Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsche Rheummndung

Bekanntlich hat sich zur Förderung des Planes eines auch für mittlere
Seeschiffe benutzbaren Wasserweges vom Rhein zur deutschen Nordsee ein Verein
gebildet, der zu seinen Mitgliedern einflußreiche Interessenten aus den beteiligten
Wirtschaftsgebieten Deutschlands zählt und für welchen die Fürsten zu Salm-
Salm, zu Bentheim und Steinfurt, und zuSalm-Horstmar die Ehrenmitgliedschaft
angenommen haben. Bekannt ist auch, daß vom Verein zwei Projektentwürfe
für den zu schaffenden neuen Wasserweg der Öffentlichkeit unterbreitet sind, deren
Verfasser auf verschiedenem Wege eine Lösung zu erreichen versuchen. Ohne für
einen derselben Stellung zu nehmen, darf sich der Verein der begründeten
Erwartung hingeben, daß die Königliche Staatsregierung, die besonders bei
der gelegentlichen Erörterung des Gedankens einer unabhängigen Wasserverbindung
zwischen Rhein und deutscher Nordsee im preußischen Abgeordnetenhause durch
den Mund des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten ihr lebhaftes Interesse
für diese wichtige nationale Angelegenheit bekundet hat, demnächst an der Prüfung
und Fortsetzung der Projektierungsarbeiten durch einen staatlichen Wasserbau¬
techniker sich beteiligen werde. Über den Stand der Angelegenheit ist den Mit¬
gliedern des Vereins in der im Mai in Köln abgehaltenen Hauptversammlung
Bericht erstattet worden. Außerdem ist bei dieser Gelegenheit im Gefolge eines
Referates über den Rhein--Nordseekanal vom verkehrspolitischen Standpunkte
aus. von sachverständiger militärischer Seite zum ersten Male die militärische
Bedeutung einer solchen Wasserstraße eingehender beleuchtet worden. Um die
breitere Öffentlichkeit hiermit bekanntzumachen, verlohnt es sich wohl darauf
zurückzukommen, wie überhaupt hiermit einige Betrachtungen über eine deutsche
Rheinmündung im Kriegsfalle zu verknüpfen.

Die praktische Verwendung der vorhandenen Wasserstraßen im Kriegsfalle
hat bis jetzt noch nicht in der Weise stattgefunden, daß daraus nennenswerte
Erfahrungen hätten abgeleitet werden können. Um daher der Zahlung eines
Lehrgeldes, das unter Umständen sehr hoch zu stehen kommen könnte, enthoben,
und für alle Fälle auch in dieser Hinficht gerüstet zu sein, sollte mit allen
Kräften und zur Verfügung stehenden Mittel an ihren Ausbau gegangen
werden.

Es steht fest, daß wir in einem künftigen Kriege ganz andere Truppen¬
massen werden bewegen müssen, als im Jahre 1870. Bei der Schnelligkeit,
Mit der die Mobilmachung vor sich geht, kommt nun freilich die Benutzung
von Wasserstraßen für den ersten Aufmarsch nicht in Betracht, wohl aber für
die Beförderung von Verpflegungsmitteln, Kriegsmaterialien und Munition,
also für Massengüter, welche entsprechend der vermehrten Kopfzahl der Heere
von Anfang an gewaltigen Umfang annehmen werden. Tritt bei diesen
Nachschöben eine Verzögerung oder gar ein Versagen ein, wie es sich in, der
Gegenwart bei der Führung des Krieges der Türkei geltend machte, könnte
hierdurch der Ausgang unvorteilhaft bestimmt werden. Aber nicht nur im
Anfangsstadium eines Krieges werden heute die Bahnen vollauf in Ansprach


Deutsche Rheummndung

Bekanntlich hat sich zur Förderung des Planes eines auch für mittlere
Seeschiffe benutzbaren Wasserweges vom Rhein zur deutschen Nordsee ein Verein
gebildet, der zu seinen Mitgliedern einflußreiche Interessenten aus den beteiligten
Wirtschaftsgebieten Deutschlands zählt und für welchen die Fürsten zu Salm-
Salm, zu Bentheim und Steinfurt, und zuSalm-Horstmar die Ehrenmitgliedschaft
angenommen haben. Bekannt ist auch, daß vom Verein zwei Projektentwürfe
für den zu schaffenden neuen Wasserweg der Öffentlichkeit unterbreitet sind, deren
Verfasser auf verschiedenem Wege eine Lösung zu erreichen versuchen. Ohne für
einen derselben Stellung zu nehmen, darf sich der Verein der begründeten
Erwartung hingeben, daß die Königliche Staatsregierung, die besonders bei
der gelegentlichen Erörterung des Gedankens einer unabhängigen Wasserverbindung
zwischen Rhein und deutscher Nordsee im preußischen Abgeordnetenhause durch
den Mund des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten ihr lebhaftes Interesse
für diese wichtige nationale Angelegenheit bekundet hat, demnächst an der Prüfung
und Fortsetzung der Projektierungsarbeiten durch einen staatlichen Wasserbau¬
techniker sich beteiligen werde. Über den Stand der Angelegenheit ist den Mit¬
gliedern des Vereins in der im Mai in Köln abgehaltenen Hauptversammlung
Bericht erstattet worden. Außerdem ist bei dieser Gelegenheit im Gefolge eines
Referates über den Rhein—Nordseekanal vom verkehrspolitischen Standpunkte
aus. von sachverständiger militärischer Seite zum ersten Male die militärische
Bedeutung einer solchen Wasserstraße eingehender beleuchtet worden. Um die
breitere Öffentlichkeit hiermit bekanntzumachen, verlohnt es sich wohl darauf
zurückzukommen, wie überhaupt hiermit einige Betrachtungen über eine deutsche
Rheinmündung im Kriegsfalle zu verknüpfen.

