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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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schädigt schließlich die Interessen der daran beteiligt gewesenen Geldgeber und
untergräbt den Kredit der Pekinger Regierung. Es ist also doch nicht aus¬
geschlossen, daß es zum finanziellen Zusammenbruch Chinas kommt. England
müsse sich da rechtzeitig vorsehen.

Für die Opposition im eigenen englischen Lager sind in der Hauptsache
diese vorwiegend wirtschaftlichen Gründe maßgebend für ihr Ablehnen der
Greyschen Politik. In Downingstreet hat man sich ihnen lange völlig ver¬
schlossen. Man stand dort auf dem Standpunkt, daß es in erster Linie auf
die Erhaltung einer starken Zentralregierung in Peking ankäme, da allein eine
solche imstande sei, die englischen Interessen und auch die Interessen der großen
Geldgeber zu garantieren. Man unterstützte deshalb Jüanschikai auch in dem
letzten Kampfe oder gab ihn wenigstens nicht auf. Mit Tibet, der Opium-
und der Anerkennungsfrage hatte man, wie man glaubte, ja immer noch Hand¬
haben genug, um den eigenen Vorteil jederzeit zu wahren. Allmählich scheint
aber doch die Erkenntnis mehr und mehr durchgedrungen zu sein, daß die
englischen Interessen aus die Dauer bei dieser Politik wirklich Schaden leiden
könnten. Man ließ es zunächst noch an Warnungen an die Pekinger Regierung
nicht fehlen, daß sie mit ihren Anleihen vorsichtiger sein müsse, wenn sie sich
nicht um allen Kredit bringen wolle. In diesem Sinne äußerte sich z. B. vor
einiger Zeit der Vertreter der Hongkong u. Schanghai Banking Corporation,
was damals schon sehr beachtet wurde. Die Konflikte in der Salzsteuerreform'
frage zwischen der Pekinger Regierung und dem englischen Berater dürften auch
dazu beigetragen haben, die Stimmung gegen Jüanschikai und seine Leute ein¬
zunehmen. Es war nur die klare weitere Folge dieser Entwicklung, wenn dann
vor einigen Tagen die Times in einem viel beachteten Leitartikel, den sich das
Tokioer Auswärtige Amt sofort telegraphisch übermitteln ließ, im Hinblick aus
die Schwierigkeiten, die der Pekinger Regierung durch die japanischen Zwischen'
fälle erwachsen sind, dieser noch einmal eine deutliche Warnung und Mahnung
zukommen ließ, endlich die in sie namentlich hinsichtlich der Anleihebedingungen
gesetzten Erwartungen zu erfüllen, und im Anschluß daran andeutete, daß tre
englische Politik sonst vielleicht einsehen könnte, mit der Unterstützung Jüanschikais
einen Fehler begangen zu haben, daß sie sich daraufhin zu einer Änderung
ihrer Haltung genötigt sehen könnte, was dann für Chinas Zukunft die
schlimmsten Aussichten eröffnen müßte. Diese Äußerung ist natürlich von
den chinesischen Revolutionären mit Jubel vernommen worden. Sie bedauern
nur, daß England diese Erkenntnis zu spät komme. Immerhin zeigt sich
schon eine Gefahr der englischen Schwenkung. Sie belebt den Mut der chin^
fischen Opposition, was sicher sofort die Verlängerung der Wirren und Unruhe"
in China zur Folge haben und auch den Handel nur wieder schädigen dürste-
Das Interesse der Mächte verlangt eben doch die Unterstützung der Ordnung
in China. England hat dieses Prinzip aber auch noch nicht aufgegeben.
Timesartikel spricht nur von der Möglichkeit einer Schwenkung der britisch?


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schädigt schließlich die Interessen der daran beteiligt gewesenen Geldgeber und
untergräbt den Kredit der Pekinger Regierung. Es ist also doch nicht aus¬
geschlossen, daß es zum finanziellen Zusammenbruch Chinas kommt. England
müsse sich da rechtzeitig vorsehen.

