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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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vom Höhenbild, auf Landkarten

Plastik und Farbenplastik ausgesprochen hat: für die Höhe müssen Farben
gewählt werden, die für das Auge vorspringen, für die Tiefe Farben, die für
das Auge einsinken. Dementsprechend ist das Sonnenspektrum von Grün über
Gelb und Orange bis zu Rot zugrunde gelegt, und zwar von Grün zu Rot
ansteigend. Doch sind die Spektralfarben nicht rein angewendet, sondern in
ihrer Aufeinanderfolge gleichzeitig nach zwei anderen farbenplastischen Gesetzen
abgewandelt: in der Höhe sind die Farben gesättigt und hell gegeben, nach
der Tiefe zu weniger satt und mit Grau getrübt. Um die Tiefe noch mehr
zu vertiefen, schließt sich unten an das Graugrün noch Grau an. Die Ab¬
stufungen sind nicht willkürlich, sondern streng gesetzmäßig; der Aufbau des
Geländebildes erfolgt daher ganz systematisch.

Alle Probekarten, auf denen Dr. Peuckers Skala bis jetzt angewendet ist,
beweisen die Richtigkeit seiner Ideen. Die bisher beste Veranschaulichung der
Peuckerschen Theorie ist die italienische Luftfahrerprobekarte, Blatt Turin
(I : 250000). Die Plastik der Karte ist erstaunlich, ohne daß sie übertrieben
wirkte, wie es an manchen anderen farbenplastischen Karten getadelt wird. Mit
dem ersten Blick überschaut man den ganzen Aufbau des Geländes: die
Poebene mit ihren eingesunkenen Flußtälern, das niedrige Gehänge der Berge
von Montserrat und das Stück Alpenwelt um den Gran Paradiso, mit seinen
höchsten, vergletscherten Gipfeln, mit seinen Graten, die aus der Hochregion
immer tiefer hinabsteigen, mit seinen Tälern, die sich, vielfach gewunden und
verästelt, bis hoch hinauf verfolgen lassen. Die farbigen Stufen sind auf den
Peuckerschen Karten mittlerer Maßstäbe zahlreich (fünfzehn und mehr), allmählich
ineinander übergehend und doch jede von den benachbarten deutlich unter-
scheidbar, so daß die Karte nicht bloß sofort eine Anschauung der Höhe gibt,
sondern daß es mit Hilfe der Skala auch im Nu möglich ist, die absolute und
relative Höhe jeder Schicht genau zu bestimmen.

Das Interesse für die Peuckersche Sache ist in weiteren Kreisen wach geworden
durch die Bedürfnisse der Luftfahrt. Der Luftfahrer, sei er nun Freiballon¬
fahrer oder Luftschiffer im engeren Sinne oder Flieger, braucht vor allen anderen
Leuten raumtreue Karten; bei seinem rastlosen Hingleiten über die Erde hat
er oft keine oder doch nur wenig Zeit, sich in seine Karten zu vertiefen und
mühsam die nötigen Kenntnisse aus ihnen herauszustudieren. Er muß alles
sehen, also auch die Raumverhältnisse, wenn ihm die Karte jederzeit nützen soll.
Andernfalls muß er sich auf die Wirklichkeit verlassen. Das Naturbild aber
wird, je unebener eine Gegend ist, desto verwirrender für ihn: fliegt er zwischen
den Bergen hin, dann verschieben sie sich fortwährend für ihn -- das Gelände
erscheint ihm in stetig wechselnden Verzerrungen; fliegt er über den Bergen, so
flacht sich das Gelände ab, desto mehr, je höher und je mehr senkrecht er darüber
fchwevt. Raumtreue Karten erleichtern ihm die Orientierung in ganz bedeutendem
Maße und helfen somit, Unglücksfälle verhüten und die Luftfahrt fördern. In
richtiger Erkenntnis dieser Sachlage hat sich der deutsche Luftfahrerverband ent-


