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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Besitzfestijzung und Nachhypothekcn in den ostmärkischen Städten

Jahre 1907 von Freunden des Teutschen Ostmarkenvereins gegründet wurde,
um deutschen Gewerbetreibenden in der Ostmark bei Beschaffung von zweiten
Hypotheken behilflich zu sein. Sie hat trotz ihrer bescheidenen Mittel in dieser
Zeit recht segensreich gewirkt. Deren praktische Erfahrungen weisen gebieterisch
darauf hin, bei Hergabe von zweiten Hypotheken die größte Vorsicht walten zu
lassen. Es hat sich zumeist gezeigt, daß auch die zuverlässigsten Taxen bei
einem Zwangsverkauf in der Regel noch wesentlich zu hoch waren, und zwar
größtenteils aus dem Grunde, daß die von dem Eigentümer zu seinem Ge¬
schäftsbetriebe benutzten Räumlichkeiten nicht immer in derselben Art verwendet
werden konnten.

Will man also diese zweifellos vorhandenen Risiken auf ein vernünftiges
Maß zurückführen, so ist es notwendig, die Interessenten, d. h. die Hypotheken-
bedürftigen Hauseigentümer, in eine Genossenschaft zu vereinigen, an deren
Prosperieren die Mitglieder mit ihrem eigenen Geldbeutel interessiert sind, indem
sie bei größeren Verlusten durch das vorgeschlagene Umlageverfahren darauf
aufmerksam werden, ob der Vorstand bei Hergabe von Darlehen vorsichtig genug
gewesen ist. Die Folge wird sein, daß die einzelnen Genossen den Vorstand
auf etwaige wirtschaftliche Schwierigkeiten, die sich bei dem einen oder anderen
Mitgliede zeigen, rechtzeitig hinweisen werden, und es ist dann Sache des Vor¬
standes, zu prüfen, welche Sicherungsmaßnahmen er auf Grund seines Ver¬
waltungsrechts treffen will.

Bei Beratung des Antrages Viereck in der letzten Tagung des Preußischen
Landtages herrschte bei den nationalen Parteien Einstimmigkeit darüber, daß
für die Förderung des zweitstelligen Nealkredits in den ostmärkischen Städten
staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, und die zuständigen
Minister versprachen eine wohlwollende Prüfung. Es ist daher zu hoffen, daß
die Staatsregierung dem Landtage zur neuen Session eine entsprechende Vor¬
lage unterbreitet. Freilich ist die Nachhypothekenfrage in Verbindung mit der
notwendigen Sicherung des deutschen städtischen Grundbesitzes in der Ostmark
ein besonders schwieriges Problem. Vielleicht gibt die vorstehende Anregung die
gesuchte Lösung.




Besitzfestijzung und Nachhypothekcn in den ostmärkischen Städten

Jahre 1907 von Freunden des Teutschen Ostmarkenvereins gegründet wurde,
um deutschen Gewerbetreibenden in der Ostmark bei Beschaffung von zweiten
Hypotheken behilflich zu sein. Sie hat trotz ihrer bescheidenen Mittel in dieser
Zeit recht segensreich gewirkt. Deren praktische Erfahrungen weisen gebieterisch
darauf hin, bei Hergabe von zweiten Hypotheken die größte Vorsicht walten zu
lassen. Es hat sich zumeist gezeigt, daß auch die zuverlässigsten Taxen bei
einem Zwangsverkauf in der Regel noch wesentlich zu hoch waren, und zwar
größtenteils aus dem Grunde, daß die von dem Eigentümer zu seinem Ge¬
schäftsbetriebe benutzten Räumlichkeiten nicht immer in derselben Art verwendet
werden konnten.

