Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Das Symbol in der Kunst Farben abgeben können, nach der die kunstgenießenden Menschen sich richten Das fühlt der Expressionismus und namentlich der geschickte Theoretiker Aber als das Grundgesetz dieser malerischen Harmonielehre stellt er das Es wäre nun die Aufgabe Kandinskis, für dieses innere Erleben der Mit etwas besserem Gelingen versucht Kandinski bestimmte Typen für die Das erste Paar dieser Gegensätze ist Gelb und Blau, gleichzeitig als Das Symbol in der Kunst Farben abgeben können, nach der die kunstgenießenden Menschen sich richten Das fühlt der Expressionismus und namentlich der geschickte Theoretiker Aber als das Grundgesetz dieser malerischen Harmonielehre stellt er das Es wäre nun die Aufgabe Kandinskis, für dieses innere Erleben der Mit etwas besserem Gelingen versucht Kandinski bestimmte Typen für die Das erste Paar dieser Gegensätze ist Gelb und Blau, gleichzeitig als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326243"/> <fw type="header" place="top"> Das Symbol in der Kunst</fw><lb/> <p xml:id="ID_294" prev="#ID_293"> Farben abgeben können, nach der die kunstgenießenden Menschen sich richten<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_295"> Das fühlt der Expressionismus und namentlich der geschickte Theoretiker<lb/> des Expressionismus, Kandinski, sehr wohl. Er bemüht sich daher, für den<lb/> symbolischen Formalismus, für die Verwendung der reinen Form und Farbe<lb/> als künstlerisches Ausdrucksmittel einen ganzen „konstruierten malerischen Ge¬<lb/> neralbaß" zu erlangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_296"> Aber als das Grundgesetz dieser malerischen Harmonielehre stellt er das<lb/> Prinzip der „inneren Notwendigkeit" auf. Sowohl die Farben- als auch die<lb/> Formenharmonie soll nur „auf dem Prinzip der zweckmäßigen Berührung der<lb/> menschlichen Seele" (durch die Farben und Formen als Reize nämlich) beruhen.<lb/> Diese „innere Notwendigkeit" aber, ebenso wie die Zweckmäßigkeit ist eine völlig<lb/> subjektive und identisch mit dem subjektiven Erlebnis des Künstlers. So ist das<lb/> subjektive Erlebnis des Künstlers oberstes Gesetz in dem „malerischen General¬<lb/> baß" des Expressionismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_297"> Es wäre nun die Aufgabe Kandinskis, für dieses innere Erleben der<lb/> Künstler an der reinen Form und der reinen Farbe bestimmte Grenzfälle oder<lb/> Typen zu finden und festzulegen. Das gelingt ihm aber nur in sehr unvoll¬<lb/> kommener Weise, ja auf der Suche nach einer inneren Gesetzmäßigkeit der<lb/> Formen leidet er völlig Schiffbruch. Was er von dem „inneren Klang", dem<lb/> gefühlsmäßigen Gehalt der reinen Formen zu sagen weiß, ist gleich Null. Er<lb/> begnügt sich mit logischen Konstruktionen, konstatiert z. B. daß es Formen gebe,<lb/> die materielle Gegenstände darstellen wollen, ferner völlig abstrakte Formen,<lb/> die „keinen realen Gegenstand bezeichnen", sondern „vollkommen abstrakte Wesen"<lb/> sind, und endlich, daß zwischen diesen beiden Grenzen die unendliche Zahl der<lb/> Formen liege, „in welchen beide Elemente vorhanden sind und wo entweder<lb/> das Materielle überwiegt oder das Abstrakte". Zuletzt tritt er einen ehren¬<lb/> vollen Rückzug an, indem er zugibt, daß „mit ausschließlich rein abstrakten<lb/> Formen der Künstler heute nicht auskommen kann", weil sie „zu unpräzise"<lb/> sind. Die mathematische Gesetzmäßigkeit der Formen läßt Kandinski völlig<lb/> außer Betrachtung, während diese doch allein zu einer reinen Formensymbolik<lb/> führen kann und in der ornamentalen und monumentalen Kunst tatsächlich zu<lb/> einer solchen geführt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_298"> Mit etwas besserem Gelingen versucht Kandinski bestimmte Typen für die<lb/> innere Wirkung der Farben, für die Farbensymbolik, aufzustellen. Er knüpft<lb/> an eine objektive Gesetzmäßigkeit, nämlich an die optisch-physikalische, an und<lb/> stellt Kontrastfarben in Paaren als Gegensätze einander gegenüber, um ihnen dann<lb/> die künstlerische, die gefühlsmäßige Deutung zu geben auf Grund seiner Er¬<lb/> fahrung als Künstler.</p><lb/> <p xml:id="ID_299" next="#ID_300"> Das erste Paar dieser Gegensätze ist Gelb und Blau, gleichzeitig als<lb/> Gegensatz des Warmen und Kalten. Im Gelb liegt ferner für Kandinski eine<lb/> exzentrische, im Blau eine konzentrische Bewegung. Es seien zur Charakter!-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
Das Symbol in der Kunst
Farben abgeben können, nach der die kunstgenießenden Menschen sich richten
können.
