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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Besitzfestigung und Nachhypothcken in den ostmärkischon Städten

Handelns die Zahlung einer Vertragsstrafe. Für diese Vertragsstrafe haftet auch
die oben erwähnte, der Genossenschaft zedierte Grundschuld. Der Verkauf des
Grundstücks an einen Polen hat den sofortigen Ausschluß des Besitzers aus der
Genossenschaft zur Folge, wie auch die Fälligkeit der Grundschuld und deren
Inanspruchnahme für die Vertragsstrafe. Scheidet das Mitglied durch Rück¬
zahlung der Hypothek aus, so bleibt nur die Haftung für die Konventional¬
strafe wegen des Verkaufs an Polen auf weitere 20 Jahre bestehen. Sonstige
Verbindlichkeiten hat der ausgeschiedene Hypothekenschuldner nicht.

Hält man den in obiger Weise gebildeten Garantiefonds nicht für aus¬
reichend, so könnte der Prozentsatz der Grundschuld erhöht werden; die Praxis
wird aber ergeben, daß eine Erhöhung nicht notwendig ist, denn für den Haus¬
besitzer fallen in Zukunft die Unkosten und Sorgen bei Beschaffung etwa ge¬
kündigter Hypothekenkapitalien fort, er wird wirtschaftlich gesünder und das
Risiko der Genossenschaft vermindert sich.

Es sind natürlich alle die gesetzlichen Kautelen vorzusehen, die notwendig
sind, um die zweite Hypothek zu schützen, insbesondere muß mit dem Inhaber
der ersten Hypothek die Vereinbarung getroffen werden, daß nicht nur die erste
Hypothek zu amortisieren ist, sondern daß auch die fälligen Zinsen nicht von
einem Dritten gezahlt werden und die Zinsforderung etwa an diesen zediert
wird, so daß eine Zwischenhypothek entstehen kann. Außerdem ist zu verein¬
baren, daß der vorstehende Hypothekengläubiger der Genossenschaft davon Mit¬
teilung macht, falls die fälligen Zinsen nicht innerhalb vier Wochen gezahlt
sind. Der Grundstückseigentümer hat der Genossenschaft ferner das Recht der
Verwaltung zu übertragen. Die Genossenschaft darf dieses Recht nur dann in
Anspruch nehmen, sofern der Grundstückseigentümer in Vermögensverfall gerät
oder mit der Zinszahlung in Verzug kommt oder aber, wenn er Mieter an
einen anderen zediert oder diese ihm gepfändet werden.

Im allgemeinen wird das Risiko bei Hergabe von zweitstelligen Hypotheken
auf Grundstücke in den kleinen ostmärkischen Städten unterschätzt. Es wird zu
wenig beachtet, daß es sich in der Ostmark selten um Groß- oder Mittelstädte
handelt, wo mit einigem Recht von einem Grundstücksmarkt gesprochen werden
kann, sondern daß es in der Hauptsache kleine und kleinste Städte sind, die
häufig kaum den Namen Städte verdienen und in denen ein Grundstücksmarkt
überhaupt nicht existiert. (Die Möglichkeit, das Grundstück an einen Polen zu
verkaufen, scheidet hierbei aus.) Es handelt sich auch in den selteneren Fällen
um Rentenhäuser, die eine regelrechte Verzinsung abwerfen und deren Wert
auf Grund dieser Verzinsung annähernd richtig ermittelt werden kann, sondern
um mehr oder minder kleine Geschäfts- bzw. Handwerkerhäuser, deren Wert
mit der geschäftlichen Prosperität ihrer Besitzer steigt und füllt.

Praktische Erfahrungen hat auf diesem Gebiete, soweit die kleinen Städte
der Ostmark in Betracht kommen, in größerem Umfange wohl nur die Ost¬
märkische Grundstücks-Erwerbsgenossenschaft in Berlin gesammelt, die im


Besitzfestigung und Nachhypothcken in den ostmärkischon Städten

Handelns die Zahlung einer Vertragsstrafe. Für diese Vertragsstrafe haftet auch
die oben erwähnte, der Genossenschaft zedierte Grundschuld. Der Verkauf des
Grundstücks an einen Polen hat den sofortigen Ausschluß des Besitzers aus der
Genossenschaft zur Folge, wie auch die Fälligkeit der Grundschuld und deren
Inanspruchnahme für die Vertragsstrafe. Scheidet das Mitglied durch Rück¬
zahlung der Hypothek aus, so bleibt nur die Haftung für die Konventional¬
strafe wegen des Verkaufs an Polen auf weitere 20 Jahre bestehen. Sonstige
Verbindlichkeiten hat der ausgeschiedene Hypothekenschuldner nicht.

Hält man den in obiger Weise gebildeten Garantiefonds nicht für aus¬
reichend, so könnte der Prozentsatz der Grundschuld erhöht werden; die Praxis
wird aber ergeben, daß eine Erhöhung nicht notwendig ist, denn für den Haus¬
besitzer fallen in Zukunft die Unkosten und Sorgen bei Beschaffung etwa ge¬
kündigter Hypothekenkapitalien fort, er wird wirtschaftlich gesünder und das
Risiko der Genossenschaft vermindert sich.