Die praktische Verwendung der vorhandenen Wasserstraßen im Kriegsfalle
hat bis jetzt noch nicht in der Weise stattgefunden, daß daraus nennenswerte
Erfahrungen hätten abgeleitet werden können. Um daher der Zahlung eines
Lehrgeldes, das unter Umständen sehr hoch zu stehen kommen könnte, enthoben,
und für alle Fälle auch in dieser Hinficht gerüstet zu sein, sollte mit allen
Kräften und zur Verfügung stehenden Mittel an ihren Ausbau gegangen
werden.

Es steht fest, daß wir in einem künftigen Kriege ganz andere Truppen¬
massen werden bewegen müssen, als im Jahre 1870. Bei der Schnelligkeit,
Mit der die Mobilmachung vor sich geht, kommt nun freilich die Benutzung
von Wasserstraßen für den ersten Aufmarsch nicht in Betracht, wohl aber für
die Beförderung von Verpflegungsmitteln, Kriegsmaterialien und Munition,
also für Massengüter, welche entsprechend der vermehrten Kopfzahl der Heere
von Anfang an gewaltigen Umfang annehmen werden. Tritt bei diesen
Nachschöben eine Verzögerung oder gar ein Versagen ein, wie es sich in, der
Gegenwart bei der Führung des Krieges der Türkei geltend machte, könnte
hierdurch der Ausgang unvorteilhaft bestimmt werden. Aber nicht nur im
Anfangsstadium eines Krieges werden heute die Bahnen vollauf in Ansprach


