott ließ Ptolemäus der Erste, für den es sich
darum handelte, ein ägyptisch - astatisches Großreich dem babylonisch, astatischen
der Seleukiden gegenüberzustellen und den an den babylonischen Kultus an¬
knüpfenden seleukidischen Ansprüchen auf die Weltherrschaft zuvorzukommen, von
seinen Untertanen verehren, zunächst außerhalb Ägyptens in Halikarnaß. später



*) K. selbe: "Sarapis und die sog. Katochoi des Sarapis", Berlin 1913,
Der alte Grient und seine Beziehungen zum Ivesteu

gedrungenen Gotte zum höchsten göttlichen Wesen emporwuchs, — zum Bürgen
der Wiederauferstehung, deren er selbst nach seiner Ermordung durch Set teil¬
haftig geworden war.

Schon in ältester historischer Zeit war Osiris in der Vorstellung der Ägypter
das unvergängliche Prinzip des immer verschwindenden und sich erneuernden
Lebens der Erde, wie es sich in den lebengebenden Wassern, dem fruchtbaren
Boden oder in der Vegetation offenbarte. Am greifbarsten bekundete er sich im
Nil, der mit der von ihm befruchteten Vegetation alljährlich anwuchs und ab¬
nahm und dem er deshalb speziell gleichgesetzt wurde.

Für das Leben nach dem Tode ist der Ka bedeutsam, in welchem eins der
ältesten Kapitel der Völkerpsychologie auf uns gekommen ist. Er ist nicht, wie
man wohl gemeint hat, eine Art Doppelgänger des Menschen, sondern dessen
spezielle Schutzgottheit, sein Genius, der hauptsächlich die Geschicke des Indivi¬
duums im Jenseits lenkt. Dort erwartet der Ka seinen irdischen Genossen;
daher „geht", wer stirbt, „zu seinem Ka ein", womit die Erwartung eines
Weiterlebens angedeutet wird. Wahrscheinlich war der Ka ursprünglich nur den
Königen eigen und wurde erst allmählich auf dem Wege langsamer aber ver¬
hältnismäßig früher Entwicklung zum Allgemeinbesitz.

An die hellenistisch-synkretistische Entwicklungsform des Osiris, den Sarapis,
der für die Ägypter den Osiris des Apis, das heißt den der Wiederauferstehung
im osirianischen Sinne teilhaftig gewordenen heiligen Stier bedeuten sollte,
knüpfen sich zwei wichtige Probleme*).

Die Klausur im Sarapieion hat man bisher als einen Vorläufer des Mönch-
tums betrachtet. Jetzt wird zu zeigen versucht, daß sie nicht religiöser oder
kultischer Natur sei, sondern daß es sich um eine Schuld- oder Strafhaft im
Tempel handelt.

Sarapis begegnet uns im ganzen Altertum zuerst in Babylon, und zwar
in einer Quelle von höchster Authenticität, den Ephemeriden Alexanders des
Großen. Sarapis wird in Alexanders Krankheit von den dem Könige Nächst¬
stehenden mittels des Tempelschlafes befragt. Ein höchster Gott, dessen stän¬
diger Kultbeiname genau mit der Form Sarapis übereinstimmt und dessen
eigentlicher, nur mit Scheu genannter Name Ea durch diesen verdrängt wurde,
der Vater des Bel-Marduk, hatte in Babylon sein Heiligtum. Als Gott der
Wassertiefe wurde er auch in der von einer assyrischen Kolonie gegründeten
Stadt Sinope verehrt. Diesen für Alexander befragten und offenbar von ihm
verehrten weltbeherrschenden Gott ließ Ptolemäus der Erste, für den es sich
darum handelte, ein ägyptisch - astatisches Großreich dem babylonisch, astatischen
der Seleukiden gegenüberzustellen und den an den babylonischen Kultus an¬
knüpfenden seleukidischen Ansprüchen auf die Weltherrschaft zuvorzukommen, von
seinen Untertanen verehren, zunächst außerhalb Ägyptens in Halikarnaß. später



*) K. selbe: „Sarapis und die sog. Katochoi des Sarapis", Berlin 1913,
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[0313] Der alte Grient und seine Beziehungen zum Ivesteu gedrungenen Gotte zum höchsten göttlichen Wesen emporwuchs, — zum Bürgen der Wiederauferstehung, deren er selbst nach seiner Ermordung durch Set teil¬ haftig geworden war. Schon in ältester historischer Zeit war Osiris in der Vorstellung der Ägypter das unvergängliche Prinzip des immer verschwindenden und sich erneuernden Lebens der Erde, wie es sich in den lebengebenden Wassern, dem fruchtbaren Boden oder in der Vegetation offenbarte. Am greifbarsten bekundete er sich im Nil, der mit der von ihm befruchteten Vegetation alljährlich anwuchs und ab¬ nahm und dem er deshalb speziell gleichgesetzt wurde. Für das Leben nach dem Tode ist der Ka bedeutsam, in welchem eins der ältesten Kapitel der Völkerpsychologie auf uns gekommen ist. Er ist nicht, wie man wohl gemeint hat, eine Art Doppelgänger des Menschen, sondern dessen spezielle Schutzgottheit, sein Genius, der hauptsächlich die Geschicke des Indivi¬ duums im Jenseits lenkt. Dort erwartet der Ka seinen irdischen Genossen; daher „geht", wer stirbt, „zu seinem Ka ein", womit die Erwartung eines Weiterlebens angedeutet wird. Wahrscheinlich war der Ka ursprünglich nur den Königen eigen und wurde erst allmählich auf dem Wege langsamer aber ver¬ hältnismäßig früher Entwicklung zum Allgemeinbesitz. An die hellenistisch-synkretistische Entwicklungsform des Osiris, den Sarapis, der für die Ägypter den Osiris des Apis, das heißt den der Wiederauferstehung im osirianischen Sinne teilhaftig gewordenen heiligen Stier bedeuten sollte, knüpfen sich zwei wichtige Probleme*). Die Klausur im Sarapieion hat man bisher als einen Vorläufer des Mönch- tums betrachtet. Jetzt wird zu zeigen versucht, daß sie nicht religiöser oder kultischer Natur sei, sondern daß es sich um eine Schuld- oder Strafhaft im Tempel handelt. Sarapis begegnet uns im ganzen Altertum zuerst in Babylon, und zwar in einer Quelle von höchster Authenticität, den Ephemeriden Alexanders des Großen. Sarapis wird in Alexanders Krankheit von den dem Könige Nächst¬ stehenden mittels des Tempelschlafes befragt. Ein höchster Gott, dessen stän¬ diger Kultbeiname genau mit der Form Sarapis übereinstimmt und dessen eigentlicher, nur mit Scheu genannter Name Ea durch diesen verdrängt wurde, der Vater des Bel-Marduk, hatte in Babylon sein Heiligtum. Als Gott der Wassertiefe wurde er auch in der von einer assyrischen Kolonie gegründeten Stadt Sinope verehrt. Diesen für Alexander befragten und offenbar von ihm verehrten weltbeherrschenden Gott ließ Ptolemäus der Erste, für den es sich darum handelte, ein ägyptisch - astatisches Großreich dem babylonisch, astatischen der Seleukiden gegenüberzustellen und den an den babylonischen Kultus an¬ knüpfenden seleukidischen Ansprüchen auf die Weltherrschaft zuvorzukommen, von seinen Untertanen verehren, zunächst außerhalb Ägyptens in Halikarnaß. später *) K. selbe: „Sarapis und die sog. Katochoi des Sarapis", Berlin 1913,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/313>, abgerufen am 26.06.2024.