Das fühlt der Expressionismus und namentlich der geschickte Theoretiker
des Expressionismus, Kandinski, sehr wohl. Er bemüht sich daher, für den
symbolischen Formalismus, für die Verwendung der reinen Form und Farbe
als künstlerisches Ausdrucksmittel einen ganzen „konstruierten malerischen Ge¬
neralbaß" zu erlangen.
Aber als das Grundgesetz dieser malerischen Harmonielehre stellt er das
Prinzip der „inneren Notwendigkeit" auf. Sowohl die Farben- als auch die
Formenharmonie soll nur „auf dem Prinzip der zweckmäßigen Berührung der
menschlichen Seele" (durch die Farben und Formen als Reize nämlich) beruhen.
Diese „innere Notwendigkeit" aber, ebenso wie die Zweckmäßigkeit ist eine völlig
subjektive und identisch mit dem subjektiven Erlebnis des Künstlers. So ist das
subjektive Erlebnis des Künstlers oberstes Gesetz in dem „malerischen General¬
baß" des Expressionismus.
Es wäre nun die Aufgabe Kandinskis, für dieses innere Erleben der
Künstler an der reinen Form und der reinen Farbe bestimmte Grenzfälle oder
Typen zu finden und festzulegen. Das gelingt ihm aber nur in sehr unvoll¬
kommener Weise, ja auf der Suche nach einer inneren Gesetzmäßigkeit der
Formen leidet er völlig Schiffbruch. Was er von dem „inneren Klang", dem
gefühlsmäßigen Gehalt der reinen Formen zu sagen weiß, ist gleich Null. Er
begnügt sich mit logischen Konstruktionen, konstatiert z. B. daß es Formen gebe,
die materielle Gegenstände darstellen wollen, ferner völlig abstrakte Formen,
die „keinen realen Gegenstand bezeichnen", sondern „vollkommen abstrakte Wesen"
sind, und endlich, daß zwischen diesen beiden Grenzen die unendliche Zahl der
Formen liege, „in welchen beide Elemente vorhanden sind und wo entweder
das Materielle überwiegt oder das Abstrakte". Zuletzt tritt er einen ehren¬
vollen Rückzug an, indem er zugibt, daß „mit ausschließlich rein abstrakten
Formen der Künstler heute nicht auskommen kann", weil sie „zu unpräzise"
sind. Die mathematische Gesetzmäßigkeit der Formen läßt Kandinski völlig
außer Betrachtung, während diese doch allein zu einer reinen Formensymbolik
führen kann und in der ornamentalen und monumentalen Kunst tatsächlich zu
einer solchen geführt hat.
Mit etwas besserem Gelingen versucht Kandinski bestimmte Typen für die
innere Wirkung der Farben, für die Farbensymbolik, aufzustellen. Er knüpft
an eine objektive Gesetzmäßigkeit, nämlich an die optisch-physikalische, an und
stellt Kontrastfarben in Paaren als Gegensätze einander gegenüber, um ihnen dann
die künstlerische, die gefühlsmäßige Deutung zu geben auf Grund seiner Er¬
fahrung als Künstler.
Das erste Paar dieser Gegensätze ist Gelb und Blau, gleichzeitig als
Gegensatz des Warmen und Kalten. Im Gelb liegt ferner für Kandinski eine
exzentrische, im Blau eine konzentrische Bewegung. Es seien zur Charakter!-
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