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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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ZZie Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

und in eine Mauer einzusetzen nach den Regeln der Steinmetze. Nach Ablauf
eines Jahres hatte er sich diese Kunstfertigkeit angeeignet, so daß es sich damit
verhielt wie mit den anderen Künsten: er übertraf alle Männer wie an Hurtigkeit
so an Schönheit der Ausführung. Seine Lehrzeit war nun zu Ende.

Auf das Geheiß des Königs ging er nun daran, aus Eisen Kleinodien zu
schmieden, wie sie der König zur Verherrlichung seiner Macht zu besitzen wünschte;
darüber verging ein Jahr.

Der König dankte ihm für diese Arbeit und bot ihm für dieselbe Lohn
an. Vigfus sagte, er habe es dem Könige zu danken, daß er etwas leiste und
erklärte, daß er keinen Lohn verdiene.

Der König wunderte sich darüber, daß er um nichts arbeiten wolle.
Vigfus erwiderte:

"So soll es nichts sein, ich werde das Beste wählen, was es meiner Ansicht
nach gibt und was mir zum größten Vorteil gereichen wird: ich bitte Euch
darum, daß Ihr mir einen guten Rat gebt."

Der König sprach: "Du bist mir ein wunderlicher Geselle: Geld schlägst
du aus, aber solches begehrst du. Wer sagt dir denn, daß ich in die Zukunft
blicke und weise bin?"

Vigfus antwortete, er habe an sich selbst erfahren, daß jener weise sei
und in die Zukunft blicke. Es kam schließlich dazu, daß der König ihm diese
Antwort gab: "Dies ist mein Rat, daß du niemals einem kleinen rotbärtigen
Mann traust."

Vigfus dankte ihm für diesen Ratschlag, als ob er eine ungewöhnlich kost¬
bare Gabe empfangen hätte. Nun ging wiederum ein Jahr dahin und er
schmiedete für den König goldene und andere Kleinodien mit einer selten
gesehenen Geschicklichkeit, über die alle in Bewunderung gerieten. Nach Verlauf
dieses Jahres fand ein Gespräch zwischen Vigfus und dem Könige statt, das
genau so ausfiel wie das früher berichtete.

Der König bot ihm Geld an, aber Vigfus verlangte einen guten Rat und
trotz allen Drängens kam es wiederum dazu, daß der König nachgab und also
sprach: "Mag ein Geschäft, das dir obliegt, noch so dringend sein, achte
darauf, daß du nie aus der Messe gehst, bevor sie zu Ende ist, wenn du
einmal in der Kirche bist."

Vigfus dankte für den guten Rat und war im nächsten Jahr als Stein¬
metz tätig; er baute dem Dänenkönig einen so prächtigen Palast, wie ein gleicher
früher in diesem Lande nicht erschaut war.

Nach Erbauung des Palastes fand zwischen dem König und Vigfus eine
Begegnung statt, es war um die Frühjahrszeit, als die Leute sich zu ihren
Handelsreisen rüsteten; der König dankte ihm wiederum für seine Arbeit und
fragte, was er für dieselbe am liebsten entgegenzunehmen wünsche. Vigfus
antwortete: "einen Rat, mein König." Svein sprach hierauf: "Wie kann ein
und derselbe Mann so geartet sein: auf der einen Seite klug und von seltener


ZZie Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

und in eine Mauer einzusetzen nach den Regeln der Steinmetze. Nach Ablauf
eines Jahres hatte er sich diese Kunstfertigkeit angeeignet, so daß es sich damit
verhielt wie mit den anderen Künsten: er übertraf alle Männer wie an Hurtigkeit
so an Schönheit der Ausführung. Seine Lehrzeit war nun zu Ende.

Auf das Geheiß des Königs ging er nun daran, aus Eisen Kleinodien zu
schmieden, wie sie der König zur Verherrlichung seiner Macht zu besitzen wünschte;
darüber verging ein Jahr.

Der König dankte ihm für diese Arbeit und bot ihm für dieselbe Lohn
an. Vigfus sagte, er habe es dem Könige zu danken, daß er etwas leiste und
erklärte, daß er keinen Lohn verdiene.

Der König wunderte sich darüber, daß er um nichts arbeiten wolle.
Vigfus erwiderte:

„So soll es nichts sein, ich werde das Beste wählen, was es meiner Ansicht
nach gibt und was mir zum größten Vorteil gereichen wird: ich bitte Euch
darum, daß Ihr mir einen guten Rat gebt."

Der König sprach: „Du bist mir ein wunderlicher Geselle: Geld schlägst
du aus, aber solches begehrst du. Wer sagt dir denn, daß ich in die Zukunft
blicke und weise bin?"

Vigfus antwortete, er habe an sich selbst erfahren, daß jener weise sei
und in die Zukunft blicke. Es kam schließlich dazu, daß der König ihm diese
Antwort gab: „Dies ist mein Rat, daß du niemals einem kleinen rotbärtigen
Mann traust."