Will man also diese zweifellos vorhandenen Risiken auf ein vernünftiges
Maß zurückführen, so ist es notwendig, die Interessenten, d. h. die Hypotheken-
bedürftigen Hauseigentümer, in eine Genossenschaft zu vereinigen, an deren
Prosperieren die Mitglieder mit ihrem eigenen Geldbeutel interessiert sind, indem
sie bei größeren Verlusten durch das vorgeschlagene Umlageverfahren darauf
aufmerksam werden, ob der Vorstand bei Hergabe von Darlehen vorsichtig genug
gewesen ist. Die Folge wird sein, daß die einzelnen Genossen den Vorstand
auf etwaige wirtschaftliche Schwierigkeiten, die sich bei dem einen oder anderen
Mitgliede zeigen, rechtzeitig hinweisen werden, und es ist dann Sache des Vor¬
standes, zu prüfen, welche Sicherungsmaßnahmen er auf Grund seines Ver¬
waltungsrechts treffen will.

Bei Beratung des Antrages Viereck in der letzten Tagung des Preußischen
Landtages herrschte bei den nationalen Parteien Einstimmigkeit darüber, daß
für die Förderung des zweitstelligen Nealkredits in den ostmärkischen Städten
staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, und die zuständigen
Minister versprachen eine wohlwollende Prüfung. Es ist daher zu hoffen, daß
die Staatsregierung dem Landtage zur neuen Session eine entsprechende Vor¬
lage unterbreitet. Freilich ist die Nachhypothekenfrage in Verbindung mit der
notwendigen Sicherung des deutschen städtischen Grundbesitzes in der Ostmark
ein besonders schwieriges Problem. Vielleicht gibt die vorstehende Anregung die
gesuchte Lösung.




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[0217] Besitzfestijzung und Nachhypothekcn in den ostmärkischen Städten Jahre 1907 von Freunden des Teutschen Ostmarkenvereins gegründet wurde, um deutschen Gewerbetreibenden in der Ostmark bei Beschaffung von zweiten Hypotheken behilflich zu sein. Sie hat trotz ihrer bescheidenen Mittel in dieser Zeit recht segensreich gewirkt. Deren praktische Erfahrungen weisen gebieterisch darauf hin, bei Hergabe von zweiten Hypotheken die größte Vorsicht walten zu lassen. Es hat sich zumeist gezeigt, daß auch die zuverlässigsten Taxen bei einem Zwangsverkauf in der Regel noch wesentlich zu hoch waren, und zwar größtenteils aus dem Grunde, daß die von dem Eigentümer zu seinem Ge¬ schäftsbetriebe benutzten Räumlichkeiten nicht immer in derselben Art verwendet werden konnten. Will man also diese zweifellos vorhandenen Risiken auf ein vernünftiges Maß zurückführen, so ist es notwendig, die Interessenten, d. h. die Hypotheken- bedürftigen Hauseigentümer, in eine Genossenschaft zu vereinigen, an deren Prosperieren die Mitglieder mit ihrem eigenen Geldbeutel interessiert sind, indem sie bei größeren Verlusten durch das vorgeschlagene Umlageverfahren darauf aufmerksam werden, ob der Vorstand bei Hergabe von Darlehen vorsichtig genug gewesen ist. Die Folge wird sein, daß die einzelnen Genossen den Vorstand auf etwaige wirtschaftliche Schwierigkeiten, die sich bei dem einen oder anderen Mitgliede zeigen, rechtzeitig hinweisen werden, und es ist dann Sache des Vor¬ standes, zu prüfen, welche Sicherungsmaßnahmen er auf Grund seines Ver¬ waltungsrechts treffen will. Bei Beratung des Antrages Viereck in der letzten Tagung des Preußischen Landtages herrschte bei den nationalen Parteien Einstimmigkeit darüber, daß für die Förderung des zweitstelligen Nealkredits in den ostmärkischen Städten staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, und die zuständigen Minister versprachen eine wohlwollende Prüfung. Es ist daher zu hoffen, daß die Staatsregierung dem Landtage zur neuen Session eine entsprechende Vor¬ lage unterbreitet. Freilich ist die Nachhypothekenfrage in Verbindung mit der notwendigen Sicherung des deutschen städtischen Grundbesitzes in der Ostmark ein besonders schwieriges Problem. Vielleicht gibt die vorstehende Anregung die gesuchte Lösung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/217>, abgerufen am 30.06.2024.