Es sind natürlich alle die gesetzlichen Kautelen vorzusehen, die notwendig
sind, um die zweite Hypothek zu schützen, insbesondere muß mit dem Inhaber
der ersten Hypothek die Vereinbarung getroffen werden, daß nicht nur die erste
Hypothek zu amortisieren ist, sondern daß auch die fälligen Zinsen nicht von
einem Dritten gezahlt werden und die Zinsforderung etwa an diesen zediert
wird, so daß eine Zwischenhypothek entstehen kann. Außerdem ist zu verein¬
baren, daß der vorstehende Hypothekengläubiger der Genossenschaft davon Mit¬
teilung macht, falls die fälligen Zinsen nicht innerhalb vier Wochen gezahlt
sind. Der Grundstückseigentümer hat der Genossenschaft ferner das Recht der
Verwaltung zu übertragen. Die Genossenschaft darf dieses Recht nur dann in
Anspruch nehmen, sofern der Grundstückseigentümer in Vermögensverfall gerät
oder mit der Zinszahlung in Verzug kommt oder aber, wenn er Mieter an
einen anderen zediert oder diese ihm gepfändet werden.

Im allgemeinen wird das Risiko bei Hergabe von zweitstelligen Hypotheken
auf Grundstücke in den kleinen ostmärkischen Städten unterschätzt. Es wird zu
wenig beachtet, daß es sich in der Ostmark selten um Groß- oder Mittelstädte
handelt, wo mit einigem Recht von einem Grundstücksmarkt gesprochen werden
kann, sondern daß es in der Hauptsache kleine und kleinste Städte sind, die
häufig kaum den Namen Städte verdienen und in denen ein Grundstücksmarkt
überhaupt nicht existiert. (Die Möglichkeit, das Grundstück an einen Polen zu
verkaufen, scheidet hierbei aus.) Es handelt sich auch in den selteneren Fällen
um Rentenhäuser, die eine regelrechte Verzinsung abwerfen und deren Wert
auf Grund dieser Verzinsung annähernd richtig ermittelt werden kann, sondern
um mehr oder minder kleine Geschäfts- bzw. Handwerkerhäuser, deren Wert
mit der geschäftlichen Prosperität ihrer Besitzer steigt und füllt.

Praktische Erfahrungen hat auf diesem Gebiete, soweit die kleinen Städte
der Ostmark in Betracht kommen, in größerem Umfange wohl nur die Ost¬
märkische Grundstücks-Erwerbsgenossenschaft in Berlin gesammelt, die im


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[0216] Besitzfestigung und Nachhypothcken in den ostmärkischon Städten Handelns die Zahlung einer Vertragsstrafe. Für diese Vertragsstrafe haftet auch die oben erwähnte, der Genossenschaft zedierte Grundschuld. Der Verkauf des Grundstücks an einen Polen hat den sofortigen Ausschluß des Besitzers aus der Genossenschaft zur Folge, wie auch die Fälligkeit der Grundschuld und deren Inanspruchnahme für die Vertragsstrafe. Scheidet das Mitglied durch Rück¬ zahlung der Hypothek aus, so bleibt nur die Haftung für die Konventional¬ strafe wegen des Verkaufs an Polen auf weitere 20 Jahre bestehen. Sonstige Verbindlichkeiten hat der ausgeschiedene Hypothekenschuldner nicht. Hält man den in obiger Weise gebildeten Garantiefonds nicht für aus¬ reichend, so könnte der Prozentsatz der Grundschuld erhöht werden; die Praxis wird aber ergeben, daß eine Erhöhung nicht notwendig ist, denn für den Haus¬ besitzer fallen in Zukunft die Unkosten und Sorgen bei Beschaffung etwa ge¬ kündigter Hypothekenkapitalien fort, er wird wirtschaftlich gesünder und das Risiko der Genossenschaft vermindert sich. Es sind natürlich alle die gesetzlichen Kautelen vorzusehen, die notwendig sind, um die zweite Hypothek zu schützen, insbesondere muß mit dem Inhaber der ersten Hypothek die Vereinbarung getroffen werden, daß nicht nur die erste Hypothek zu amortisieren ist, sondern daß auch die fälligen Zinsen nicht von einem Dritten gezahlt werden und die Zinsforderung etwa an diesen zediert wird, so daß eine Zwischenhypothek entstehen kann. Außerdem ist zu verein¬ baren, daß der vorstehende Hypothekengläubiger der Genossenschaft davon Mit¬ teilung macht, falls die fälligen Zinsen nicht innerhalb vier Wochen gezahlt sind. Der Grundstückseigentümer hat der Genossenschaft ferner das Recht der Verwaltung zu übertragen. Die Genossenschaft darf dieses Recht nur dann in Anspruch nehmen, sofern der Grundstückseigentümer in Vermögensverfall gerät oder mit der Zinszahlung in Verzug kommt oder aber, wenn er Mieter an einen anderen zediert oder diese ihm gepfändet werden. Im allgemeinen wird das Risiko bei Hergabe von zweitstelligen Hypotheken auf Grundstücke in den kleinen ostmärkischen Städten unterschätzt. Es wird zu wenig beachtet, daß es sich in der Ostmark selten um Groß- oder Mittelstädte handelt, wo mit einigem Recht von einem Grundstücksmarkt gesprochen werden kann, sondern daß es in der Hauptsache kleine und kleinste Städte sind, die häufig kaum den Namen Städte verdienen und in denen ein Grundstücksmarkt überhaupt nicht existiert. (Die Möglichkeit, das Grundstück an einen Polen zu verkaufen, scheidet hierbei aus.) Es handelt sich auch in den selteneren Fällen um Rentenhäuser, die eine regelrechte Verzinsung abwerfen und deren Wert auf Grund dieser Verzinsung annähernd richtig ermittelt werden kann, sondern um mehr oder minder kleine Geschäfts- bzw. Handwerkerhäuser, deren Wert mit der geschäftlichen Prosperität ihrer Besitzer steigt und füllt. Praktische Erfahrungen hat auf diesem Gebiete, soweit die kleinen Städte der Ostmark in Betracht kommen, in größerem Umfange wohl nur die Ost¬ märkische Grundstücks-Erwerbsgenossenschaft in Berlin gesammelt, die im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/216>, abgerufen am 02.07.2024.