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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

Einsicht, auf der anderen Seite so unbekümmert um seinen Vorteil, daß wir ihn
unseres Spottes wert halten sollten, aber trotzdem mag es wieder nach deineni
Willen gehen. Das wollen wir dir raten: wenn du einmal so voll Zornes bist,
daß du einen Menschen erschlagen möchtest, so behalte Gott in Erinnerung und
sprich das heilige Gebet: Paternoster im Namen Gottes des Vaters, und wenn
dabei dein Zorn nicht verraucht, so sollst du ein zweites Paternoster sprechen
im Namen Gottes des Sohnes und wenn er darauf hin immer noch nicht
schwindet, so sprich ein drittes Paternoster in Erinnerung an den Heiligen
Geist. Wenn es dich dann noch nach deinem Vorhaben gelüstet, so vollbringe
es, wenn Gott es nicht verhindert, und er möge dir barmherzig sein!"

Vigfus dankte wie gewöhnt für den guten Rat und fragte, was er nun
in Zukunft arbeiten solle. Der König sagte, daß er mit ihm eine kleine Weile
spazieren gehen möge; er begab sich aus der Stadt an den Strand hinab zur
Landungsbrücke und da lag vor derselben ein Schiff beladen zur Fahrt übers
Meer, mit Zelten versehen und zur Abreise gerüstet. Da sprach der König:

"Deine Leistungen, Vigfus, sind von großem Wert, wenn wir auch geringen
Lohn für dieselben gegeben haben, nun aber sollst du dieses zur Fahrt nach
England gerüstete Schiff haben, es ist unser Wille, daß du auf ihm nach Eng¬
land fährst und daselbst den Winter über bleibst; denn dort gibt es für dich
Gelegenheit zu arbeiten, wenn dir der König von England, wie wir vermuten,
die Aufführung von Bauten überträgt, denn die Paläste in England stammen
aus alter Zeit; verfahre klug mit den Gütern, die wir dir schenken und verkaufe
sie mit Nutzen, es sind ja gute Zeiten in England und die Ladung des Schiffes
wird dir keine Enttäuschung bereiten; die Matrosen unterstehen deiner Gewalt;
doch möchte es uns rätlich erscheinen, daß du, sobald du am Ziele deiner Reise
angekommen bist, deine Mittel schonst und ihnen ein Handelsfahrzeug verschaffst,
damit sie hierher zurückfahren; denn es wird dir nicht an Leuten fehlen, wenn
du, wie wir glauben, nach Norwegen fahren willst, um deine Heimat aufzusuchen."

Vigfus dankte dem König für alle ihm erwiesenen Gunstbezeugungen, zu¬
erst dafür, daß er ihn zu einen tüchtigen Menschen gemacht habe, dann für
das Schiff und seine Ware, endlich für die guten Ratschläge und erklärte, er
würde ihm das damit lohnen, daß er ihn vor allen anderen Königen rühmen wolle.

Hierauf nahm er vom König Urlaub zur Abreise, bestieg sein Schiff und
segelte sofort ins Meer hinaus; er kam in England glücklich und wohlbehalten
an und führte alles so aus, wie es der König angeordnet hatte. Vigfus sendete
die Schiffsleute zurück, die Waren aber brachte er ans Land; es war jedes
einzelne Stück von erlesener Art und er konnte damit in England einen höchst
vorteilhaften Tauschhandel treiben. Bald lud ihn der König zu sich ein, denn
es war ihm rasch hinterbracht worden, welch vortrefflicher Meister in jeder
Kunst Vigfus sei. Als sie miteinander zusammentrafen, fragte der König, ob
er eine Arbeit für ihn ausführen wolle und fügte hinzu, er besitze einen alten
Palast, der niedergerissen werden solle. Vigfus sprach:


Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

Einsicht, auf der anderen Seite so unbekümmert um seinen Vorteil, daß wir ihn
unseres Spottes wert halten sollten, aber trotzdem mag es wieder nach deineni
Willen gehen. Das wollen wir dir raten: wenn du einmal so voll Zornes bist,
daß du einen Menschen erschlagen möchtest, so behalte Gott in Erinnerung und
sprich das heilige Gebet: Paternoster im Namen Gottes des Vaters, und wenn
dabei dein Zorn nicht verraucht, so sollst du ein zweites Paternoster sprechen
im Namen Gottes des Sohnes und wenn er darauf hin immer noch nicht
schwindet, so sprich ein drittes Paternoster in Erinnerung an den Heiligen
Geist. Wenn es dich dann noch nach deinem Vorhaben gelüstet, so vollbringe
es, wenn Gott es nicht verhindert, und er möge dir barmherzig sein!"

Vigfus dankte wie gewöhnt für den guten Rat und fragte, was er nun
in Zukunft arbeiten solle. Der König sagte, daß er mit ihm eine kleine Weile
spazieren gehen möge; er begab sich aus der Stadt an den Strand hinab zur
Landungsbrücke und da lag vor derselben ein Schiff beladen zur Fahrt übers
Meer, mit Zelten versehen und zur Abreise gerüstet. Da sprach der König:

„Deine Leistungen, Vigfus, sind von großem Wert, wenn wir auch geringen
Lohn für dieselben gegeben haben, nun aber sollst du dieses zur Fahrt nach
England gerüstete Schiff haben, es ist unser Wille, daß du auf ihm nach Eng¬
land fährst und daselbst den Winter über bleibst; denn dort gibt es für dich
Gelegenheit zu arbeiten, wenn dir der König von England, wie wir vermuten,
die Aufführung von Bauten überträgt, denn die Paläste in England stammen
aus alter Zeit; verfahre klug mit den Gütern, die wir dir schenken und verkaufe
sie mit Nutzen, es sind ja gute Zeiten in England und die Ladung des Schiffes
wird dir keine Enttäuschung bereiten; die Matrosen unterstehen deiner Gewalt;
doch möchte es uns rätlich erscheinen, daß du, sobald du am Ziele deiner Reise
angekommen bist, deine Mittel schonst und ihnen ein Handelsfahrzeug verschaffst,
damit sie hierher zurückfahren; denn es wird dir nicht an Leuten fehlen, wenn
du, wie wir glauben, nach Norwegen fahren willst, um deine Heimat aufzusuchen."