Für die Opposition im eigenen englischen Lager sind in der Hauptsache
diese vorwiegend wirtschaftlichen Gründe maßgebend für ihr Ablehnen der
Greyschen Politik. In Downingstreet hat man sich ihnen lange völlig ver¬
schlossen. Man stand dort auf dem Standpunkt, daß es in erster Linie auf
die Erhaltung einer starken Zentralregierung in Peking ankäme, da allein eine
solche imstande sei, die englischen Interessen und auch die Interessen der großen
Geldgeber zu garantieren. Man unterstützte deshalb Jüanschikai auch in dem
letzten Kampfe oder gab ihn wenigstens nicht auf. Mit Tibet, der Opium-
und der Anerkennungsfrage hatte man, wie man glaubte, ja immer noch Hand¬
haben genug, um den eigenen Vorteil jederzeit zu wahren. Allmählich scheint
aber doch die Erkenntnis mehr und mehr durchgedrungen zu sein, daß die
englischen Interessen aus die Dauer bei dieser Politik wirklich Schaden leiden
könnten. Man ließ es zunächst noch an Warnungen an die Pekinger Regierung
nicht fehlen, daß sie mit ihren Anleihen vorsichtiger sein müsse, wenn sie sich
nicht um allen Kredit bringen wolle. In diesem Sinne äußerte sich z. B. vor
einiger Zeit der Vertreter der Hongkong u. Schanghai Banking Corporation,
was damals schon sehr beachtet wurde. Die Konflikte in der Salzsteuerreform'
frage zwischen der Pekinger Regierung und dem englischen Berater dürften auch
dazu beigetragen haben, die Stimmung gegen Jüanschikai und seine Leute ein¬
zunehmen. Es war nur die klare weitere Folge dieser Entwicklung, wenn dann
vor einigen Tagen die Times in einem viel beachteten Leitartikel, den sich das
Tokioer Auswärtige Amt sofort telegraphisch übermitteln ließ, im Hinblick aus
die Schwierigkeiten, die der Pekinger Regierung durch die japanischen Zwischen'
fälle erwachsen sind, dieser noch einmal eine deutliche Warnung und Mahnung
zukommen ließ, endlich die in sie namentlich hinsichtlich der Anleihebedingungen
gesetzten Erwartungen zu erfüllen, und im Anschluß daran andeutete, daß tre
englische Politik sonst vielleicht einsehen könnte, mit der Unterstützung Jüanschikais
einen Fehler begangen zu haben, daß sie sich daraufhin zu einer Änderung
ihrer Haltung genötigt sehen könnte, was dann für Chinas Zukunft die
schlimmsten Aussichten eröffnen müßte. Diese Äußerung ist natürlich von
den chinesischen Revolutionären mit Jubel vernommen worden. Sie bedauern
nur, daß England diese Erkenntnis zu spät komme. Immerhin zeigt sich
schon eine Gefahr der englischen Schwenkung. Sie belebt den Mut der chin^
fischen Opposition, was sicher sofort die Verlängerung der Wirren und Unruhe"
in China zur Folge haben und auch den Handel nur wieder schädigen dürste-
Das Interesse der Mächte verlangt eben doch die Unterstützung der Ordnung
in China. England hat dieses Prinzip aber auch noch nicht aufgegeben.
Timesartikel spricht nur von der Möglichkeit einer Schwenkung der britisch?


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[0258] Englands LhinapoliUk schädigt schließlich die Interessen der daran beteiligt gewesenen Geldgeber und untergräbt den Kredit der Pekinger Regierung. Es ist also doch nicht aus¬ geschlossen, daß es zum finanziellen Zusammenbruch Chinas kommt. England müsse sich da rechtzeitig vorsehen. Für die Opposition im eigenen englischen Lager sind in der Hauptsache diese vorwiegend wirtschaftlichen Gründe maßgebend für ihr Ablehnen der Greyschen Politik. In Downingstreet hat man sich ihnen lange völlig ver¬ schlossen. Man stand dort auf dem Standpunkt, daß es in erster Linie auf die Erhaltung einer starken Zentralregierung in Peking ankäme, da allein eine solche imstande sei, die englischen Interessen und auch die Interessen der großen Geldgeber zu garantieren. Man unterstützte deshalb Jüanschikai auch in dem letzten Kampfe oder gab ihn wenigstens nicht auf. Mit Tibet, der Opium- und der Anerkennungsfrage hatte man, wie man glaubte, ja immer noch Hand¬ haben genug, um den eigenen Vorteil jederzeit zu wahren. Allmählich scheint aber doch die Erkenntnis mehr und mehr durchgedrungen zu sein, daß die englischen Interessen aus die Dauer bei dieser Politik wirklich Schaden leiden könnten. Man ließ es zunächst noch an Warnungen an die Pekinger Regierung nicht fehlen, daß sie mit ihren Anleihen vorsichtiger sein müsse, wenn sie sich nicht um allen Kredit bringen wolle. In diesem Sinne äußerte sich z. B. vor einiger Zeit der Vertreter der Hongkong u. Schanghai Banking Corporation, was damals schon sehr beachtet wurde. Die Konflikte in der Salzsteuerreform' frage zwischen der Pekinger Regierung und dem englischen Berater dürften auch dazu beigetragen haben, die Stimmung gegen Jüanschikai und seine Leute ein¬ zunehmen. Es war nur die klare weitere Folge dieser Entwicklung, wenn dann vor einigen Tagen die Times in einem viel beachteten Leitartikel, den sich das Tokioer Auswärtige Amt sofort telegraphisch übermitteln ließ, im Hinblick aus die Schwierigkeiten, die der Pekinger Regierung durch die japanischen Zwischen' fälle erwachsen sind, dieser noch einmal eine deutliche Warnung und Mahnung zukommen ließ, endlich die in sie namentlich hinsichtlich der Anleihebedingungen gesetzten Erwartungen zu erfüllen, und im Anschluß daran andeutete, daß tre englische Politik sonst vielleicht einsehen könnte, mit der Unterstützung Jüanschikais einen Fehler begangen zu haben, daß sie sich daraufhin zu einer Änderung ihrer Haltung genötigt sehen könnte, was dann für Chinas Zukunft die schlimmsten Aussichten eröffnen müßte. Diese Äußerung ist natürlich von den chinesischen Revolutionären mit Jubel vernommen worden. Sie bedauern nur, daß England diese Erkenntnis zu spät komme. Immerhin zeigt sich schon eine Gefahr der englischen Schwenkung. Sie belebt den Mut der chin^ fischen Opposition, was sicher sofort die Verlängerung der Wirren und Unruhe" in China zur Folge haben und auch den Handel nur wieder schädigen dürste- Das Interesse der Mächte verlangt eben doch die Unterstützung der Ordnung in China. England hat dieses Prinzip aber auch noch nicht aufgegeben. Timesartikel spricht nur von der Möglichkeit einer Schwenkung der britisch?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/258>, abgerufen am 24.08.2024.