Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Gin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie "Hodus" in den lateinischen "aeus" und in den deutschen "Zahn", der auch Im Gegensatz zu solcher vom wissenschaftlichen Standpunkt aus regelmäßig Siehe z. B. Mozin, Wörterbuch der deutschen und französischen Sprache (1811): "Eulenspiegel (schelmischer possenhafter Mensch) espiöZle." Speculum, Spiegel ist sonst in das Französische nicht übergegangen. **) I. Stcmjek im Berliner Tag vom 22. Juni 1913, 3. Beiblatt.
Gin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie „Hodus" in den lateinischen „aeus" und in den deutschen „Zahn", der auch Im Gegensatz zu solcher vom wissenschaftlichen Standpunkt aus regelmäßig Siehe z. B. Mozin, Wörterbuch der deutschen und französischen Sprache (1811): „Eulenspiegel (schelmischer possenhafter Mensch) espiöZle." Speculum, Spiegel ist sonst in das Französische nicht übergegangen. **) I. Stcmjek im Berliner Tag vom 22. Juni 1913, 3. Beiblatt.
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Gin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie
„Hodus" in den lateinischen „aeus" und in den deutschen „Zahn", der auch
nicht einen Buchstaben mit Hodus gemein hat, als durchaus wissenschaftlicher
Ernst dar. Dies erfuhr man schon vor Menschenaltern und erfährt es noch
heute auf unseren Gymnasien.
Im Gegensatz zu solcher vom wissenschaftlichen Standpunkt aus regelmäßig
vollzogenen Umlautung tritt mannigfach umgekehrt eine unleugbar erfolgte Ent¬
lehnung aus fremder Sprache zutage, die dem Bedürfnis nach der Bildung
eines neuen Wortes einfach dadurch entspricht, daß ohne genügende Beachtung
des dem Stammwort beiwohnenden Sinnes dies Stammwort in völlig ver¬
ketzerter Gestalt herübergenommen wird. Hier wirkt zuweilen weniger der Ver¬
stand der Verständigen als der Unverstand der Unverständigen im Volke mit.
Die Franzosen „portent une LAntü", die Deutschen „bringen eine Gesundheit
aus" oder rufen sich zu: „ich brings diri" Die Italiener machen aus diesem
„ich brings dir" sinnlos (als handle es sich etwa irgendwie um ihre Hafenstadt
Brindisi) „un bnnäisi", heute ein bei ihnen allgemein üblicher Trinkspruch,
von dem sich noch die weiteren Worte ableiten: brinäl^xare und brin^Ale, auch
brinäsKAiare für zutrinken, brinäsAZiata für Zeche. Sie alle verzeichnet im
Jahre 1700 Veneronis Oictionaire 6e8 quatre IanZue8 principales, wo auch
zu lesen ist: „bnnäeLi, un dura8 on brinA8 Ä I'/>Uemanäe H votre 8arts, ..
„ich bring es euch." Ähnlich steht es mit dem französischen „va8i8ta8",
worin nichts anderes zu suchen ist, als die Aufnahme des deutschen „Was —
ist — das". Darüber konnte deshalb im Jahre 1812 der Ubbo Mozin
in seinem „nouveau äiLtiormaire complet" schreiben: „Va8i8w8, petite Partie
mobile ä'une porte on ä'une lsnötrs, qui 8'ouvre Ä volontö, corruption
ac I'allemÄnä" „was ist das; Guckfenster; ouviir le v38i8tA8 das Guckfenster
öffnen." Fast noch eigentümlicher mutet die „Korruption" an, die sich unser
Schalksnarr >des vierzehnten Jahrhunderts, der brave Till Eulenspiegel, in
Frankreich hat gefallen lassen müssen, indem man dort jeden Schelm zu einem
Eulenspiegel, d. h. zu einem e8piöZIe und jede Schelmerei zu einer e8pis^Isris
machte*). Vom Till Eulenspiegel benutzte der Franzose einfach den „Spiegel",
vielleicht las er ihn, in Unkenntnis, daß e hinter i im Deutschen nur Dehnungs¬
zeichen ist, „Spi-e-gel", um sich dann daraus, die Gesetze der Lautverschiebung
wahrend, seinen „e8x>iöZIe" zu formen. Ebenso wahrte er diese Gesetze, als
er aus dem altdeutschen Faltstuhl seinen Fauteuil machte, mehr als der Deutsche,
dem es vorbehalten blieb, seinen „Faltstuhl" in einen „Feldstuhl" zu verwandeln.
Dieselbe Quelle, die dies ausführt**), erörtert auch, daß die nach Konstantinopel
eingewanderten Griechen ihre 2elo8la (vom griechischen 2el08, der Eifer), d. h-
die Eifersucht, dorthin mitbrachten und so die Holzgitter vor den Haremsgemächer-
Siehe z. B. Mozin, Wörterbuch der deutschen und französischen Sprache (1811):
„Eulenspiegel (schelmischer possenhafter Mensch) espiöZle." Speculum, Spiegel ist sonst in
das Französische nicht übergegangen.
**) I. Stcmjek im Berliner Tag vom 22. Juni 1913, 3. Beiblatt.
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