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326970"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutsche Rheummndung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_588"> Bekanntlich hat sich zur Förderung des Planes eines auch für mittlere<lb/>
Seeschiffe benutzbaren Wasserweges vom Rhein zur deutschen Nordsee ein Verein<lb/>
gebildet, der zu seinen Mitgliedern einflußreiche Interessenten aus den beteiligten<lb/>
Wirtschaftsgebieten Deutschlands zählt und für welchen die Fürsten zu Salm-<lb/>
Salm, zu Bentheim und Steinfurt, und zuSalm-Horstmar die Ehrenmitgliedschaft<lb/>
angenommen haben. Bekannt ist auch, daß vom Verein zwei Projektentwürfe<lb/>
für den zu schaffenden neuen Wasserweg der Öffentlichkeit unterbreitet sind, deren<lb/>
Verfasser auf verschiedenem Wege eine Lösung zu erreichen versuchen. Ohne für<lb/>
einen derselben Stellung zu nehmen, darf sich der Verein der begründeten<lb/>
Erwartung hingeben, daß die Königliche Staatsregierung, die besonders bei<lb/>
der gelegentlichen Erörterung des Gedankens einer unabhängigen Wasserverbindung<lb/>
zwischen Rhein und deutscher Nordsee im preußischen Abgeordnetenhause durch<lb/>
den Mund des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten ihr lebhaftes Interesse<lb/>
für diese wichtige nationale Angelegenheit bekundet hat, demnächst an der Prüfung<lb/>
und Fortsetzung der Projektierungsarbeiten durch einen staatlichen Wasserbau¬<lb/>
techniker sich beteiligen werde. Über den Stand der Angelegenheit ist den Mit¬<lb/>
gliedern des Vereins in der im Mai in Köln abgehaltenen Hauptversammlung<lb/>
Bericht erstattet worden. Außerdem ist bei dieser Gelegenheit im Gefolge eines<lb/>
Referates über den Rhein&#x2014;Nordseekanal vom verkehrspolitischen Standpunkte<lb/>
aus. von sachverständiger militärischer Seite zum ersten Male die militärische<lb/>
Bedeutung einer solchen Wasserstraße eingehender beleuchtet worden. Um die<lb/>
breitere Öffentlichkeit hiermit bekanntzumachen, verlohnt es sich wohl darauf<lb/>
zurückzukommen, wie überhaupt hiermit einige Betrachtungen über eine deutsche<lb/>
Rheinmündung im Kriegsfalle zu verknüpfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_589"> Die praktische Verwendung der vorhandenen Wasserstraßen im Kriegsfalle<lb/>
hat bis jetzt noch nicht in der Weise stattgefunden, daß daraus nennenswerte<lb/>
Erfahrungen hätten abgeleitet werden können. Um daher der Zahlung eines<lb/>
Lehrgeldes, das unter Umständen sehr hoch zu stehen kommen könnte, enthoben,<lb/>
und für alle Fälle auch in dieser Hinficht gerüstet zu sein, sollte mit allen<lb/>
Kräften und zur Verfügung stehenden Mittel an ihren Ausbau gegangen<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_590" next="#ID_591"> Es steht fest, daß wir in einem künftigen Kriege ganz andere Truppen¬<lb/>
massen werden bewegen müssen, als im Jahre 1870. Bei der Schnelligkeit,<lb/>
Mit der die Mobilmachung vor sich geht, kommt nun freilich die Benutzung<lb/>
von Wasserstraßen für den ersten Aufmarsch nicht in Betracht, wohl aber für<lb/>
die Beförderung von Verpflegungsmitteln, Kriegsmaterialien und Munition,<lb/>
also für Massengüter, welche entsprechend der vermehrten Kopfzahl der Heere<lb/>
von Anfang an gewaltigen Umfang annehmen werden. Tritt bei diesen<lb/>
Nachschöben eine Verzögerung oder gar ein Versagen ein, wie es sich in, der<lb/>
Gegenwart bei der Führung des Krieges der Türkei geltend machte, könnte<lb/>
hierdurch der Ausgang unvorteilhaft bestimmt werden. Aber nicht nur im<lb/>
Anfangsstadium eines Krieges werden heute die Bahnen vollauf in Ansprach</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158] Deutsche Rheummndung Bekanntlich hat sich zur Förderung des Planes eines auch für mittlere Seeschiffe benutzbaren Wasserweges vom Rhein zur deutschen Nordsee ein Verein gebildet, der zu seinen Mitgliedern einflußreiche Interessenten aus den beteiligten Wirtschaftsgebieten Deutschlands zählt und für welchen die Fürsten zu Salm- Salm, zu Bentheim und Steinfurt, und zuSalm-Horstmar die Ehrenmitgliedschaft angenommen haben. Bekannt ist auch, daß vom Verein zwei Projektentwürfe für den zu schaffenden neuen Wasserweg der Öffentlichkeit unterbreitet sind, deren Verfasser auf verschiedenem Wege eine Lösung zu erreichen versuchen. Ohne für einen derselben Stellung zu nehmen, darf sich der Verein der begründeten Erwartung hingeben, daß die Königliche Staatsregierung, die besonders bei der gelegentlichen Erörterung des Gedankens einer unabhängigen Wasserverbindung zwischen Rhein und deutscher Nordsee im preußischen Abgeordnetenhause durch den Mund des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten ihr lebhaftes Interesse für diese wichtige nationale Angelegenheit bekundet hat, demnächst an der Prüfung und Fortsetzung der Projektierungsarbeiten durch einen staatlichen Wasserbau¬ techniker sich beteiligen werde. Über den Stand der Angelegenheit ist den Mit¬ gliedern des Vereins in der im Mai in Köln abgehaltenen Hauptversammlung Bericht erstattet worden. Außerdem ist bei dieser Gelegenheit im Gefolge eines Referates über den Rhein—Nordseekanal vom verkehrspolitischen Standpunkte aus. von sachverständiger militärischer Seite zum ersten Male die militärische Bedeutung einer solchen Wasserstraße eingehender beleuchtet worden. Um die breitere Öffentlichkeit hiermit bekanntzumachen, verlohnt es sich wohl darauf zurückzukommen, wie überhaupt hiermit einige Betrachtungen über eine deutsche Rheinmündung im Kriegsfalle zu verknüpfen. Die praktische Verwendung der vorhandenen Wasserstraßen im Kriegsfalle hat bis jetzt noch nicht in der Weise stattgefunden, daß daraus nennenswerte Erfahrungen hätten abgeleitet werden können. Um daher der Zahlung eines Lehrgeldes, das unter Umständen sehr hoch zu stehen kommen könnte, enthoben, und für alle Fälle auch in dieser Hinficht gerüstet zu sein, sollte mit allen Kräften und zur Verfügung stehenden Mittel an ihren Ausbau gegangen werden. Es steht fest, daß wir in einem künftigen Kriege ganz andere Truppen¬ massen werden bewegen müssen, als im Jahre 1870. Bei der Schnelligkeit, Mit der die Mobilmachung vor sich geht, kommt nun freilich die Benutzung von Wasserstraßen für den ersten Aufmarsch nicht in Betracht, wohl aber für die Beförderung von Verpflegungsmitteln, Kriegsmaterialien und Munition, also für Massengüter, welche entsprechend der vermehrten Kopfzahl der Heere von Anfang an gewaltigen Umfang annehmen werden. Tritt bei diesen Nachschöben eine Verzögerung oder gar ein Versagen ein, wie es sich in, der Gegenwart bei der Führung des Krieges der Türkei geltend machte, könnte hierdurch der Ausgang unvorteilhaft bestimmt werden. Aber nicht nur im Anfangsstadium eines Krieges werden heute die Bahnen vollauf in Ansprach

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/158
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/158>, abgerufen am 28.07.2024.