Vigfus dankte dem König für alle ihm erwiesenen Gunstbezeugungen, zu¬
erst dafür, daß er ihn zu einen tüchtigen Menschen gemacht habe, dann für
das Schiff und seine Ware, endlich für die guten Ratschläge und erklärte, er
würde ihm das damit lohnen, daß er ihn vor allen anderen Königen rühmen wolle.

Hierauf nahm er vom König Urlaub zur Abreise, bestieg sein Schiff und
segelte sofort ins Meer hinaus; er kam in England glücklich und wohlbehalten
an und führte alles so aus, wie es der König angeordnet hatte. Vigfus sendete
die Schiffsleute zurück, die Waren aber brachte er ans Land; es war jedes
einzelne Stück von erlesener Art und er konnte damit in England einen höchst
vorteilhaften Tauschhandel treiben. Bald lud ihn der König zu sich ein, denn
es war ihm rasch hinterbracht worden, welch vortrefflicher Meister in jeder
Kunst Vigfus sei. Als sie miteinander zusammentrafen, fragte der König, ob
er eine Arbeit für ihn ausführen wolle und fügte hinzu, er besitze einen alten
Palast, der niedergerissen werden solle. Vigfus sprach:


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[0229] Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks Einsicht, auf der anderen Seite so unbekümmert um seinen Vorteil, daß wir ihn unseres Spottes wert halten sollten, aber trotzdem mag es wieder nach deineni Willen gehen. Das wollen wir dir raten: wenn du einmal so voll Zornes bist, daß du einen Menschen erschlagen möchtest, so behalte Gott in Erinnerung und sprich das heilige Gebet: Paternoster im Namen Gottes des Vaters, und wenn dabei dein Zorn nicht verraucht, so sollst du ein zweites Paternoster sprechen im Namen Gottes des Sohnes und wenn er darauf hin immer noch nicht schwindet, so sprich ein drittes Paternoster in Erinnerung an den Heiligen Geist. Wenn es dich dann noch nach deinem Vorhaben gelüstet, so vollbringe es, wenn Gott es nicht verhindert, und er möge dir barmherzig sein!" Vigfus dankte wie gewöhnt für den guten Rat und fragte, was er nun in Zukunft arbeiten solle. Der König sagte, daß er mit ihm eine kleine Weile spazieren gehen möge; er begab sich aus der Stadt an den Strand hinab zur Landungsbrücke und da lag vor derselben ein Schiff beladen zur Fahrt übers Meer, mit Zelten versehen und zur Abreise gerüstet. Da sprach der König: „Deine Leistungen, Vigfus, sind von großem Wert, wenn wir auch geringen Lohn für dieselben gegeben haben, nun aber sollst du dieses zur Fahrt nach England gerüstete Schiff haben, es ist unser Wille, daß du auf ihm nach Eng¬ land fährst und daselbst den Winter über bleibst; denn dort gibt es für dich Gelegenheit zu arbeiten, wenn dir der König von England, wie wir vermuten, die Aufführung von Bauten überträgt, denn die Paläste in England stammen aus alter Zeit; verfahre klug mit den Gütern, die wir dir schenken und verkaufe sie mit Nutzen, es sind ja gute Zeiten in England und die Ladung des Schiffes wird dir keine Enttäuschung bereiten; die Matrosen unterstehen deiner Gewalt; doch möchte es uns rätlich erscheinen, daß du, sobald du am Ziele deiner Reise angekommen bist, deine Mittel schonst und ihnen ein Handelsfahrzeug verschaffst, damit sie hierher zurückfahren; denn es wird dir nicht an Leuten fehlen, wenn du, wie wir glauben, nach Norwegen fahren willst, um deine Heimat aufzusuchen." Vigfus dankte dem König für alle ihm erwiesenen Gunstbezeugungen, zu¬ erst dafür, daß er ihn zu einen tüchtigen Menschen gemacht habe, dann für das Schiff und seine Ware, endlich für die guten Ratschläge und erklärte, er würde ihm das damit lohnen, daß er ihn vor allen anderen Königen rühmen wolle. Hierauf nahm er vom König Urlaub zur Abreise, bestieg sein Schiff und segelte sofort ins Meer hinaus; er kam in England glücklich und wohlbehalten an und führte alles so aus, wie es der König angeordnet hatte. Vigfus sendete die Schiffsleute zurück, die Waren aber brachte er ans Land; es war jedes einzelne Stück von erlesener Art und er konnte damit in England einen höchst vorteilhaften Tauschhandel treiben. Bald lud ihn der König zu sich ein, denn es war ihm rasch hinterbracht worden, welch vortrefflicher Meister in jeder Kunst Vigfus sei. Als sie miteinander zusammentrafen, fragte der König, ob er eine Arbeit für ihn ausführen wolle und fügte hinzu, er besitze einen alten Palast, der niedergerissen werden solle. Vigfus sprach:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/229>, abgerufen am 28.09.2024.