Vigfus dankte ihm für diesen Ratschlag, als ob er eine ungewöhnlich kost¬
bare Gabe empfangen hätte. Nun ging wiederum ein Jahr dahin und er
schmiedete für den König goldene und andere Kleinodien mit einer selten
gesehenen Geschicklichkeit, über die alle in Bewunderung gerieten. Nach Verlauf
dieses Jahres fand ein Gespräch zwischen Vigfus und dem Könige statt, das
genau so ausfiel wie das früher berichtete.

Der König bot ihm Geld an, aber Vigfus verlangte einen guten Rat und
trotz allen Drängens kam es wiederum dazu, daß der König nachgab und also
sprach: „Mag ein Geschäft, das dir obliegt, noch so dringend sein, achte
darauf, daß du nie aus der Messe gehst, bevor sie zu Ende ist, wenn du
einmal in der Kirche bist."

Vigfus dankte für den guten Rat und war im nächsten Jahr als Stein¬
metz tätig; er baute dem Dänenkönig einen so prächtigen Palast, wie ein gleicher
früher in diesem Lande nicht erschaut war.

Nach Erbauung des Palastes fand zwischen dem König und Vigfus eine
Begegnung statt, es war um die Frühjahrszeit, als die Leute sich zu ihren
Handelsreisen rüsteten; der König dankte ihm wiederum für seine Arbeit und
fragte, was er für dieselbe am liebsten entgegenzunehmen wünsche. Vigfus
antwortete: „einen Rat, mein König." Svein sprach hierauf: „Wie kann ein
und derselbe Mann so geartet sein: auf der einen Seite klug und von seltener


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[0228] ZZie Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks und in eine Mauer einzusetzen nach den Regeln der Steinmetze. Nach Ablauf eines Jahres hatte er sich diese Kunstfertigkeit angeeignet, so daß es sich damit verhielt wie mit den anderen Künsten: er übertraf alle Männer wie an Hurtigkeit so an Schönheit der Ausführung. Seine Lehrzeit war nun zu Ende. Auf das Geheiß des Königs ging er nun daran, aus Eisen Kleinodien zu schmieden, wie sie der König zur Verherrlichung seiner Macht zu besitzen wünschte; darüber verging ein Jahr. Der König dankte ihm für diese Arbeit und bot ihm für dieselbe Lohn an. Vigfus sagte, er habe es dem Könige zu danken, daß er etwas leiste und erklärte, daß er keinen Lohn verdiene. Der König wunderte sich darüber, daß er um nichts arbeiten wolle. Vigfus erwiderte: „So soll es nichts sein, ich werde das Beste wählen, was es meiner Ansicht nach gibt und was mir zum größten Vorteil gereichen wird: ich bitte Euch darum, daß Ihr mir einen guten Rat gebt." Der König sprach: „Du bist mir ein wunderlicher Geselle: Geld schlägst du aus, aber solches begehrst du. Wer sagt dir denn, daß ich in die Zukunft blicke und weise bin?" Vigfus antwortete, er habe an sich selbst erfahren, daß jener weise sei und in die Zukunft blicke. Es kam schließlich dazu, daß der König ihm diese Antwort gab: „Dies ist mein Rat, daß du niemals einem kleinen rotbärtigen Mann traust." Vigfus dankte ihm für diesen Ratschlag, als ob er eine ungewöhnlich kost¬ bare Gabe empfangen hätte. Nun ging wiederum ein Jahr dahin und er schmiedete für den König goldene und andere Kleinodien mit einer selten gesehenen Geschicklichkeit, über die alle in Bewunderung gerieten. Nach Verlauf dieses Jahres fand ein Gespräch zwischen Vigfus und dem Könige statt, das genau so ausfiel wie das früher berichtete. Der König bot ihm Geld an, aber Vigfus verlangte einen guten Rat und trotz allen Drängens kam es wiederum dazu, daß der König nachgab und also sprach: „Mag ein Geschäft, das dir obliegt, noch so dringend sein, achte darauf, daß du nie aus der Messe gehst, bevor sie zu Ende ist, wenn du einmal in der Kirche bist." Vigfus dankte für den guten Rat und war im nächsten Jahr als Stein¬ metz tätig; er baute dem Dänenkönig einen so prächtigen Palast, wie ein gleicher früher in diesem Lande nicht erschaut war. Nach Erbauung des Palastes fand zwischen dem König und Vigfus eine Begegnung statt, es war um die Frühjahrszeit, als die Leute sich zu ihren Handelsreisen rüsteten; der König dankte ihm wiederum für seine Arbeit und fragte, was er für dieselbe am liebsten entgegenzunehmen wünsche. Vigfus antwortete: „einen Rat, mein König." Svein sprach hierauf: „Wie kann ein und derselbe Mann so geartet sein: auf der einen Seite klug und von seltener

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/228>, abgerufen am 25.06.2024.