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vom Höhenbild, auf Landkarten

Plastik und Farbenplastik ausgesprochen hat: für die Höhe müssen Farben
gewählt werden, die für das Auge vorspringen, für die Tiefe Farben, die für
das Auge einsinken. Dementsprechend ist das Sonnenspektrum von Grün über
Gelb und Orange bis zu Rot zugrunde gelegt, und zwar von Grün zu Rot
ansteigend. Doch sind die Spektralfarben nicht rein angewendet, sondern in
ihrer Aufeinanderfolge gleichzeitig nach zwei anderen farbenplastischen Gesetzen
abgewandelt: in der Höhe sind die Farben gesättigt und hell gegeben, nach
der Tiefe zu weniger satt und mit Grau getrübt. Um die Tiefe noch mehr
zu vertiefen, schließt sich unten an das Graugrün noch Grau an. Die Ab¬
stufungen sind nicht willkürlich, sondern streng gesetzmäßig; der Aufbau des
Geländebildes erfolgt daher ganz systematisch.

Alle Probekarten, auf denen Dr. Peuckers Skala bis jetzt angewendet ist,
beweisen die Richtigkeit seiner Ideen. Die bisher beste Veranschaulichung der
Peuckerschen Theorie ist die italienische Luftfahrerprobekarte, Blatt Turin
(I : 250000). Die Plastik der Karte ist erstaunlich, ohne daß sie übertrieben
wirkte, wie es an manchen anderen farbenplastischen Karten getadelt wird. Mit
dem ersten Blick überschaut man den ganzen Aufbau des Geländes: die
Poebene mit ihren eingesunkenen Flußtälern, das niedrige Gehänge der Berge
von Montserrat und das Stück Alpenwelt um den Gran Paradiso, mit seinen
höchsten, vergletscherten Gipfeln, mit seinen Graten, die aus der Hochregion
immer tiefer hinabsteigen, mit seinen Tälern, die sich, vielfach gewunden und
verästelt, bis hoch hinauf verfolgen lassen. Die farbigen Stufen sind auf den
Peuckerschen Karten mittlerer Maßstäbe zahlreich (fünfzehn und mehr), allmählich
ineinander übergehend und doch jede von den benachbarten deutlich unter-
scheidbar, so daß die Karte nicht bloß sofort eine Anschauung der Höhe gibt,
sondern daß es mit Hilfe der Skala auch im Nu möglich ist, die absolute und
relative Höhe jeder Schicht genau zu bestimmen.

Das Interesse für die Peuckersche Sache ist in weiteren Kreisen wach geworden
durch die Bedürfnisse der Luftfahrt. Der Luftfahrer, sei er nun Freiballon¬
fahrer oder Luftschiffer im engeren Sinne oder Flieger, braucht vor allen anderen
Leuten raumtreue Karten; bei seinem rastlosen Hingleiten über die Erde hat
er oft keine oder doch nur wenig Zeit, sich in seine Karten zu vertiefen und
mühsam die nötigen Kenntnisse aus ihnen herauszustudieren. Er muß alles
sehen, also auch die Raumverhältnisse, wenn ihm die Karte jederzeit nützen soll.
Andernfalls muß er sich auf die Wirklichkeit verlassen. Das Naturbild aber
wird, je unebener eine Gegend ist, desto verwirrender für ihn: fliegt er zwischen
den Bergen hin, dann verschieben sie sich fortwährend für ihn — das Gelände
erscheint ihm in stetig wechselnden Verzerrungen; fliegt er über den Bergen, so
flacht sich das Gelände ab, desto mehr, je höher und je mehr senkrecht er darüber
fchwevt. Raumtreue Karten erleichtern ihm die Orientierung in ganz bedeutendem
Maße und helfen somit, Unglücksfälle verhüten und die Luftfahrt fördern. In
richtiger Erkenntnis dieser Sachlage hat sich der deutsche Luftfahrerverband ent-


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[0191] vom Höhenbild, auf Landkarten Plastik und Farbenplastik ausgesprochen hat: für die Höhe müssen Farben gewählt werden, die für das Auge vorspringen, für die Tiefe Farben, die für das Auge einsinken. Dementsprechend ist das Sonnenspektrum von Grün über Gelb und Orange bis zu Rot zugrunde gelegt, und zwar von Grün zu Rot ansteigend. Doch sind die Spektralfarben nicht rein angewendet, sondern in ihrer Aufeinanderfolge gleichzeitig nach zwei anderen farbenplastischen Gesetzen abgewandelt: in der Höhe sind die Farben gesättigt und hell gegeben, nach der Tiefe zu weniger satt und mit Grau getrübt. Um die Tiefe noch mehr zu vertiefen, schließt sich unten an das Graugrün noch Grau an. Die Ab¬ stufungen sind nicht willkürlich, sondern streng gesetzmäßig; der Aufbau des Geländebildes erfolgt daher ganz systematisch. Alle Probekarten, auf denen Dr. Peuckers Skala bis jetzt angewendet ist, beweisen die Richtigkeit seiner Ideen. Die bisher beste Veranschaulichung der Peuckerschen Theorie ist die italienische Luftfahrerprobekarte, Blatt Turin (I : 250000). Die Plastik der Karte ist erstaunlich, ohne daß sie übertrieben wirkte, wie es an manchen anderen farbenplastischen Karten getadelt wird. Mit dem ersten Blick überschaut man den ganzen Aufbau des Geländes: die Poebene mit ihren eingesunkenen Flußtälern, das niedrige Gehänge der Berge von Montserrat und das Stück Alpenwelt um den Gran Paradiso, mit seinen höchsten, vergletscherten Gipfeln, mit seinen Graten, die aus der Hochregion immer tiefer hinabsteigen, mit seinen Tälern, die sich, vielfach gewunden und verästelt, bis hoch hinauf verfolgen lassen. Die farbigen Stufen sind auf den Peuckerschen Karten mittlerer Maßstäbe zahlreich (fünfzehn und mehr), allmählich ineinander übergehend und doch jede von den benachbarten deutlich unter- scheidbar, so daß die Karte nicht bloß sofort eine Anschauung der Höhe gibt, sondern daß es mit Hilfe der Skala auch im Nu möglich ist, die absolute und relative Höhe jeder Schicht genau zu bestimmen. Das Interesse für die Peuckersche Sache ist in weiteren Kreisen wach geworden durch die Bedürfnisse der Luftfahrt. Der Luftfahrer, sei er nun Freiballon¬ fahrer oder Luftschiffer im engeren Sinne oder Flieger, braucht vor allen anderen Leuten raumtreue Karten; bei seinem rastlosen Hingleiten über die Erde hat er oft keine oder doch nur wenig Zeit, sich in seine Karten zu vertiefen und mühsam die nötigen Kenntnisse aus ihnen herauszustudieren. Er muß alles sehen, also auch die Raumverhältnisse, wenn ihm die Karte jederzeit nützen soll. Andernfalls muß er sich auf die Wirklichkeit verlassen. Das Naturbild aber wird, je unebener eine Gegend ist, desto verwirrender für ihn: fliegt er zwischen den Bergen hin, dann verschieben sie sich fortwährend für ihn — das Gelände erscheint ihm in stetig wechselnden Verzerrungen; fliegt er über den Bergen, so flacht sich das Gelände ab, desto mehr, je höher und je mehr senkrecht er darüber fchwevt. Raumtreue Karten erleichtern ihm die Orientierung in ganz bedeutendem Maße und helfen somit, Unglücksfälle verhüten und die Luftfahrt fördern. In richtiger Erkenntnis dieser Sachlage hat sich der deutsche Luftfahrerverband ent- 12»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/191>, abgerufen am 24.08.2024.